Kirche. (Baukunst) Aus der Bestimmung eines jeden Gebäudes, muss der Baumeister den Plan seiner Einrichtung erfinden und die Art der Verzierung wählen. Da die Kirchen jetzt die gemeinesten öffentlichen Gebäude sind, so verdienen sie vorzüglich das Nachdenken eines Baumeisters. Meistenteils sind sie zu einem doppelten Gebrauch bestimmt; zur Anhörung der geistlichen Reden und zur Feier gottesdienstlicher Ceremonien. Es gibt Kirchen, wie alle Kirchen der Protestanten, wo das erstere die Hauptsache ist; andre aber, wie die größten und prächtigsten Kirchen der Römisch- Katholischen Christen, sind vorzüglich zum zweiten Gebrauch bestimmt und der erstere ist nur zufällig. Es wäre demnach unüberlegt, wenn ein Baumeister beide Arten nach einerlei Grundsätzen anlegen wollte.
Die Kirchen, die vorzüglich zur Feier der Zeremonien eingerichtet sind, werden natürlicher Weise so angeordnet, dass der ganze inwendige Raum in vier Teile abgeteilt wird, die Halle, das Schiff, die Abseiten und den Chor. Das Schiff ist der vornehmste und größte innere Platz auf dem das Volk zur Feier der Ceremonien steht. Die Abseiten ein Platz oder ein räumlicher Gang um das Schiff herum, damit man von allen Seiten her, gemächlich in das Schiff kommen könne. Der Chor ist der Platz, auf dem die Diener der Religion die heiligen Gebräuche verrichten. Darum ist er am Ende des Schiffs, um etliche Stufen über dasselbe erhoben, damit alles was darauf vorgeht, von dem im Schiffe versammelten Volke könne gesehen werden. Die Halle ein Vorplatz am Eingang, damit die Türen der Kirche nicht unmittelbar an den offenen Platz stoßen.
An der vorderen Seite des Chors steht der Altar, gerade vor dem Schiff. Der Chor selbst ist nach einer eiförmigen Figur abgeründet und hat von oben seine eigene gewölbte Decke. Beides darum, weil der Chor der Platz ist, wo die zum Absingen der Hymnen und anderer Gesänge bestellten Sänger stehen. Darum muss der Baumeister den Chor nach den Regeln der Akustik oder der Wissenschaft, der besten Verbreitung des Schalles einrichten. Was in dem Chor gesungen wird, muss ohne verwirrenden Wiederschall leicht und doch deutlich im ganzen Schiff vernommen werden.
Neben dem Chor sind noch ein paar besondere Abteilungen, davon eine die Sacristei genannt wird, wo die zum Gottesdienst gehörige Gerätschaft, die heiligen Kleider u. d. gl. aufbehalten werden und wo die Diener der Religion zur gottesdienstlichen Feier sich ankleiden. Die andere Abteilung kann zur Anlegung der Treppe dienen, die auf den Kirchthurm und unter das Dach der Kirche führt. Allgemein hat das Schiff seine eigene Wölbung, die auf einem Gebälk ruhet, das von Pfeilern oder Säulen getragen wird
Der Geschmack, der in einer solchen Kirche, sowohl in der ganzen inneren Einrichtung als in den Verzierungen augenscheinlich herschen muss, ist Größe und feierliche Pracht. Und es ist kein Werk der Baukunst, wo der Baumeister so viel großen Geschmack nötig hat, wie bei diesem. Der Anblick, muss jeden Anwesenden mit Ehrfurcht erfüllen. Von kleinen Zierraten, die das Auge vom Ganzen abziehen, muss nichts da sein: auch nichts schimmerndes, das nur blendet.
Einfalt mit Größe verbunden, ist der Charakter einer vollkommen gebauten Kirche. Darum sind einzelne, hier und da zerstreute Gemälde mit Recht zu verwerfen. Ein ganz durchgehendes Deckengemälde über dem Schiff, ist das Vorzüglichste. Und wenn man noch andre Gemälde anbringen will, so müssen sie sich auf jenes beziehen und einigermaßen Teile desselben ausmachen, welches allemal möglich ist. Alle einzele Bilder, ohne Beziehung auf das Ganze, so gebräuchlich sie auch sind, streiten gegen den wahren Geschmack, der in einem solchen Gebäude herrschen soll.
