Von der Maisonne eines Septemberlebens


Meteorolog. Über die bekannte Maisonne eines Septemberlebens haben sich schwere biographische Wolken gelagert. Die Dezember-Nummer der ›Neuen Rundschau‹ zeigt an, dass sich die Beziehung Ibsen - Bardach im Aprilwetter des Nachruhms nicht als standhaft bewährt hat. Schon aus dem verlogenen Auszug der ›Neuen Freien Presse‹ war dies zu entnehmen. Wer aber erst den ganzen Bericht liest, den der Ibsen-Herausgeber Elias über seine Unterredung mit der Witwe des Dichters veröffentlicht hat, der wird finden, dass ich den Nagel auf den Kopf des Herrn Brandes getroffen habe, als ich — in Nr. 208 — schrieb, die hastige Publikation der Briefe Ibsen’s lasse »darauf schließen, dass das Fräulein Bardach schon bei der Annäherung an Ibsen von den Wunsche, sich literarhistorisch zu versorgen, beseelt gewesen ist.« Und was schreibt Dr. Elias? Viele Originale des Dichters, meint er, »bewahren über ihre Bekanntschaft mit Henrik Ibsen vorderhand noch die Zurückhaltung, die gewissen anderen fehlt« .. »Betrachtungen solcher Art wurden zwischen Frau Ibsen und mir angeregt durch das Thema des kleinen Solneß-Fräuleins, das gerade nur den Tod Ibsens abgewartet hat, um ihre Harmlosigkeiten unter elektrische Beleuchtung zu stellen, damit sie den Schein biographischer Wichtigkeit empfingen. Dieses Hilde-Muster war für den Dichter nur ein ›Fall‹ wie andere mehr. Frau Ibsen sprach davon ohne Pathos, mit humoristischer Gleichgiltigkeit (die ›Neue Freie Presse‹ nennt es »Unbefangenheit«) — sie hatte alle die Briefe zu lesen bekommen, auf deren Antwort die Schreiberin oft so lange hatte warten müssen, hatte alle die Photographien gesammelt und noch das letzte Bild, worauf die Dame sich als ›Prinzessin von Apfelsinia‹ selbst glorifiziert, auf Ibsen’s Geheiß in den Papierkorb werfen müssen: so sehr war die Begegnung dem Dichter gleichgiltig geworden, nachdem er ›ein Kunstwerk daraus gemacht hatte‹. Die Frau stand ebenso über diesen Dingen, wie der Mann über ihnen gestanden hatte. Nicht ins Kapitel der ›Dichterliebesleben‹ gehören sie — —« Was sagt Herr Sil Vara dazu? Glaubt er noch immer, dass »nur Jahre vergehen müssen, damit der rätselhafte Blick des Fräuleins Bardach dem Lächeln der Monna Lisa ebenbürtig werde«? Er dürfte ein alter Mitarbeiter der ›Neuen Freien Presse‹ werden, ehe er das erlebt! Die Sache verhält sich wirklich so, wie ich sie dargestellt habe, und die Sippschaft hat sich ein Reklamestückchen geleistet, das nun in seiner ganzen Dreistigkeit von zuständiger Seite enthüllt wird. Sogar der »junge, gesunde Konzipient mit reellen Absichten«, den ich in die Farce einführte und den nach meiner Erfindung das Fräulein Bardach dem symbolistischen Dichtergreis vorgezogen hat, scheint zu stimmen. Man könnte die Äußerungen der Gattin mit einigem Mißtrauen aufnehmen, wenn nicht Herr Dr. Elias sich einer Unterredung entsänne, die er mit Ibsen selbst über die Wienerin von Gossensaß geführt hat. »Die habe ihm gleich Bekenntnisse gemacht. Die Hauptsache: sie lege gar keinen Wert darauf, einmal einen wohlerzogenen jungen Mann zu heiraten, — sie werde gewiß gar nicht heiraten.« Ibsen erzählt, er habe die Dame studiert. »Aber sonst habe sie nicht viel Glück mit ihm gehabt.« Als ihren Ehrgeiz habe sie es bezeichnet, anderen Frauen Männer wegzunehmen. »Sie nahm mich nicht, aber ich nahm sie für eine Dichtung. Sie hat (hier kicherte er wieder) sich dann wohl mit einem andern getröstet«. »Frau Susanna«, erzählt Elias, »gerät bei diesem Kapitel in die Stimmung von Heiterkeit: ›Ibsen, habe ich manchmal zu ihm gesagt, Ibsen, halte dir die vielen überspannten Frauenzimmer vom Leibe‹«. Das hat er nun davon, dass er den Rat nicht befolgt hat! Schon Nestroy sagt: »Wie ich damals von einer Liebe, die ich nicht ausmärzen konnte, im April mich losgerissen, war meines Lebens Mai vorbei; aber nie hätt’ ich mir gedacht, dass ich nach acht Jahren im Juni u. s. w.«

 

 

Nr. 213, VIII. Jahr

11. Dezember 1906.


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