Aufführung des Drama. Man sagt von einem Drama, es sei gut oder schlecht aufgeführt worden; deswegen scheint das Wort Aufführung schicklich, die Vorstellung des Drama auf der Bühne zu bezeichnen. Die gute Aufführung hängt größtenteils von der Geschicklichkeit der Schauspieler und von der guten Einrichtung der Bühne ab; aber auch der Dichter selbst kann viel dazu beitragen. Von dem, was zur Kunst des Schauspielers gehört, kommt in manchem Artikel dieses Werks verschiedenes vor: hier ist bloß von dem Anteil die Rede, den der Dichter an dieser Sache hat.
Es ist sehr wichtig, dass er bei Verfertigung seines Stückes keinen Augenblick vergesse, dass er kein Werk zum Lesen, sondern bloße Reden für solche Personen schreibe, die als handelnde Personen auf die Schaubühne treten. Diese Vorstellung muss einen bestimmten Einfluss auf sein Werk haben. Hat sie es nicht; so kann er vielleicht ein schönes Gespräch schreiben; aber ein vollkommenes Drama wird er nicht zu Stande bringen. In der Tat findet man, dass in dramatischen Stücken manches beim Lesen sehr gut gefällt, das auf der Bühne schlechte Wirkung tut; und dass bisweilen die einfachsten Dinge, die im Lesen bei nahe übersehen werden, auf der Bühne von großer Schönheit sind. Die Ursache hiervon ist, weil das Drama, in so weit der Dichter es verfertigt, nur ein Teil der Sache ist; die Handlung der Personen und was dazu gehört, machen den anderen Teil davon aus.
Nur ein sehr erfahrner Schauspieler wäre im Stande dem Dichter zu sagen, was er so wohl überhaupt, als in besonderen Stellen aus Rücksicht auf die Aufführung seines Stücks, in Acht zu nehmen habe. Wir können hiervon nur unvollkommene Winke geben.
Überhaupt erfordert die Schaubühne eine ganz eigene, nur für sie abgepasste, Schreibart, die genau in dem Ton einer Person, die in einer Handlung begriffen ist, gestimmt sein muss. Euripides konnte nicht wie Demosthenes, und Terenz nicht wie Cicero schreiben. Auch in der höchsten tragischen Schreibart, muss nichts den Geruch der Lampe des griechischen Redners verraten. Alle Wörter, die bloß dem Schrifsteller oder dem Redner eigen sind, müssen da vermieden werden; weil die handelnden Personen weder Schriftsteller noch Redner sind. Die langen und gekünstelten Perioden sind hier gänzlich zu vermeiden, so wie die Wendungen, die aus Überlegung entstehen; denn man spricht da ohne Vorbereitung. Eine einzige Periode, die einem Schauspieler etwas sauer wird, wozu sein Atem nicht hinreicht oder die das Feuer der Vorstellung etwas dämpft, hebt sogleich beim Zuschauer die Taüschung auf; er verliert die handelnde Person aus dem Gesichte und erblickt den Dichter.
In Rücksicht auf die Aufführung, muss der dramatische Dichter sich kürzer als jeder andere Schrifsteller ausdrücken. Aber seine Kürze muss nicht eine erkünstelte oder erzwungene Kürze sein, dergleichen einige Schriftsteller, nach dem Muster, das Tacitus gegeben hat, annehmen. Hierher können wir einen Fehler rechnen, wie wohl er mehr die Sachen als den Ausdruck betrifft, von welchem kaum die besten dramatischen Dichter frei sind. Er besteht darin, dass sie ihre Personen so gar oft mehr sagen lassen als der, mit dem sie sprechen, zu hören nötig hat. Ein Teil dessen, was gesagt wird, gehört oft bloß für den Zuschauer, um ihn von etwas zu unterrichten, das der Dichter ihm auf eine bessere Art zu erkennen zu geben, kein Mittel wußte.
Hat der Dichter die Personen, denen er die Reden in Mund legt, vor Augen, stellt er sich ihr Spiel recht vor, überlegt er genug, was ihre Stellung, ihre Minen und der Ton ihrer Stimme, auszudrücken vermögen, so wird er an sehr viel Orten weniger sagen als ein anderer Schriftsteller, der eben dasselbe historisch, rednerisch oder poetisch zu sagen gehabt hätte. Denn selbst die Winke und das sogenannte stumme Spiel kommen ihm zu statten.
Eine vorzügliche Aufmerksamkeit von Seiten des dramatischen Dichters erfordern die Auftritte, wo außer den wirklich redenden Personen noch mehr andere zugegen sein müssen. Sie werden gar zu bald langweilig, wenn die Reden eigentlich nur unter zwei Personen vorfallen, da doch vier oder fünfe zugegen sind, die dann überaus magere Figur machen.
Dieses gilt vornehmlich von den Auftritten in ernsthaften Stücken, wo die handelnden Personen in die höchste Leidenschaft gesetzt sind. Da hat der Dichter am wenigsten zu tun, weil der höchste Grad starker Leidenschaften mehr stumm als beredt macht. Mit desto größerer Überlegung hat er auf die Wirkung, welche die Sache bei der Aufführung haben wird, Acht zu geben. Dergleichen Auftritte, von denen man das meiste erwarten sollte, misslingen den Schauspielern gar zu oft und nicht allemal durch ihre Schuld allein. Der Dichter versieht es allgemein darin, dass er verschiedenen Personen Reden in den Mund legt, wo sie schweigen sollten, weil er den Auftritt nicht will stumm lassen.
Es ist zu wünschen, dass Kunstrichter, welche die Schauspiele fleißig besuchen, auf diejenigen Stellen besonders Achtung geben, da der Dichter aus Mangel der Rücksicht auf die wirkliche Aufführung, etwas versehen hat, und dass sie ihre Bemerkungen zum besten der dramatischen Dichter bekannt machen. Denn es sind vielleicht über keinen Teil der schönen Künste weniger Beobachtungen als über diesen gesammelt worden.