Sonate

Sonate. (Musik) Ein Instrumentalstück von zwei, drei oder vier auf einander folgenden Teilen von verschiedenem Charakter, das entweder nur eine oder mehrere Hauptstimmen hat, die aber nur einfach besetzt sind: nachdem es aus einer oder mehreren gegen einander konzertierenden Hauptstimmen besteht, wird es Sonata a solo, a due, a tré etc. genannt.

Die Instrumentalmusik hat in keiner Form bequemere Gelegenheit, ihr Vermögen, ohne Worte Empfindungen zu schildern, an den Tag zu legen als in der Sonate. Die Symphonie, die Ouvertüre, haben einen näher bestimmten Charakter; die Form eines Konzertes scheint mehr zur Absicht zu haben, einem geschickten Spieler Gelegenheit zu geben, sich in Begleitung vieler Instrumente hören zu lassen als zur Schilderung der Leidenschaften angewendet zu werden. Außer diesen und den Tänzen, die auch ihren eigenen Charakter haben, gibt es in der Instrumentalmusik nur noch die Form der Sonate, die alle Charaktere und jeden Ausdruck annimmt. Der Tonsetzer kann bei einer Sonate die Absicht haben, in Tönen der Traurigkeit, des Jammers, des Schmerzens oder der Zärtlichkeit oder des Vergnügens und der Fröhlichkeit ein Monolog auszudrücken; oder ein empfindsames Gespräch in bloß leidenschaftlichen Tönen unter gleichen oder von einander abstechenden Charakteren zu unterhalten; oder bloß heftige, stürmende oder contrastirende oder leicht und sanft fortfließende ergötzende Gemütsbewegungen zu schildern. Freilich haben die wenigsten Tonsetzer bei Verfertigung der Sonaten solche Absichten und am wenigsten die Italiener und die, die sich nach ihnen bilden: ein Geräusch von willkürlich auf einander folgenden Tönen, ohne weitere Absicht als das Ohr unempfindsamer Liebhaber zu vergnügen, phantastische plötzliche Übergänge vom Fröhlichen zum Klagenden, vom Pathetischen zum Tändelnden, ohne dass man begreift, was der Tonsetzer damit haben will, charakterisiren die Sonaten der heutigen Italiener und wenn die Ausführung derselben die Einbildung einiger hizigen Köpfe beschäftigt, so bleibt doch das Herz und die Empfindungen jedes Zuhörers von Geschmack oder Kenntnis dabei in völliger Ruhe.

Die Möglichkeit, Charakter und Ausdruck in Sonaten zu bringen, beweisen eine Menge leichter und schwerer Klaviersonaten unseres Hamburger Bachs. Die mehresten derselben sind so sprechend, dass man nicht Töne, sondern eine verständliche Sprache zu vernehmen glaubt, die unsere Einbildung und Empfindungen in Bewegung setzt und unterhält. Es gehört unstreitig viel Genie, Wissenschaft und eine besonders leicht sängliche und harrende Empfindbarkeit dazu, solche Sonaten zu machen. Sie verlangen aber auch einen gefühlvollen Vortrag, den kein Deutsch-Italiener zu treffen im Stande ist, der aber oft von Kindern getroffen wird, die bei Zeiten an solche Sonaten gewöhnt werden. Die Sonaten eben dieses Verfassers von zwei konzertierenden Hauptstimmen, die von einem Bass begleitet werden, sind wahrhafte leidenschaftliche Tongespräche; wer dieses darin nicht zu fühlen oder zu vernehmen glaubt, der bedenke, dass sie nicht allezeit so vorgetragen werden, wie sie sollten. Unter diesen zeichnet sich eine, die ein solches Gespräch zwischen einem Melancholicus und Sanguineus unterhält und in Nürnberg gestochen ist, so vorzüglich aus und ist so voller Erfindung und Charakter, dass man sie für ein Meisterstück der guten Instrumentalmusik halten kann. Angehende Tonsetzer, die in Sonaten glücklich sein wollen, müssen sich die Bachischen und andere ihnen ähnlichen zu Mustern nehmen.

Für Instrumentspieler sind Sonaten die gewöhnlichsten und besten Übungen; auch gibt es deren eine Menge leichter und schwerer für alle Instrumente. Sie haben in der Kammermusik den ersten Rang nach den Singstücken und können, weil sie nur einfach besetzt sind, auch in der kleinsten musikalischen Gesellschaft ohne viele Umstände vorgetragen werden. Ein einziger Tonkünstler kann mit einer Klaviersonate eine ganze Gesellschaft oft besser und wirksamer unterhalten als das größte Konzert.

Von Sonaten von zwei Hauptstimmen, mit einem bloß begleitenden oder konzertierenden Bass, wird im Artikel Trio umständlicher gesprochen werden.   


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