Ouvertüre

Ouvertüre. (Musik) Ein Tonstück, welches zum Eingang, zur Eröffnung eines großen Konzerts, eines Schauspiels oder einer feierlichen Aufführung der Musik dient. Dieses und dass diese Art in Frankreich aufgekommen sei, zeigt der Name der Sache hinlänglich an, der im Französischen eine Eröffnung oder eine Einleitung bedeutet. Lülli verfertigte solche Stücke um vor seinen Opern gespielt zu werden und nachher wurde dieses Schauspiel meistenteils mit einer Ouvertüre eröffnet, bis die Symphonien aufkamen, die sie aus der Mode brachten. Doch nennt man in Frankreich noch jetzt jedes Vorspiel vor der Oper, eine Ouvertüre, wenn es gleich gar nichts mehr von der ehemaligen Art dieser Stücke hat.

Weil diese Stücke Einleitungen zur Oper waren, so suchte man natürlicher Weise ihnen viel Pracht zu geben, Mannigfaltigkeit der Stimmen und beinahe das Äußerste, was die Kunst durch die Instrumentalmusik vermag, dabei anzubringen. Daher wird noch izt die Verfertigung einer guten Ouvertüre nur für das Werk eines geübten Meisters gehalten.

Da sie nichts anders als eine Einleitung ist, die den Zuhörer für die Musik überhaupt einnehmen soll, so hat sie keinen notwendigen und beständigen Charakter. Nur könnte davon überhaupt verlangt werden, dass er den Charakter der Hauptmusik, der die Ouvertüre zur Einleitung dient, angemessen, folglich anders zu Kirchenstücken als zu Opern und zur hohen ragischen Oper, anders als zum angenehmen Pastoral sein sollte.

Zuerst erscheint allgemein ein Stück von ernsthaftem aber feurigem Charakter in 4/4 Takt. Die Bewegung hat etwas stolzes, die Schritte sind langsam, aber mit viel kleinen Noten ausgeziert, die feurig vorgetragen und mit gehöriger Überlegung müssen gewählt werden, damit sie in anderen Stimmen in strengern oder freieren Nachahmungen wiederholt werden können. Denn dergleichen Nachahmungen haben alle gute Meister in Ouvertüren immer angebracht; mit mehr oder weniger Kunst, nachdem der Anlas zur Ouvertüre wichtig war. Die Hauptnoten sind meistenteils punktirt und im Vortrag werden die Punkte über ihre Geltung ausgehalten. Nach diesen Hauptnoten folgen mehr oder weniger kleinere, die in der äußersten Geschwindigkeit und so viel möglich, abgestoßen müssen gespielt werden, welches freilich, wenn 10, 12 oder mehr Noten auf einen Vierteltakt kommen, nicht immer angeht.

Zuweilen kommen mitten unter dem feuerigsten Strom der Ouvertüre etliche Takte vor, die schmeichelnd und piano gesetzt sind, welches sehr überraschend ist und wodurch danach die Folge sich wieder desto lebhafter ausnimmt. Gar oft wird dieser Teil in einzelnen Stellen fugirt. Zwar nicht wie die förmliche Fuge, dass notwendig alle Stimmen nach einander eintreten; dieses geschieht wohl bisweilen in sehr kurzen Sätzen, von einem oder einen halben Takt; sondern so, dass der Hauptsatz oder das Thema bald in der Hauptstimme, bald im Basse vorkommt. Dieser erste Teil schließt, wenn er in der großen Tonart ist, allgemein in die Dominante; in der kleinen Tonart geschieht der Schluss auch wohl in die Mediante.

Hierauf folgt eine wohl gearbeitete Fuge, welche in Bewegung und Charakter allerlei Arten von Balletten und Tanzmelodien ähnlich sein kann. Nach der Fuge kommt zuweilen noch ein Anhang von etlichen Takten, der wieder in der Taktart des ersten Teils ist, womit die ganze Ouvertüre, wenn sie zu einer Oper oder anderen großen Gelegenheit dienen soll, sich endigt. Wenn man aber die Ouvertüre für Konzerte macht, wo sie unter anderen Gattungen der Instrumental oder Singstücke vorkommt, folgen nach der Fuge die meisten Arten der Tanzmelodien. Dergleichen Ouvertüren sind zuerst von Lülli als Einleitungen in die Ballette gemacht worden. Daher wurden danach solche Tanzmelodien, ohne Rücksicht auf das Tanzen, folglich auch weit länger als die gewöhnlichen in diese Art der Ouvertüre eingeführt.

Die Ouvertüren sind in den neueren Zeiten selten geworden; weil sowohl die Fuge als die verschiedenen Tanzmelodien, mehr Wissenschaft, Kenntnis und Geschmack erfordern als der gemeine Haufe der Tonsetzer besitzt. Hiedurch aber ist der gute Vortrag, der jedes Stück vor dem anderen unterscheiden sollte und zu dessen Übung die Ouvertüren sehr vorteilhaft waren, an manchem Orte sehr gefallen.

Im vorigen Jahrhundert hat man die besten Ouvertüren aus Frankreich erhalten, wo sie wie gesagt worden, zuerst aufgekommen sind. Nachher wurden sie auch anderwärts nachgeahmt, besonders in Deutschland, wo außer dem großen Bach, noch andere seines Namens, ingleichem Händel, Fasch in Zerbst und unsere beiden Graun, besonders aber Teleman sich hervorgetan haben.


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