Vielleicht ist eine einzige besondere Anmerkung hinlänglich, einem verständigen Baumeister die vorhergehende Anmerkung einleuchtend zu machen. Es ist in Brüßel eine Kirche, (auf den Namen derselben besinne ich mich nicht mehr) wo an an jedem Pfeiler des Schiffs, die Statüe eines Heiligen steht. Diese Statüen sind groß und in gutem Verhältnis mit dem Gebäude, aber zum Ganzen tun sie nicht die geringste Wirkung, weil jede für sich steht, die eine vorwärts nach dem Altar, die andere gerade vor sich, die dritte nach der Halle zu gekehrt u.s.w. Wie leichte wäre es da gewesen, alle diese Statüen in ein Ganzes, mit dem ganzen Gebäude zu verbinden? Man hätte sie alle in mannigfaltigen anbetenden Stellungen gegen den Hauptaltar wenden können als wenn sie dem Volke das Beispiel der Anbetung gäben; jede nach dem eigenen Charakter der abgebildeten Person. Dergleichen Verzierungen dienen die Wirkung des Ganzen zu verstärken und sind der wahren Absicht der Kunst gemäß.
Es ist sehr gewöhnlich, dass an den Abseiten der Hauptkirchen verschiedene kleine Kapellen angebracht werden, deren jede ihren eigenen kleinen Altar hat. Auch dieses ist, ob es gleich durchgehends üblich ist, ein Mißbrauch, gegen dessen Fortpflanzung die Baumeister arbeiten sollten. Denn dieses hebt vollends die Einheit des Ganzen auf. Für geringere und für ganz besondere Gelegenheiten dienende gottesdienstliche Feierlichkeiten, dazu nur wenige Menschen kommen; können ja besondere kleine Kapellen gebaut werden.
Dieses wenige kann hinlänglich sein, denen, die dergleichen Kirchen bauen oder bauen lassen, zu zeigen, wie nötig es sei, überall auf den wahren Zweck der Sachen zu sehen. Auch diesem Teile der Kunst, fehlet es noch an einer wahren gründlichen Kritik, die den Baumeister in seinen Verrichtungen immer auf dem geraden Weg halte. So bald man willkürlich verfährt, so läuft man Gefahr ungereimte Dinge zu machen.
Die protestantischen Kirchen, erfordern eine andere Anordnung, der Chor kann ganz wegbleiben, wenn nur an dessen Stelle, am Ende des Schiffs ein etwas erhabener Platz ist, auf dem die Diener der Religion bei Feierung der weniger prächtigen Gebräuche, dem ganzen Volke sichtbar sind. Auch die Abseiten sind da eben nicht nötig, weil allgemein das ganze Volk versammelt ist, ehe mit dem Gottesdienst der Anfang gemacht wird. Indessen schaden die Abseiten nichts, wenn sie als Gänge gebraucht werden: nur müssen sie nicht, wie häufig geschieht, zu eben dem Gebrauch bestimmt werden als das Schiff; denn es ist geradezu ungereimt, das Volk auf Plätze zu stellen, wo es weder den Prediger, noch die Geistlichen sehen kann, die in anderen gottesdienstlichen. Verrichtungen begriffen sind. Kirchen wo diese Ungereimtheiten vorkommen und sie sind nicht selten, beweisen, wie wenig man auch in einem so wichtigem Gebrauch der Baukunst, nach Grundsätzen verfährt.
Das Wichtigste bei Anordnung einer protestantischen Kirche, ist eine solche Einrichtung, dass an jedem Orte der Kirche der Prediger von vorne gesehen und auch verstanden werde. Dazu ist nun offenbar die ovale Form der Kirche die vorteilhafteste. Ein nicht allzulängliches Vierek, geht auch noch an, wenn nur die Kanzel nicht an einer der längern, sondern an einer schmalen Seite angebracht wird. Eine gute Einrichtung ist es, die ich irgendwo gesehen habe, dass gerade über dem Orte des Altars oder des Communions - Tisches und Taufsteines, eine Art einer sogenannten Empor-Kirche steht, an deren Mitte die Kanzel ist.
Um in solchen Kirchen den Platz ins engere zusammen zu ziehen, wird oft über die Abseiten eine offene Gallerie herumgeführt, die man Empor- Kirchen nennet, weil der Platz, da das Volk sjetzt, empor gehoben ist. Dieses ist überall nötig, wo die Versammlung sehr zahlreich ist und der Zuhörer über Tausend sind. Denn ein Schiff diese zu fassen, würde schon zu groß sein als dass der Prediger an allen Orten könnte verstanden werden.
