Metapher; Metaphorisch

Metapher; Metaphorisch. (Redende Künste) Die Bezeichnung eines Begriffs durch einen Ausdruck, der die Beschaffenheit eines uns vorgehaltenen Gegenstandes durch etwas ihr ähnliches, das in einem anderen Gegenstand vorhanden ist, erkennen lässt. Sie ist von der Allegorie darin unterschieden, dass diese das Bild, aus dessen Ähnlichkeit mit einem anderen wir dieses andere erkennen sollen, uns allein vorhält, da bei der Metapher beider zugleich erwähnet wird. Wenn man sagt, der Verstand sei das Auge der Seele, so spricht man in einer Metapher, weil man die Beschaffenheit der Sache, die schon genannt worden, nämlich des Verstandes durch die Ähnlichkeit, die er mit dem Auge hat, zu erkennen gibt: sagte man aber von einem Menschen: sein scharfes Auge wird ihm die Beschaffenheit der Sache nicht verkennen lassen; so ist dieser Ausdruck, genau zu reden, allegorisch; weil der Gegenstand, der hier den Namen des Auges bekommt, nicht genannt worden ist. Man nimmt es aber nicht immer so genau und gibt fast allen kurzen Allegorien den Namen der Metaphern.1 Von der Vergleichung unterscheidet sich die Metapher dadurch, dass die Form oder Wendung des ganzen Ausdrucks der Metapher die Vergleichung nicht ausdrücklich anzeigt. Wenn man sagte, der Verstand ist gleichsam das Auge der Seele; so wäre dieses eine kurze Verglei chung. Also sind Allegorie, Vergleichung und Metapher nur in der Form verschieden; alle gründen sich auf Ähnlichkeit und die Gründe worauf ihre Richtigkeit, ihre Kraft und ihr ganzer Wert beruht, sind dieselben.

 Es ist höchst wahrscheinlich, dass alle Stammwörter jeder Sprache unmittelbar bloß solche Gegenstände bezeichnen, die einen Ton von sich geben,2 und dass die Bedeutung derselben durch Ähnlichkeit auf andere Dinge angewendet worden. Diesemnach wäre der größte Teil der Wörter jeder Sprache methaphorisch oder vielmehr allegorisch.

 Wir haben hier die Metapher bloß in Absicht auf ihren ästhetischen Wert zu betrachten und können die allgemeine Betrachtung derselben den Sprachlehrern überlassen. Die meisten Metaphern, die im Grunde wahre Allegorien sind, hat die Notwendigkeit als eigentliche Namen der Dinge veranlaßet und durch die Länge der Zeit hat man vergessen, dass sie Metaphern sind; weil sie von undenklichen Zeiten als eigentliche Wörter gebraucht werden. Die Wörter Verstehen, Einsehen, Fassen, Behalten, die gewisse Wirkungen der Vorstellungskraft bezeichnen, sind metaphorisch; aber Niemand denkt bei ihrem Gebrauch daran. Die Betrachtung dieser Metaphern gehört für den Sprachlehrer und für den Philosophen, der die wunderbaren Verbindungen unserer Begriffe beobachten will.3

