Kupferstecherkunst

Kupferstecherkunst. Ob man gleich unter diesem Namen auch die Radierkunst und die sogenannte schwarze Kunst begreift, so wird er hier in der Einschränkung genommen, dass nur das eigentliche Kupferstechen mit dem Grabstichel darunter verstanden wird; weil von den beiden anderen Zweigen der Kupferstecherkunst unter ihren besonderen Namen gesprochen wird.

  Es ist unnötig das allgemeine Verfahren dieser Kunst hier weitläufig zu beschreiben; denn es ist bekannt genug, dass der Kupferstecher auf eine unter ihrem Artikel bereits beschriebene Kupferplatte vermittelst der, mehr oder wenigen stumpflaufenden, aber sehr schneidenden Spitze eines gehärteten Sahls, dem man den Namen Grabstichel gegeben, die Striche eingräbt, die zur Zeichnung und Schattierung sichtbarer Gegenstände nötig sind und dass dieses in der Absicht geschehe, die auf die Platte gestochene Zeichnung, so oft man will, auf Papier abzudrucken. Ohne uns bei dem mechanischen der Kunst aufzuhalten, wollen wir ihre Kraft, ihren Nutzen und die Hauptpunkte ihrer Geschichte betrachten.

 Seitdem diese Kunst zu der Höhe gekommen ist, die ihrer gänzlichen Vollkommenheit nahe liegt, kann man sagen, dass sie eine Art Malerei sei, wodurch alle Gattungen sichtbarer Gegenstände in ihren ei gentlichen Formen und nach ihren Charakteren so genau als in der Natur selbst, wenn man die Farben ausnimmt, dem Auge dargestellt werden. Das Helle und Dunkele der Farben, die Harmonie in Licht und Schatten, woraus die Haltung entsteht, so gar das Duftige oder Härtere in dem Ton der Luft und einigermaßen die Wärme des Lebens, kann sie so gut als die Malerei selbst ausdrucken. Was wir also zum Lobe dieser Kunst gesagt haben,1 kann größtenteils auch auf die Kunst des Kupferstechens angewendet werden. Die Vorteile, welche die Farben dem Maler geben, werden bei dem Kupferstecher durch einen anderen Vorteil, den er über den Maler hat, wo nicht überwogen, doch gewiss ersetzt. Denn er kann sein Werk mit großer Leichtigkeit viel hundertmale vermehren und ohne große Mühe überall ausbreiten.

 Aber ohne uns länger bei der Vergleichung der beiden verwandelten Künste zu verweilen, wollen wir anmerken, dass das Kupferstechen sowohl von Seite der dazu nötigen Talente als von der Seite des Nutzens und der Annehmlichkeiten betrachtet, eine wichtige Kunst ist, durch deren Erfindung die neuere Welt einen großen Vorzug über die Alten hat.

 Von einigen dem Kupferstecher nötigen Talenten ist im vorhergehenden Artikel gesprochen worden. Hier wollen wir nur noch dieses anmerken, dass die Kupferstecherkunst in ihrer eigenen Art zu zeichnen, Licht und Schatten, Haltung, Harmonie und den natürlichen Charakter der Dinge herauszubringen, vielleicht mehr Genie und Kunst erfordert hat als das Mahlen. Man kann nicht ohne Bewunderung sehen, dass durch schwarze Striche auf einem hellen Grund so mannigfaltige Gestallten der Dinge können dargestellt werden. Die glänzende Politur des Metalles, die Durchsichtigkeit und den Schimmer des Glases, das Glatte und dabei doch weiche Wesen des Nakenden am menschlichen Körper; die Mannigfaltigkeit der verschiedenen seidenen und wollenen Gewänder; Luft, Wolken, Gewässer, Erde; alle Gattungen der Tiere und Bäume, jedes in seinem wahren Charakter und doch ohne Farbe! Wer dieses bedenkt und sich die Mühe geben will, aus den Werken älterer und neuerer Meister die Kunstgriffe herauszusuchen, wodurch so gar vielerlei Wirkungen erreicht werden, dem wird es nicht fremde vorkommen, dass die Kupferstecherkunst, ob sie gleich mit der neuen Malerei ungefähr ein Alter hat, später als diese, zur Vollkommenheit gekommen ist. Man kann den Anfang der wahren Malerei unter den Neueren nicht weit über den Leonhardo da Vinci hinaussetzen; und beinahe eben so alt ist das Kupferstechen. Aber schon lange hatte die Malerei einen Titian gehabt, ehe die Kupferstecherkunst ihre Höhe erreichte, auf die sie im vorigen Jahrhundert gekommen ist.

