Sprache - Bedeutung der Worte


Nach dem Körperlichen der Sprache kommt das Bedeutende derselben in Betrachtung. Hier ist nun wieder die erste notwendige Eigenschaft die volle Klarheit der Bedeutung. In den redenden Künsten taugt kein Wort, das nicht so gleich als man es vernimmt, einen sehr klaren und faßlichen Begriff erweckt; denn die Sprache der Künste muss völlig klar und faßlich sein, da die Begriffe nur insofern wirken als man sie klar fasst. Eben dieses gilt auch von ganzen Sätzen. Eine noch unausgebildete Sprache kann gar wohl einen Vorrat an Wörtern von klarer Bedeutung haben; aber dass ganze Sätze klar werden, dazu wird schon mehr erfordert. Die Sprache muss schon Beugsamkeit, das ist, Mannigfaltigkeit der Wortfügung, mancherlei Endigungen der Haupt- und Zeitwörter, auch vielerlei Verbindung, Trennung und andere Verhältnisse bedeutende Wörter, dazu haben.

Weil in den redenden Künsten die Begriffe vorzügliche Sinnlichkeit haben müssen, so muss die dazu schickliche Sprache reich an Metaphern und Bildern sein. Je mehr Wörter sie hat, klare sinnliche Empfindungen der äußern Sinne auszudrücken, je mehr in der Natur vorhandene, leicht faßliche Gegenstände sie mit besonderen Wörtern nennen kann, je reicher kann sie an Metaphern werden. Wenn aber diese klar, lebhaft und richtig bestimmt sein sollen; so muss die Sprache schon lange in dem Munde genau und richtig faßender, scharfsinniger Menschen gewesen sein. Denn sonst möchten bei viel Metaphern die Ähnlichkeiten nur schwach sein oder nur auf Nebensachen als auf das Wesentliche der Begriffe gehen. Die Sprach eines etwas dummen Volkes möchte so reich an Worten sein als man wollte; so würde sie doch sehr viel schwache, den Begriffen wenig Lebhaftigkeit gebende Metaphern enthalten. Hingegen muss sie auch nicht von gar zu subtilen und zu spekulativen Köpfen bereichert worden sein; weil sie durch diese einen großen Teil ihrer Sinnlichkeit verlieren könnte. Die höheren Wissenschaften tragen viel weniger zur Bereicherung einer ästhetischen Sprache bei, als gemeinere Künste und Mannigfaltigkeit sinnlicher Beschäftigungen.

Auch in der Bedeutung können Wörter und Redensarten mancherlei sittlichen und leidenschaftlichen Charakter annehmen; und je mannigfaltiger dieser ist, je vorzüglicher ist die Sprache für die redenden Künste. Diese Verschiedenheit des Charakters aber bekommt sie nur durch die Mannigfaltigkeit der Charaktere, Lebensarten und Stände der Menschen selbst. Personen von einerlei Familie, die etwas eingeschränkt nur unter sich leben, haben auch allgemein einen ihnen allen gebräuchlichen Ton des Ausdrucks. In der Sprache der schönen Künste aber muss man sich in sehr vielerlei Charakter auszudrücken wissen; bald sehr einfach und gerade zu; ein andermal geistreich; izt sehr gelassen, ein andermal feurig; einmal edel und mit hohem Anstand, ein andermal in dem bescheidensten gemeinen Ton, u.s.w. Diese verschiedenen Charaktere hat nur die Sprache eines schon großen und am vorzüglichsten eines großen und zugleich freidenkenden Volks, da sich keiner scheuen darf sich in seinem eigenen Charakter zu zeigen und nach seiner eigenen Weise zu handeln. Denn wo die Menge sich schon nach wenigen, die den Ton geben, richten, da verschwindet auch die Mannigfaltigkeit des Charakteristischen in der Sprache. Dieses erfahren die französischen Dichter genug, die in gar viel Fällen den Ton, der der schicklichste wäre, nicht zu treffen vermögend sind.


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