 In der Theorie der schönen Künste kommen nur die Metaphern in Betrachtung, die ästhetische Kraft haben und Sachen, die man ohne sie hätte bezeichnen können, mit Kraft bezeichnen, die folglich nicht mehr als willkürliche Zeichen, sondern als Bilder erscheinen, an denen man die Beschaffenheit der Sachen lebhaft und anschauend erkennt. Von ihrer Wirkung ist bereits anderswo gesprochen worden4 Hier bleibt nur über diesen Punkt noch anzumerken, dass die Metapher, wegen ihrer Kürze, da sie meistenteils mit einem einzigen Wort ausgedrückt wird, von schnellerer Wirkung ist als andere Bilder. Man findet, dass sie der Rede eine ungemeine Lebhaftigkeit gibt und aus einer bei ihrer Richtigkeit trokenen Zeichnung ein Gemälde macht. Schon dadurch allein kann ein sonst blos philosophischer Vortrag ästhetisch werden; weil er bei einer genauen Entwicklung der Gedanken die Einbildungskraft und überhaupt alle untern Vorstellungskräfte in beständiger Beschäftigung unterhält und die Rede aus einem einförmigen, bloß fruchtbaren Kornfeld, in eine nicht weniger fruchtbare, aber durch tausend abwechselnde Blumen reizende Flur verwandelt. Es gehört aber mehr als bloß lebhafte Einbildungskraft zu der vollkommenen metaphorischen Schreibart. Es kann nützlich sein, wenn wir hier über die bei dem Gebrauch der Metapher nötige Behutsamkeit und Überlegung einige Hauptanmerkungen machen. Aristoteles hat angemerkt, dass die Metapher auf eine vierfache Weise fehlerhaft wird. 1. Wenn sie nicht richtig, das ist, wenn keine wirkliche Ähnlichkeit zwischen dem Bild und dem Gegenbild ist. 2. Wenn sie (bei ernsthaftem Gebrauch) etwas komisches hat, das ist, wenn das Bild und das Gegenbild einen lächerlichen Contrast ausmachen. 3. Wenn sie zu hoch oder schwülstig ist. 4. Wenn sie dunkel und zu weit hergeholt ist. Man könnte noch 5. hinzutun, wenn sie abgenuzt oder so sehr gewöhnlich ist, dass man ohne das Bild sich das Gegenbild dabei unmittelbar vorstellt. Dieses bezieht sich auf ihre Beschaffenheit. Ihr Gebrauch ist fehlerhaft. 1. Wenn man sie bei zu gemeinen Begriffen und Gedanken anwendet. 2. Wenn sie zu sehr angehäuft werden. Man trift fast in allen Sprachen durchgehends angenommene Metaphern an, die einen oder mehrere der erwähnten fünf Fehler an sich haben. Denn da sie oft aus Not entstanden oder von seltenen Umständen, ihren Ursprung bekommen haben, so konnten sie freilich nicht immer überlegt, nicht immer nach der strengsten Ähnlichkeit der Vorstellungen abgepasst sein. Vor dergleichen Metaphern, wenn sie gleich in der gemeinen Rede vollgültig sind, hütet man sich in Werken des Geschmacks. Und hier ist auch der Ort anzumerken, dass nicht alle auf fremden Boden erwach sene Metaphern in jeden anderen können verpflanzt werden, wenn sie gleich noch so richtig und schön wären. In warmen Ländern, wo Frost, Schnee und Eis völlig unbekannte Dinge sind, könnte keine aus den Sprachen kalter Länder von ihnen hergenommene Metapher gebraucht werden und auch umgekehrt; und in einem Lande, wo die Gebräuche der römischen Hierarchie völlig unbekannt sind, würde Niemand die artige Metapher eines alten deutschen Dichters verstehen.

Ein krummer Stab, der ist gewachsen

     Zum langen Speer.5

Dieses bedarf keiner Ausführung. So kann auch eine kühne Metapher in der Sprache eines kaltblütigen Volkes sehr schwülstig sein, die unter Völkern von mehr erhitzter Einbildungskraft nichts ausserordentliches hat. Hierüber verdient folgende Anmerkung eines scharfsinnigen Kopfes erwogen zu werden. »Der Grund, sagt er, der kühnen Wortmetaphern lag in der ersten Erfindung: aber wie? wenn spät nachher, wenn schon alles Bedürfnis weggefallen ist, aus bloßer Nachahmungssucht oder Liebe zum Altertum, dergleichen Wort- und Bildergattungen bleiben? Und gar noch ausgedehnt und erhöhet werden? Denn, o denn, wird der erhabene Unsinn, das aufgedunsene Wortespiel daraus, was es im Anfang eigentlich nicht war. Dort wars kühner, männlicher Witz, der denn vielleicht am wenigsten spielen wollte, wenn er am meisten zu spielen schien; es war rohe Erhabenheit der Phantasie, die solch Gefühl in solche Worte herausarbeitete; aber nun im Gebrauche schaler Nachahmer, ohne solches Gefühl, ohne solche Gelegenheit – ach! Ampullen von Worten ohne Geist.«6

