Akkord

Akkord. (Musik) Ist jeder aus mehreren zugleich klingenden und dem Gehör unterscheidbaren Tönen zusammen gesetzter Klang; aber das Wort hat allgemein diese besondere Bedeutung, dass es einen zu dem Satz der Musik brauchbaren oder regelmäßig zusammengesetzten Klang bedeutet. In unserer Musik hat jedes Tonstück allemal eine, nach gewissen Regeln, auf einander folgende Reihe solcher Klänge oder Akkorde zum Grunde, durch welche der Gesang einzelner Stimmen oder die Melodien zum Teil bestimmt werden. Nur in sofern die Tonstücke aus verschiedenen Stimmen bestehen, erfordern sie die Betrachtung der Akkorde. Der einstimmige Gesang hat keine Akkorde zum Grund; sie sind erst aus der Einführung der Harmonie und des vielstimmigen Gesangs entstanden.

Deswegen haben die griechischen Tonlehrer nichts von den Akkorden geschrieben.

Der erste und wesentlichste Teil der heutigen Setzkunst besteht in der Kenntnis aller brauchbaren Akkorde und der Art, wie eine Reihe derselben in eine gute Verbindung zu bringen ist. Aber nicht nur der Tonsetzer, sondern auch der, welcher die Begleitung eines Tonstücks auf sich nimmt, muss diese Kenntnis haben. In diesem Artikel wird die Beschaffenheit der Akkorde, jeden für sich betrachtet, erklärt; das was zu ihrer Verbindung gehört, wird in der Betrachtung der Modulation vorkommen.

Man findet bei den Tonlehrern eine große Verschiedenheit der Meinungen über die Anzahl, den Ursprung und den Gebrauch aller zur Musik dienlichen Akkorde. Diese Materie scheint überhaupt so sehr verworren, dass man denken sollte, es sei unmöglich sie methodisch zu ordnen. Allem Ansehen nach haben die ältesten dreistimmigen Gesänge eine Folge von konsonierenden Akkorden zum Grund gehabt. Die Begierde die Harmonie reizender zu machen, hat ohne Zweifel die Tonsetzer vermocht, zwischen diese konsonierenden Akkorde hier und da dissonierende zu setzen. Vermutlich haben sie es zuerst mit Akkorden versucht, in denen nur eine Dissonanz den konsonierenden Tönen hinzugefügt oder an die Stelle einer Konsonanz gesetzt worden. Nach und nach mögen sie bemerkt haben, dass mehrere und sogar alle Töne des konsonierenden Akkords so können verletzt werden, dass der Fortgang des Gesangs dadurch angenehmer wird. Durch unzählige Proben dieser Art ist endlich eine sehr große Anzahl verschiedener Akkorde in die Musik eingeführt worden, über deren Wert und Gebrauch man noch nicht einstimmig ist und worüber man allgemein das Gehör der erfahrnesten Tonsetzer zum Richter anruft.

Bei dieser Beschaffenheit der Sache wäre es sehr zu wünschen, dass eine Methode entdeckt würde, durch welche man alle brauchbaren Akkorde bestimmen könnte. Der französische Tonsetzer Rameau hat dieses versucht und hat bei vielen Beifall gefunden. In der Tat scheint er auch in manchen Stücken auf den eigentlichen Grund der Sachen gekommen zu sein. Es würde für uns zu weitläufig sein, sein System aus einander zusetzen, daher wir uns begnügen, die Schriften anzuzeigen, in denen man dasselbe findet*).

Noch tiefer scheint Tartini in den Grund der Sache gedrungen zu sein, aus dessen System sich die Akkorde und ihr Gebrauch herleiten ließen. Roußeau hat eine sehr deutliche Entwicklung dieses Systems gegeben [Art. Systeme].

Nach genauer Überlegung der Sachen scheint folgende Vorstellung dieser Materie sich durch ihre Einfalt und Deutlichkeit vorzüglich zu empfehlen.

Man kann zuerst annehmen, dass ein jedes Tonstück bloß auf eine Reihe konsonierender Akkorde gegründet sei und zu dieser Voraussetzung die brauchbaren Akkorde aufsuchen; danach kann man die Gründe erforschen, aus denen wahrscheinlicher Weise die Dissonanzen in der Harmonie entstanden sind und versuchen, ob dadurch die Anzahl und Beschaffenheit der dissonierenden Akkorde könne bestimmt werden.

Die erwähnte Voraussetzung hat nichts erzwungenes. Es ist wahrscheinlich, dass im Anfang, da der vielstimmige Gesang aufgekommen, alles darin bloß konsonierend gewesen sei und man hat noch gute Stücke ohne Dissonanzen in der Harmonie. Es ist überdem eine nicht nur wahre, sondern wichtige und wesentliche Bemerkung, dass ein vollkommenes Tonstück allemal so gesetzt sein müße, dass, wenn alle Dissonanzen ausgestrichen werden, das, was übrig bleibt, einen guten harmonischen Zusammenhang habe. Es ist demnach ein wesentlicher Teil der Setzkunst, dass man einen Gesang durch bloße konsonierende Harmonien durchzuführen wisse.