 Wir müssen aber auch ihren Nutzen betrachten. Die Vorteile, welche die Wissenschaften, besonders die Naturgeschicht und die Mechanik aus dem Kupferstechen ziehen, müssen wir hier übergehen, ob sie gleich allein hinlänglich wären, es schätzbar zu machen. Wir wollen bloß von den Werken des Geschmacks reden, die daher rühren. Alles was die zeichnenden Künste hervorbringen, kann die Kupferstecherkunst im Kleinen nachahmen und ohne großen Aufwand jedem Liebhaber der schönen Künste zum Genuß überlassen. Die Werke der Baukunst, der Bildhauerei, des Steinschneiders und des Malers, die das größte Aufsehen in der Welt machen, können wir durch Hilfe der Kupferstecherkunst in unsere Kabinette sammlen. Freilich geht vielen dieser Werke dadurch, dass sie ins Kleine gezogen worden, etwas von ihrer Kraft ab. Wenn man aber dagegen bedenkt, mit was für Gemächlichkeit und mit wie wenig Kosten man die herrlichsten Werke der Kunst durch die Wohltat des Kupferstechens haben könne, so erkennt man den vorzüglichen Wert dieser Kunst. Nur durch sie kommen die beträchtlichsten Werke der großen Maler, deren Originale in den Pallästen der Großen verschlossen sind, in die Wohnungen der Bürger. Also erleichtert die Kupferstecherkunst ihren verwandten Künsten, die Nuzbarkeit, die von ihnen zu erwarten steht.

 Hiernächst wird dem zeichnenden Künstler selbst das Studium der Kunst durch die Kupferstiche ungemein erleichtert. Der Baumeister hat nicht nötig in der Welt herumzureisen, um die besten Werke der alten und neuen Baukunst zu sehen. Der Kupferstecher liefert sie ihm in sein Kabinet, wo er mit der größten Gemächlichkeit alles betrachten, ausmessen und übersehen kann. Eben diesen Vorteil kann auch der Maler in Absicht auf den größten Teil seiner Kunst, aus den Kupferstichen ziehen.

 Die Erfindung dieser schätzbaren Kunst ist nicht gar alt und doch mit Dunkelheit umgeben. Die Italiener, die, wie ehemals die Griechen, sich gern alle neuen Erfindungen in den schönen Künsten zueigneten, geben einen florentinischen Goldschmidt Maso Finiguerra für den Erfinder derselben aus und setzen die Epoche der Erfindung um das Jahr 1460. Aber mit weit mehr Wahrscheinlichkeit eignen sich die Deutschen diesen Ruhm zu, ob sie gleich den Erfinder nicht mit gänzlicher Gewissheit nennen können. Sie führen gegen das Vorgeben der Italiener die römische Ausgabe der Erdbeschreibung, des Claudius Ptolomäus vom Jahr 1478 an. Dieses Werk ist von einem Deutschen, der sich Magistrum a Sweinheim nennte, veranstaltet worden und ist mit Kupferplatten geziehrt. In der Zueignungsschrift an dem Papst Sixtus V, sagt Magister Sweinheim, er habe die römischen Künstler gelehrt kupferne Platten zu drucken.2 Sehr wahrscheinlich ist Sandrats Vermutung, dass Israel von Mecheln, eben der, der bisweilen unter dem Namen Bocholt angeführt wird, weil er zu Bocholt im Münsterschen gewohnt und diesen Namen auf einige seiner Blätter gestochen hat,3 der Erfinder dieser Kunst sei. Der Verfasser des eben angeführten Werks führt einen Kupferstich, worauf die Jahrzahl 1466 und der Buchstaben G und eine Chiffre gestochen sind als das älteste ihm bekannte Blatt an. Sandrat aber gedenkt eines in kupfergestochenen Blatts von 1455, worauf ein Monogram gestochen, das dem von Hans Schüffelein ähnlich ist. Diesemnach fiele die Erfindung des Kupferstechens gradein die Mitte des XV Jahrhunderts, wenige Jahre nach der Epoche der Erfindung der Buchdruckerei.

 Zwar ist das Stechen auf metallene Platten viel älter. Man findet, dass schon Kaiser Carl der Große Landcharten gehabt, die in silberne Platten gestochen gewesen4. Aber an das Abdrucken solcher Platten scheint man damals noch nicht gedacht zu haben. Es wird also wahrscheinlich, dass die Erfindung der Buchdruckerei, besonders der dazu nötigen Farbe, auch das Abdrucken der Kupferplatten in Gang gebracht habe. Daher der vorher erwähnte Mag. von Sweinheim, an dem angeführten Orte auch nur vom Abdrucken und nicht vom Stechen spricht. Erwähnter Knorr gedenkt einer Sammlung von beinahe 4000 Stücken, die alle zwischen 1450 und 1461 gemacht worden. In dieser Sammlung befinden sich verschiedene von den Jahren 1461, 66 und 67. mit C. S. bezeichnet, die mit ziemlichem Fleiß sollen gestochen sein. Eines davon hat die Aufschrift: dis ist die Engelweih unser L. Frau bei den Einsideln ; woraus abzunehmen ist, dass dieser C. S. ein Schweizer oder ein Schwabe gewesen sei. Vielleicht eben der Mag. von Sweinheim, von dem oben gesprochen worden, der mit einem gewissen Conrad Shveinheim, den der Prof. Schwarz in Altorf unter die Erfinder der Kupferstecherkunst setzt5, dieselbe Person sein mag.

