Symphonie. (Musik) Ein vielstimmiges Instrumentalstück, das anstatt der abgekommenen Ouvertüren gebraucht wird. Die Schwierigkeit eine Ouvertüre gut vorzutragen und die noch größere Schwierigkeit eine gute Ouvertüre zu machen, hat zu der leichteren Form der Symphonie, die Anfangs aus ein oder etlichen fugierten Stücken, die mit Tanzstücken von verschiedener Art abwechselten und allgemein Partie genannt wurde, Anlaß gegeben. Die Ouvertüre erhielt sich zwar noch vor großen Kirchenstücken und Opern; und man bediente sich der Partien bloß in der Kammermusik: allein man wurde der Tanzstücke, die ohne Tanz waren, auch bald müde und ließ es endlich bei ein oder zwei fugirten oder unfugirten Allegros, die mit einem langsamern Andante oder Largo abwechselten, bewenden. Diese Gattung wurde Symphonie genannt und sowohl in der Kammermusik als vor Opern und Kirchenmusiken eingeführt, wo sie noch jetzt im Gebrauch ist. Die Instrumente, die zur Symphonie gehören, sind Violinen, Bratsche und Bassinstrumente; jede Stimme wird stark besetzt. Zum Ausfüllen oder zur Verstärkung können noch Hörner, Hoboens und Flöten dazu kommen.
Man kann die Symphonie mit einem Instrumentalchor vergleichen, so wie die Sonate mit einer Instrumentalkantate. Bei dieser kann die Melodie der Hauptstimme, die nur einfach besetzt ist, so beschaffen sein, dass sie Verzierung verträgt und oft so gar verlangt. In der Symphonie hingegen, wo jede Stimme mehr wie einfach besetzt wird, muss der Gesang den höchsten Nachdruck schon in den vorgeschriebenen Noten enthalten und in keiner Stimme die geringste Verzierung oder Koloratur vertragen können. Es dürfen auch, weil sie nicht wie die Sonate ein Übungsstück ist, sondern gleich vom Blatt getroffen werden muss, keine Schwierigkeiten darin vorkommen, die nicht von vielen gleich getroffen und deutlich vorgetragen werden können.
Die Symphonie ist zu dem Ausdruck des Großen, des Feierlichen und Erhabenen vorzüglich geschickt. Ihr Endzweck ist, den Zuhörer zu einer wichtigen Musik vorzubereiten oder in ein Kammerkonzert. alle Pracht der Instrumentalmusik aufzubieten. Soll sie diesem Endzweck vollkommen Genüge leisten und ein mit der Oper oder Kirchenmusik, der sie vorhergeht, verbundener Teil sein, so muss sie neben dem Ausdruck des Großen und Feierlichen noch einen Charakter haben, der den Zuhörer in die Gemütsverfassung setzt, die das folgende Stück im Ganzen verlangt, und sich durch die Schreibart, die sich für die Kirche oder das Theater schickt, unterscheiden.
Die Kammersymphonie, die ein für sich bestehendes Ganze, das auf keiner folgenden Musik abzielt, ausmacht, erreicht ihren Endzweck nur durch eine volltönige glänzende und feurige Schreibart. Die Allegros der besten Kammersymphonien enthalten große und kühne Gedanken, freie Behandlung des Satzes, anscheinende Unordnung in der Melodie und Harmonie, stark marquierte Rhythmen von verschiedener Art, kräftige Bassmelodien und Unisoni, konzertierende Mittelstimmen, freie Nachahmungen, oft ein Thema, das nach Fugenart behandelt wird, plötzliche Übergänge und Ausschweifungen von einem Ton zum anderen, die desto stärker frappieren, je schwächer oft die Verbindung ist, starke Schattierungen des Forte und Piano und vornemlich des Crescendo, das, wenn es zugleich bei einer aufsteigenden und an Ausdruck zunehmenden Melodie angebracht wird, von der größten Wirkung ist. Hierzu kommt noch die Kunst, alle Stimmen in und mit einander so zu verbinden, dass ihre Zusammentönung nur eine einzige Melodie hören lässt, die keiner Begleitung fähig ist, sondern wozu jede Stimme nur das Ihrige beiträgt. Ein solches Allegro in der Symphonie ist, was eine pindarische Ode in der Poesie ist, es erhebt und erschüttert, wie diese, die Seele des Zuhörers und erfordert denselben Geist, dieselbe erhabene Einbildungskraft und dieselbe Kunstwissenschaft, um darin glücklich zu sein. Die Allegros in den Symphonien des Niederländers Vanmaldere, die als Muster dieser Gattung der Instrumentalmusik angesehen werden können, haben alle vorhin erwähnten Eigenschaften und zeugen von der Größe ihres Verfassers, dessen frühzeitiger Tod der Kunst noch viele Meisterstücke dieser Art entrissen hat.
