Kopieren

Kopieren. (Zeichnende Künste) Ein Werk der zeichnenden Künste, welches ein anderer verfertigt hat, genau nachmachen. Das Kopieren der besten Werke ist eine Übung, welche man angehenden Künstlern auf das Beste zu empfehlen hat. Es ist kaum möglich alle Schönheiten und Vorzüge eines guten Werks einzusehen, bis man versucht hat, es nachzumachen. Erst dabei zeigen sich die Schwierigkeiten, die Bemühungen und das Nachdenken, wodurch das Original entstanden ist. Man wird beim Kopieren in die Notwendigkeit gesetzt, auf alles genau Achtung zu geben, dadurch entdeckt man Schönheiten und Fehler, die sonst nicht würden bemerkt worden sein. Diese darzustellen, muss der Kopist notwendig selbst mit der ganzen Anstrengung des Geistes, den Geheimnissen der Kunst nachspühren. Man bekommt dadurch eine Fertigkeit sowohl das Schöne als das Fehlerhafte schneller zu entdecken, die äusseren und inneren Sinne werden geschärft.

  Nach dem Zeugnis verschiedener Künstler, entdeckt man oft erst bei der sechsten oder siebenten Nachzeichnung gewisser Werke, Schönheiten, die man bei dem vorhergehenden Kopieren noch übersehen hatte. Indem man aber die vornehmsten Werke der Kunst kopirt, lernt man nach und nach so denken und sich so ausdrücken, wie die großen Meister getan haben. Wer aber durch Kopieren seinen Geschmack und seine Fertigkeiten zur Vollkommenheit bringen will, der muss nicht sclavisch copiren. Er muss sich nicht vorsetzen, die Handgriffe der Originalmeister, das Mechanische der Kunst allein zu erraten, sondern vielmehr sich bestreben, ihren Geist und ihren Geschmack sich zu zueignen. Man muss nicht suchen Kopien zu machen, die alles Äusserliche der Originale an sich haben, sondern vornehmlich den Geist derselben, auf eine uns eigene Art zu erreichen suchen.

 


 © textlog.de 2004 • 24.10.2024 16:32:34 •
Seite zuletzt aktualisiert: 14.11.2004 
bibliothek
text
  Home  Impressum  Copyright  A  B  C  D  E  F  G  H  I  J  K  L  M  N  O  P  Q  R  S  T  U  V  W  Z