Ankündigung

Ankündigung. (Redende Künste) Es trägt sehr viel zur guten Wirkung eines Werks bei, wenn man gleich von Anfang einige Hauptbegriffe gefasst hat, welche die Aufmerksamkeit durch das ganze Werk hindurch lenken und unterhalten. In redenden Künsten, kann diese vorteilhafte Lage des Geistes durch eine geschickte Ankündigung des Inhalts hervor gebracht werden. Dadurch wird der Aufmerksamkeit die nötige Spannung gegeben und sie wird zugleich dahin, wo es die Absicht des Künstlers erfordert, gerichtet.

 Daher ist es gekommen, dass die Redner, die tragischen und epischen Dichter, allgemein gleich anfangs ihre Materie auf die vorteilhafteste Weise anzukündigen gesucht haben. In der Ankündigung liegt das ganze Werk so eingewickelt, wie nach der Beobachtung der neueren Naturlehrer, die künftige Pflanze mit ihren Blättern, Blumen und Früchten in dem Keim des Saamenkorns liegt. Deswegen ist dieser so kleine Teil eines Gedichts oder einer Rede, höchst wichtig und erfordert eine große Kunst.

  Über die epische Ankündigung haben wir am wenigsten nötig uns in eine nähere Betrachtung einzulassen; da sie viel weniger Schwierigkeit hat als die dramatische und man aus den großen Mustern, die jedermann bekannt sind, sich hinlänglich davon unter richten kann. Die Bescheidenheit und Einfalt sind die zwei Eigenschaften, die Horaz zur Ankündigung fordert.

»Dic mihi, Musa, virum, captae post tempora

       Trojae, Qui mores hominum multorum vidit et urbes.« Non fumum ex fulgore, sed ex fumo dare lucem. Cogitat.1

 Die dramatische Ankündigung hat Schwierigkeiten von mehr als einer Art. Da der Dichter nicht selbst spricht und es unnatürlich wäre einer handelnden Person die Ankündigung gerade zu in den Mund zu legen, so muss sie durch Umwege geschehen. Dazu kommt noch, dass man gar bald zu viel von der Sache entdeckt, deren Ungewissheit den Zuschauer in beständiger Erwartung erhalten muss.2

 Plautus, der, wie in manchem anderen Stück, also auch hier, sich an keine Regel band, hat ohne Umschweif durch seine Prologen die Ankündigung gemacht. Die meisten Dichter aber haben diese Art, weil sie außer der Handlung liegt, nicht ohne Grund ver worfen: nur die englische Bühne hat die Prologen beibehalten.

 Die Griechen, so wie die meisten Neuern, haben den Inhalt der Handlung durch den Anfang der Handlung selbst anzukündigen gesucht. Sophokles ist darin am glücklichsten gewesen; dem Euripides aber hat es damit selten geglückt. Die Sache hat in der Tat große Schwierigkeit. Denn da natürlicher Weise keine der handelnden Personen vorher sehen kann, was für eine Wendung, viel weniger, was für einen Ausgang die Sachen nehmen werden, so können sie die Handlung auch nicht bestimmt ankündigen. Hier ist sie eine noch zufällige künftige Sache, da sie in der epischen Ankündigung als eine schon vergangene Sache erscheint. Es kann also in Drama weiter nichts angekündigt werden als die Veranlassung und der Anfang der Handlung, ihre Wichtigkeit, nebst einigen dunkeln Vermutungen ihres Ausganges. Dabei kann jeder die Schwierigkeit der Sache empfinden. Die meisten Neueren behandeln die Ankündigung so schlecht, dass man lange in Verwirrung und Ungewissheit über die Veranlassung und über die Natur der Handlung bleibt.

 Im Trauerspiel sollte man aus den ersten Reden der Personen so gleich erkennen, dass man am Anfang einer wichtigen Handlung ist, deren Ausgang zwar ungewiss ist, aber, von welcher Seite er kommen möge, merkwürdig sein muss. Je genauer die Verwicklung der Sachen, die Schwierigkeiten und Gefahren, die der Fortgang der Handlung heran bringen wird, durch die Ankündigung erkennt werden, je gewisser wird die Aufmerksamkeit gereizt. Auch ist es sehr wichtig, dass dem Zuschauer durch die Ankündigung gleich die Hauptpersonen, von einer interessanten Seite vorgestellt werden.

 Man kann den Anfang des Oedipus in Theben von Sophokles, als ein vollkommenes Muster der Ankündigung anpreisen.

  Von der Ankündigung des Inhalts der Rede, die gleich nach dem Eingange folgt, (Propositio) ist unnötig viel zu sagen. Sie hat für einen wirklich beredten Mann wenig Schwierigkeit. Das was dabei zu bedenken ist, besonders, ob man den Schluss der Rede vorher anzeigen oder verbergen soll, entdeckt sich einem Mann von gutem Urteil gar bald. Einiges Nachdenken über die verschiedenen Ankündigungen, wie sie vom Demosthenes oder Cicero behandelt worden, wird wenig Ungewissheit in der Sache lassen.

 Notwendiger ist es vielleicht dieses zu erinnern, dass in der Rede oft die Ankündigung eines besonderen Teils derselben, der auf die Abhandlung eines vorher gegangenen Teiles folgt, notwendig wird. Dieses nennt Cicero: Propositio quid sis dicturus, et ab eo quod est dictum, seiunctio.3 In diesen besonderen Ankündigungen sind unter den Neueren die französischen Schriftsteller die besten Muster. Winkelmann hat auch in dem bloß dogmatischen Vortrag versucht, die alte griechische Art: So viel hiervon; – nun davon, wieder einzuführen, welches nicht zu verwerfen ist. Nur für förmliche Reden ist diese Formel zu kurz.

 

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1 Hor. de Arte. vs, 136 u. f.

2 Pars Argumenti explicatur, pars reticetur ad populi expectationew tenendam Donatus.

3 De Orat. L. III.

 


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