 Der erste Kupferstecher, der sich einen gewissen Namen gemacht und von dem man noch viel Blätter hat, ist Martin Schön , der in französischen Kunstbüchern lächerlicher Weise, gar oft le beau Martin genannt wird. Er wohnte in Colmar und stand in dem Ruf eines guten Malers und Zeichners. Der berühmte Albrecht Dürer sollte eben dem Martin in die Lehre übergeben werden als dieser im J. 1486 starb. Dieses sei von Erfindung der Kunst gesagt.

 Es wäre ein schönes Unternehmen, wenn ein Kenner uns die Geschichte der Kunst, von ihrem Ursprunge bis auf diese Zeit gäbe und jede darin gemachte neue Erfindung ihrem Urheber beilegte. Der Unterschied zwischen den besten Kupferstichen des XV und XVIII Jahrhunderts ist erstaunlich groß: aber man ist nicht plötzlich von der schwachen und armen Manier der ersten Kupferstecher zu der Vollkommenheit gekommen, in der wir die Kunst jetzt, da sie beinahe mit der Malerei um den Vorzug streitet, sehen. Von den vielen Männern von Genie, die diese Kunst allmählich in die Höhe gebracht haben, hat der eine dieses, der andere etwas anders darin erfunden und eingeführt. Man trift hier und da so große Kupfersammlungen mit den Namen der Meister an, dass es nicht schwer sein würde, jeden Schritt den die Kunst gegen ihre Vollkommenheit getan hat, zu bestimmen. Ein Vorteil den sonst keine der schönen Künste hat. So könnte z.B. Albrecht Dürer als der erste angeführt werden, der einen äuserst feinen und glänzenden Stich eingeführt; Golzius und seine Schüler Jobann und Herrmann Müller könnten als die Urheber des kühnen und kräftigen Stichs; Cornelius de Vischer als der erste Verbesserer der Schraffirungen; und andre als Erfinder anderer Teile angegeben werden. Aus solchen Bemerkungen würde die wahre Geschichte der Kunst entstehen und sie würde ein Werk von sehr großem Nutzen sein.

 Vielleicht hat diese Kunst die höchste Stufe ihrer Vollkommenheit bereits erreicht; so dass künftigen Kupferstechern nichts zu ihrer Erhöhung zu tun übrig bleibt. Doch wollen wir dem Genie der Künst ler keine Schranken setzen. Auf einem sehr hohen Grad der Vollkommenheit war sie bereits um die Mitte des vorigen Jahrhunderts: und man kann nicht in Abrede sein, dass die französischen Künstler ein Großes zu ihrer Vollkommenheit beigetragen haben. Edelink, Masson, Audran, Nanteüil, die unter Ludwig dem XIV die wichtigsten Werke des Grabstichels ans Licht gebracht haben, werden immer unter den ersten Meistern stehen, was für Zusätze die Kunst auch immer noch bekommen mag. Das beträchtlichste, was in unseren Tagen zu dieser Kunst hinzugekommen, ist die Methode, Kupferstiche mit mehreren Farben abzudrucken; die Art des Stichs, welche die mit Rothstein gemachten Zeichnungen auf das natürlichste darstellt; und der Stich wodurch die getuschten Zeichnungen nachgeahmet werden.

 Es würde für dieses Werk zu weitläufig sein, wenn wir auch nur die bloßen Namen der größten Meister der Kunst anführen wollten. Denn wäre es auch überflüssig, da die Bücher, die Verzeichnisse der berühmtesten Kupferstecher enthalten, in aller Liebhaber Händen sind. Der stärkste Sammler von Nachrichten ist Florent le Comte.6 Aber es herrscht eine unerträgliche Unordnung in seinem Werk. Man muss sich wundern, dass bei der großen Anzahl Liebhaber der Kupfersammlungen sich keiner findet, der dieses Werk in eine bessere Ordnung gebracht und bis auf unsere Zeiten fortgesetzt hätte. Denn Le Comtes Nachrichten gehen nur bis ans Ende des vorigen Jahrhunderts. Nächst diesem enthält die vor wenig Jahren in England herausgekommene Abhandlung von Kupferstichen, welche Füßli unlängst in besserer Form und vermehrt in deutscher Sprache herausgegeben hat,7 ein Verzeichnis der vornehmsten Kupferstecher und ihrer besten Werke. Doch es ist besonders in Ansehung der Deutschen sehr unvollständig.

 

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1 S. Malerei.

2 Qnemadmodum tabulis æneis imprimerentur edocuit.

3 S. Jdeé generale d'une Collection complette d'é stampes avec une dissertation sur l'origine de la Gravure. Leipsic et Vienne 1771. 8. (Der Verfasser ist der Hr. Kammerrat von Heinike aus Dresden.)

4 S. Wolffgang Knorr in seiner Künstlerhistorie S. 4. wo er, dieses zu beweisen, Aventini Bayrische Chronik p. 289 der frankfurther Ausgabe von 1580 anführt.

5 S. Hamburg. Berichte von 1741. n. 4.

6 Kabinet des singularités d'Architecture, peinture, sculpture et Gravure par Florent le Comte. 3 Vol. 8.

7 Joh. Casp. Füßlin raisonierendes Verzeichnis der vornehmsten Kupferstecher und ihrer Werke etc. Zürich 1771. 8.

 


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