Karl der Große und Jacques Fürst


Wiener. Davon hat sich Karl der Große doch nichts träumen lassen, dass er einst in Wien auf einem Bilde mit Herrn Jacques Fürst verewigt sein werde. Wer in diesen schweren Zeiten einmal herzhaft lachen will, trete vor das Schaufenster jener Kunsthandlung auf dem Graben, die den Ehrgeiz hat, stets die neuesten Denkmalsenthüllungen, Festzüge, Leichenparaden u. dgl. photographisch zu apportieren. (Im Stil der ›Woche‹, bei deren Illustrationen man oft staunt, wie scheußlich die berühmten Persönlichkeiten eigentlich die Beine voneinanderstrecken, wenn sie den Reichstag verlassen, eine Front abschreiten oder hinter einem Sarg einhergehen). Wer also herzhaft lachen will, der sehe sich die Photographien an, die die ungeduldig erwartete Enthüllung des Denkmals Karls des Großen jenen Bedauernswerten, die nicht dabei sein konnten, veranschaulicht. Zumeist die typischen Statthaltereivisagen, Gesichter, bei denen man sofort an irgend eine Zusammensetzung mit dem Worte »Landes —« denkt. Aber auf einem Bilde drängt sich zwischen ein Mitglied des Herrenhauses, das an bessere Begleitung gewöhnt ist, und einen Weihbischof das Gesicht eines — ja, wie sagt man nur? Also, des Jacques Fürst. Das ist Wien, wie es leibt und lebt! Die vornehmen Herren müssen sich die Gesellschaft des Besitzers eines der dunkelsten Preßwische gefallen lassen. Oft möchte man fragen, ob Leute, die davon leben, dass sie nicht-inserierende Kaffee-Firmen verunglimpfen, sich vor dem Photographen nicht doch ein wenig befangen fühlen, ob sie die Sicherheit haben, in der Reihe offizieller Persönlichkeiten nicht peinlich aufzufallen. Ich sah einmal den Kaiser in Begleitung dreier Erzherzoge und etlicher Obersthofmeister eine Kunstausstellung eröffnen. Ordner bildeten ein Spalier, das die profanen Besucher von den einzelnen Abteilungen, die gerade der Hof besichtigte, zurückhielt. Nur ein stadtbekannter Revolverjournalist durfte im Gefolge einhergehen. Das ist Wien, wie es leibt und lebt! Und so rächt sich schließlich auch der Blödsinn der Wiener Denkmalsfeierlichkeiten. Jacques Fürst eilt herbei, wenn die Hüllen fallen, und drängt sich zwischen Pairs und Prälaten, die selbstverständlich zurücktreten. Denn — »er weiß was auf Karl den Großen«.

 

 

Nr. 214-215, VIII. Jahr

22. Dezember 1906.


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