Vorhalt. (Musik) Eine Dissonanz die in einem Akkord eine Zeitlang die Stelle einer Konsonanz vertritt und bald in dieselbe übergeht. Es ist bereits anderswo erinnert worden, woher es komme, dass in der Fortschreitung der Harmonie ein Ton oder mehrere, die zu einem vorhergehenden Akkord gehören noch auf dem folgenden eine Zeitlang liegen bleiben, und die Stelle andrer zu dem Akkord gehöriger Töne einnehmen1. Wir haben diese Vorhalte zufällige Dissonanzen genannt, weil sie zu der Harmonie oder zu dem Akkord, in dem sie stehen, nicht gehören, sondern nur zufälliger Weise, weil sie schon da liegen und der Übergang von ihnen auf die dem Akkord wesentlichen Töne, eine gute Wirkung tut, beibehalten werden. Dadurch unterscheiden sie sich von der wesentlichen Dissonanz, die als ein notwendiger Ton zu dem Akkord gehört und vor sich da steht, da die Vorhalte nur eine Zeitlang die Stelle anderer Töne vertreten. Z.B. Ein Vorhalt kommt immer auf der guten Zeit des Takts, damit das Dissonieren fühlbarer sei und tritt auf der darauf folgenden schlechten Zeit in die Konsonanz über, deren Stelle er vertreten hat, als die Quarte in die Terz, die None in die Oktave u.s.w. Der Vorhalt ist von dem Vorschlag darin verschieden, dass dieser nicht von der vorhergehenden Harmonie liegen bleibt, sondern ohne diese Vorbereitung vor dem eigentlichen Ton, den man hören sollte, angeschlagen wird und diesem danach Platz macht.
Die Vorhalte kommen nur in dem sogenannten schweren oder strengen Styl vor, wo sie wegen des empfindlichen Dissonierens starke Wirkung tun. Es ist aber dabei in Acht zu nehmen, dass der Vorhalt nicht länger daure als die Konsonanz, an die er gebunden ist. Man kann wohl eine kürzere Note an eine längere, aber nicht eine längere an eine kürzere binden. Auch ist es eine wesentliche Eigenschaft des Vor
halts, dass er nur um einen einzigen Grad von der Konsonanz, an deren Stelle er steht entfernt sei.
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1 S. Dissonanz. Bindung.