Arithmetische Teilung

Arithmetische Teilung. (Musik) Die ältern Tonlehrer sprechen vielfältig von der arithmetischen und von der harmonischen Teilung der Intervallen; deswegen bedürfen diese Wörter einer Erklärung und um so viel mehr, da sie jetzt anfangen, aus der Mode zu kommen.

 Es ist natürlich zu vermuten, dass die größeren Intervallen in der Musik eher bekannt gewesen sind als die kleinen und dass die Oktave eher als die Quinte, diese eher als die Terz bekannt gewesen sei. Die Alten versuchten zwischen die Töne, welche ein größeres Intervall ausmachen, noch einen oder mehr Töne hinein zusetzen und dieses taten sie auf zweierlei Weise; daher denn die arithmetische und die harmonische Teilung der Intervallen entstanden ist.

  Dieses zu verstehen, muss man sich die Länge der Saiten, deren Töne ein Intervall ausmachen, in Zahlen vorstellen. Zwei Saiten, eine 60 Teile (z. B. Zolle) lang, die andere dreißig, geben, wie bekannt, das Intervall einer Oktave.1 Will man zwischen diese beiden Töne noch einen in die Mitte setzen, so muss zwischen beiden Saiten von 60 und von 30 Teilen, eine angenommen werden, deren Länge mitten zwischen 60 und 30 fällt. Diese wird arithmetisch bestimmt, wenn die Zahl das arithmetische Mittel hält, das ist, wenn sie um eben so viel Teile von 60 als von 30 absteht oder wenn sie 45 Teile hat. Will man aber das Intervall harmonisch ausfüllen, so muss die mittlere Zahl das harmonische Mittel sein,2 nämlich 40.

  Demnach stellen die drei Zahlen, 60, 45, 30, eine Oktave vor, die arithmetisch geteilt ist und die Zahlen, 60, 40, 30, eine harmonisch geteilte Oktave. Im ersten Fall ist das Intervall, 60:45 oder 4:3 eine Quarte: das andere 45:30 oder 3:2 eine Quinte; im anderen Fall ist 60:40 oder 3:2 eine Quinte und 40:30 oder 4:3 eine Quarte. Daher sagte man, die Oktave C-c werde durch die Quarte F arithmetisch und durch die Quinte G harmonisch geteilt und die arithmetische Teilung der Oktave gebe die Quarte unten C-F und die Quinte oben F-c, die harmonische aber gebe diese Intervalle umgekehrt; erst die Quinte C-G und denn die Quarte G-c.

 Auf diese doppelte Weise pflegte man ehedem alle größeren Intervalle auszufüllen. Die Quinte 60:40. arithmetisch geteilt, gibt 60:50:40. oder die kleinere Terz 5/6 unten und die größere 4/5 oben; hingegen harmonisch geteilt gibt sie 60:48:40. die größere Terz 4/5 unten und die kleinere 5/6 oben.

 Auf eben diese Art kann man auch den Raum der Oktave durch zwei neue Töne ausfüllen, so wohl arithmetisch als harmonisch. Im ersten Fall bekommt man 60:50:40:30; oder die kleine Terz, 5/6, die Quinte 4/6 oder 2/8 und die Oktave 60:30 oder 1/2; im anderen Fall aber 60:48:40:30. oder die große Terz 60:48 oder 4/5, die Quinte 60:40 oder 2/3 und die Oktave. Hieraus entstand die Anmerkung, dass die arithmetische Teilung der Oktave durch zwei Töne die weiche oder kleine Tonart, die harmonische aber, die harte oder große Tonart, angebe.

 Da die Quinte ein vollkommeners Intervall ist als die Quarte, die größere Terz vollkommener als die kleinere, so haben die ältern Tonlehrer überhaupt gesagt: die harmonische Teilung sei für die Musik besser als die arithmetische.

 Da überhaupt diese Art, sich den Ursprung der Intervalle vorzustellen, von den Neueren selten gebraucht wird, so hat diese Erklärung jetzt weiter nichts mehr auf sich als dass man dadurch die Sprache der ältern Tonlehrer verstehen lernt.

 

_________________

1 S. Harmonie.

2 S. Harmonisch.

 


 © textlog.de 2004 • 25.04.2024 22:39:36 •
Seite zuletzt aktualisiert: 23.10.2004 
bibliothek
text
  Home  Impressum  Copyright  A  B  C  D  E  F  G  H  I  J  K  L  M  N  O  P  Q  R  S  T  U  V  W  Z