Nun nehmen alle Tonlehrer dieses als einen durch alle Erfahrungen bestätigten Grundsatz an, dass ein konsonierender Akkord nur dreistimmig sein könne. Darin kommen alle überein, außer dass unlängst ein großer Mathematiker zu behaupten gesucht hat, dass sich auch ein konsonierender vierstimmiger Akkord finde**): dieses aber kann gegenwärtige Untersuchung nicht stören.

Ferner werden wir sowohl durch das Zeugnis des Ohrs als durch die Untersuchung des Ursprungs der Harmonie [s. Harmonie] versichert, dass unter allen möglichen dreistimmigen Akkorden, derjenige, der aus der Terz, der Quint und Oktave des Grundtons zusammen gesetzt ist, die vollkommenste Harmonie habe. Dieser Akkord wird deswegen vorzüglich der harmonische Dreiklang genannt.

Nun hat Rameau zuerst angemerkt und alle Tonlehrer haben die Richtigkeit seiner Bemerkung er kennt; dass aus Verwechslung des harmonischen Dreiklangs alle übrige konsonierende dreistimmige Akkorde entstehen. Denn zu dem Dreiklang müssen der Oktave des Grundtons, noch zwei andere Töne hinzugefügt werden, die man aus dieser Reihe, Sekunde, Terz, Quarte, Quinte, Sexte und Septime erwähnter Oktave, aussuchen muss. Aus dieser Reihe werden sowohl die Sekunden als die Septime notwendig ausgeschloßen, weil sie beide mit der Oktave des Grundtons dissonieren [s. Dissonanz], also bleiben die Terz, Quarte, Quinte und Sexte übrig. Von diesen können nicht zwei an einander liegende, nämlich Terz und Quarte, Quarte und Quinte, Quinte und Sexte genommen werden, weil immer die höhere gegen die niedrigern Sekunden ausmachen und folglich dissonieren. Daher bleiben keine übrig als 3 und 5, 3 und 6, 4 und 6. Im ersten Fall hat man den vollkommenen Dreiklang, im anderen und dritten seine Verwechslungen [s. Verwechslung]. Demnach ist nur ein einziger konsonierender Grundakkord, nämlich der harmonische Dreiklang. Kennt man also dessen Arten, die an einem anderen Orte angezeigt werden [s. Art. Dreiklang], so hat man eine vollständige Kenntnis aller konsonierenden Akkorde. Und hiemit wäre der erste Teil der Untersuchung geendigt.

 Mit Entdeckung aller brauchbaren dissonierenden Akkorde hat es etwas mehr Schwierigkeit. Hier muss nun zuerst das bemerkt werden, was von dem Ursprung und dem Gebrauch der Dissonanzen gesagt worden ist [s. Dissonanz]. Daraus erhellt, dass der Akkord der Septime der einzige notwendige vierstimmige Grundakkord ist. Nimmt man nun alle Verwechslungen desselben, die in dem Artikel über diesen Akkord auseinander gesetzt worden sind [s. Septimenakkord], so hat man ein vollständiges Verzeichnis aller wesentlichen dissonierenden Akkorde.

Wenn man nun endlich die andere Gattung der Dissonanzen betrachtet, die wir zufällige genannt haben [s. Dissonanz, Vorhalt, Verrückung], so darf man nur Stufenweise von allen konsonierenden und allen zum Septimenakkord gehörigen dissonierenden Akkorden einen, zwei oder mehrere Töne verrücken, so bekommt man, wie es scheint, alle nur mögliche brauchbare Akkorde, nebst deren Verwechslungen.

Um also gar alle Akkorde [Art. Dreiklang, Septimenakkord, Quartenakkord, Nonenakkord] zusammen zu haben, müste man die Tabellen, die wir in den am Rand angezeigten Artikeln eingeschaltet haben, zusammen vereinigen. Von der besten Art, die Akkorde für den begleitenden Bass zu bezeichnen, ist im Artikel Bezifferung gesprochen worden.

 Ein Akkord ist vollständig, wenn alle Töne, die seinem Ursprung nach dazu gehören, sich darin finden: unvollständig ist er, wenn einige davon weggelaßen werden. So besteht der vollständige Septimenakkord aus der Terz, der Quinte, der Septime und der Oktave. Diese aber sowohl als eine der beiden anderen, werden bisweilen weggelaßen.

 

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*) Traitté de l' harmonie etc. par Mr. Rameau. 4to. Marpurgs Handbuch zum Generalbass und der Komposition. Desselben Übersetzung des Herrn d'Alamberts systematischer Einleitung in die Setzkunst. Dictionaire de Musique par J. J. Rousseau.

**) Herr Euler in den Memoires de l'Acad. Roy. des Sciences et Belles-Lettres pour l'Année 1764. S. 177. f. f.


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