 Zu Erfindung vollkommener Metaphern gehört nicht bloß lebhafter Witz; eine gesunde Beurteilung muss ihm zu Hilfe kommen. Sind beide durch einen fleißigen Beobachtungsgeist und weitläufige Kenntnis der körperlichen und sittlichen Natur unterstützt, so muss ein großer Reichtum der Metaphern daher entstehen. Darum ist nicht leicht etwas, woraus man das Genie eines Schriftstellers besser erkennen kann als aus den Gebrauch der ihm eigenen Metaphern. Es gilt auch hier, was schon an einem anderen Orte dieses Werks angemerkt worden, dass in unseren Zeiten bei der in Vergleichung der Alten so weiten Ausdehnung der Kenntnis natürlicher Dinge und bei so sehr vervielfältigten mechanischen Künsten, die Quelle der Metaphern weit reicher ist als sie ehemals war. Es zeigte wirklich Armut des Genies an, wenn die Neueren in diesem Stück die Alten nicht überträfen.

 Es ist wohl unnötig sich hier in besondere Betrachtungen über die Vermeidung der oben angezeigten Fehler, die in der Metapher selbst und in ihrem Gebrauch können begangen werden, einzulassen, da ein mittelmäßiges Nachdenken sie an die Hand gibt.

 Aber dieses verdient angemerkt zu werden, dass die Metapher um ganz vollkommen zu sein, auch in dem Ton der Materie, wo sie gebraucht wird, müsse gestimmt sein. Im Schäfergedicht muss sie von lieblichen, ländlichen Dingen hergenommen werden, da sie bei strengerm Inhalt auch von sehr ernsthaften, allenfalls finstern Gegenständen kann genommen werden. Wer dieses versäumete, würde gar zu oft aus dem Ton heraustreten, welches in Werken des Geschmacks ein sehr wichtiger Fehler ist.7

 Auch dem Grade der Begeisterung in dem man schreibt, muss die Metapher angemessen sein; hoch und kühn in der Ode, aber gemäßiget und von philosophischer Schärfe in dem gesetzten lehrenden Vortrag.

 Wir haben es unter die Fehler der Metapher gerechnet, wenn sie gar zu gemein oder schon abgenuzt ist. Da man aber unter solchen Metaphern einige von großer Kraft und Schönheit antrift; so ist ihr Gebrauch nicht zu verwerfen, wenn man nur dem gar zu Gewöhnlichen darin durch irgend eine gute Wendung einen neuen Schwung gibt oder die Metapher weiter als gewöhnlich ausdehnt und eine kurze Allegorie daraus macht. So hat Euripides eine gar sehr gemeine Metapher beinahe bis zum Erhabenen erhöhet, da er den Orestes, um seinen Pylades von dem Opfermesser zu retten, sagen lässt: » Ich bin der Eigentümer und Schiffer dieses Fahrzeuges von Wiederwärtigkeiten; er fährt nur aus Gefälligkeit für mich mit8

 Dieses Beispiel führt mich auf den Gedanken, dass in manchen Fällen die Überzeugung am kürzesten und sichersten durch glückliche Metaphern zu erreichen sei. Der Fall muss statt haben, wo die Überzeugung von anschauender Erkenntnis oder von Betrachtung ähnlicher Fälle abhängt, wo es zu schwer oder zu subtil wäre den Beweis zu entwickeln. Die Metapher vertritt da die Stelle der Induktion und setzt einen sehr in die Augen leuchtenden, an die Stelle eines schwerer zu fassenden, aber ähnlichen Falles.

 

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1 Die Sprachlehrer sagen allgemein, die Allegorie sei eine ausgedehnte oder fortgesetzte Metapher: richtiger und dem Ursprung dieser Dinge gemäßer würde man sagen, die Metapher sei eine kurze und im Vorbeigang angebrachte Allegorie. Denn diese ist eher als die Metapher gewesen.

2 Man sehe den Art lebendiger Ausdruck.

3 Wer das Genie des Menschen recht aus dem Grunde studieren will, findet die beste Gelegenheit dazu in der Erforschung des Ursprungs der metaphorischen Ausdrücke. Wer hiervon nähere Anzeige verlangt, kann nachlesen, was ich in der academischen Abhandlung von dem wechselseitigen Ursprung der Vernunft und der Sprache hierüber angemerkt habe.

4 S. Bild, Allegorie.

5 Maner ein alter Dichter, aus des Handii Glossar. Bei Leibnizen in seinem Erymol.

6 Herder über den Ursprung der Sprache. S. 115. 7 S. Ton.

8 Iphig. in Taur. vs. 600, 601.

 


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