Das Andante oder Largo zwischen dem ersten und letzten Allegro hat zwar keinen so nahe bestimmten Charakter, sondern ist oft von angenehmen oder pathetischen oder traurigen Ausdruck; doch muss es eine Schreibart haben, die der Würde der Symphonie gemäß ist und nicht, wie es zur Mode zu werden scheint, aus bloßen Tändeleien bestehen, die, wenn man doch tändeln will, eher in einer Sonate angebracht werden oder in Symphonien vor komischen Operetten einen guten Platz haben können.
Die Opernsymphonien nehmen mehr oder weniger von der Eigenschaft der Kammersymphonie an, nachdem es sich zu dem Charakter der vorzustellenden Oper schickt. Doch scheint es, dass sie weniger Ausschweifung vertragen und auch nicht so sehr ausgearbeitet sein dürfen, weil der Zuhörer mehr auf das, was folgen soll als auf die Symphonie selbst, aufmerksam ist. Da die mehresten unserer großen Opern denselben Charakter und eine bloße Ohren und Augenverblendung zum Grunde zu haben scheinen, so tut die Symphonie schon ihre Wirkung, wenn sie auch nur bloß wohlklingend lärmet. Wenigstens haben die Opernsymphonien der Italiener niemals eine andere Eigenschaft: Die Instrumente lärmen in den Allegros über einen Trommelbass und drei Akkorden und tändeln in den Andantinos, ohne Kraft und Ausdruck; auch achtet kein Zuhörer in Italien auf die Symphonie. Graun hat ungleich mehr Kunst und Charakter in seinen Opernsymphonien gebracht, doch fehlte seiner zärtlichen Seele das hierzu nötige Feuer. Der schöne Gesang, der ihn nie verließ, so schätzbar er auch ist, ist in jeder Symphonie doch nur von matter Wirkung. Man glaubt eine feurige Opernarie zu hören, die von Instrumenten vorgetragen wird. Graun würde in diesem Fach von seinem Bruder, dem verstorbenen Konzertmeister übertroffen worden sein, der in einigen Kammersymphonien den wahren Geist der Symphonie getroffen hat. Auch hat Hasse ihn hierin übertroffen, obgleich dessen Opernsymphonien auch viel arienmäßiges haben.
Die Franzosen suchen in ihren Symphonien vor den Operetten Tändeleien mit erhabenen Gedanken abzuwechseln. Aber alle ihre Erhabenheit artet in Schwulst aus; man darf, um sich hiervon zu überzeugen, nur die erste die beste französische Symphonie in Partitur sehen oder anhören. Da die Operetten überhaupt mehr Charakteristisches als die großen Opern haben, so ist es nicht ausgemacht, dass es jedesmal eine Symphonie sein müsse, womit das Stück anfängt. Manche Operette kann einen Charakter haben, wozu sich das Große der Symphonie gar nicht schickt. Hier wäre Gelegenheit, neue Formen zu erfinden, die jedem Stück angemessen wären und die man den allgemeinen Namen Introduktion geben könnte, damit sie nicht mit der Symphonie, die eigentlich immer nur die Pracht und das Große der Instrumentalmusik zum Endzweck haben sollte, verwechselt würden.
Die Kirchensymphonie unterscheidet sich von den übrigen vornemlich durch die ernste Schreibart. Sie besteht oft nur aus einem einzigen Stück. Sie verträgt nicht, wie die Kammersymphonie, Ausschweifungen oder Unordnung in den melodischen und harmonischen Fortschreitungen, sondern geht in gesetzten und nach Beschaffenheit des Ausdrucks des Kirchenstücks geschwinderen oder langsameren Schritten fort und beobachtet genau die Regeln des Satzes. Sie hat statt des Prächtigen oft eine stille Erhabenheit zum Endzweck, und verträgt am besten eine pathetische und wohl ausgearbeitete Fuge.