Augenblick. (Malerei) Der Zeitpunkt in einer Begebenheit, den der Historienmaler zu seiner Vorstellung gewählt hat. Weil nämlich in dem Gemälde keine Folge von Begebenheiten statt findet, sondern alles still steht, so kann von einer Geschichte in dem Gemälde nur ein einziger unteilbarer Punkt der Zeit vorgestellt werden, das ist, der Maler drückt eine gewisse Szene aus, wie sie in einem von ihm gewählten Augenblick gewesen ist.
Die Wahl des Augenblicks ist ein wichtiger Teil der Erfindung des historischen Gemäldes. Denn jeder Augenblick einer wichtigen Handlung hat seine besonderen Umstände und gibt den Personen besondere Empfindungen. Der Maler, der sich z. B. überhaupt vorgesetzt hat, Christum am Creuz zu malen, kann entweder den Augenblick wählen, da er angeheftet wird oder den, da der Heiland mit seinen Verwandten in einer gewissen Gemütsruhe vom Creuz herunter spricht oder, da er voll Schmerzen und Seelenangst ist oder, da er ruft: es ist vollbracht u. s. f. Jeder dieser Augenblicke kann dem Gemälde einen besonderen Charakter, eine besondere Anordnung, ihm eigene Erfindungen, Stellungen, Leidenschaften u. s. f. geben.
Der Maler muss deswegen nach der Wahl der Materie der Wahl des Augenblicks ernstlich nachdenken. Er muss der Geschichte, die er vorstellen will, durch alle Augenblicke nachgehen, sich bei jedem alle Umstände wohl vorstellen und erst dann von allen den wählen, der sich zu seiner Absicht am besten schickt. So wohl die malerische als die poetische Anordnung hängen von dem gewählten Augenblick ab.
Bei einem gemeinen und sehr oft wiederholten Inhalt kann das Werk durch die glückliche Wahl des Augenblicks, das Ansehen der Neuigkeit bekommen. Z. E. der Maler würde sehr viel neues anbringen können, der für seinen gekreuzigten oder sterbenden Christus den Augenblick wählte, da das Erdbeben entsteht.