Kirchen, die vorzüglich zum Predigen bestimmt sind, erfordern inwendig eben keine Pracht, wenigstens keinen Reichtum; denn dieser würde nur die Aufmerksamkeit stören. Also kann man sich hier mit edler Einfalt und mit den schlechterdings wesentlichen Verzierungen der Baukunst begnügen. Aber diese Kirchen müssen ein volles Licht von allen Seiten haben, nur nicht von der Canzel her, weil dieses die Zuhörer, die den Prediger im Gesichte haben müssen, blenden würde. Vorzüglich muss der Ort der Kanzel gut erleuchtet sein. Überhaupt muss alles Inwendige einen guten Anstand haben, dass kein Mensch von Geschmack sich an irgend etwas stoße. Weiß sollten Decken und Wände, nicht gelassen werden, weil sie blenden; eine sanfte grünliche oder röthliche Farbe, schickt sich besser. Überall aber müsste auf die höchste Reinlichkeit und auch auf Nettigkeit der Arbeit gesehen werden.
Von außen muss eine Kirche auf den ersten Anblick Größe und Würde zeigen. Große Partien; nichts Überladenes; nichts von den kleinen Zierraten der Wohnhäuser; weit mehr glattes als buntes; wenigstens ein schönes, aber mehr einfaches als bunt verkröpftes und verschnörkeltes Haupportal. Die Türmer, wenn sie nur gute Verhältnisse haben, geben den Kirchen ein schönes Ansehen. Weit mehr aber eine Cupel. Die sehr hohen und schmalen, wie Nadeln gespizten Türme sind Einfälle eines schlechten arabischen Geschmacks. Runde, nicht allzuhohe Türme, mit Kuppeln bedeckt, stehen am besten.
Schon die Griechen hielten in den schönsten Zeiten der Baukunst, die ionische Ordnung für die schicklichste zu den Tempeln ihrer Götter1, und sie ist es auch für unsere Kirchen. Wir wollen die dorische Ordnung dazu nicht ganz verwerfen. Nur dass keinem Baumeister die ungereimte Pedanterei dabei einfalle, die Metopen des Frieses nach antiker Art, mit Opfergefäßen und Hirnschädeln von Opferthieren zu verziehren. Was sich für einen heidnischen Tempel schickte, kann darum nicht an einer Kirche stehen. Billig sollten alle Kirchen auf ganz freie Plätze gesetzt sein. Nur die Klosterkirchen leiden eine Ausnahme, welche notwendig mit den Klöstern müssen verbunden werden. Aber aus den Kirchhöfen Begräbnisplätze zu machen, ist ein Mißbrauch, über den schon lange geschrien wird. Zu Monumenten für Verstorbene könnten sie noch dienen, nur nicht zum Begräbnis selbst.
Die größte, schönste und prächtigste Kirche der Welt ist wohl die Peterskirche in Rom und nach dieser die Paulskirche in London. Beide gehören unter die größten Werke der Baukunst, die jemals unternommen worden. Der Jesuit Bonanni hat eine eigene Geschichte der Peterskirche geschrieben.2 Um denjenigen Lesern, die selbst nicht an die Quellen der Kunstnachrichten kommen können, einigen Begriff von diesem merkwürdigen Gebäude zu geben, führen wir folgendes davon an.
Das Ganze dieses erstaunlichen Werks besteht aus. der Kirche selbst und dem damit verbundenen ovalen Vorhof, der 400 Schritte lang und 180 breit ist.
Diesen Vorhof schließen zwei bedeckte Säulengänge ein, an denen 320 Säulen stehen. Das Dach über die beiden Säulengänge ist flach und mit 86 Statüen der Heiligen, in mehr als doppelter Lebensgröße, besetzt. Mitten in dem Vorhof, dem Haupteingange der Kirche gegen über, steht der berühmte Obeliscus des Sesostris, den ehemals der Kaiser Caligula aus Ägypten nach Rom bringen und den in den neueren Zeiten der Pabst Sixtus V. durch den berühmten Baumeister Fontana in diesen Vorhof hat setzen lassen.3 Dieser Obelisk ist von Granit aus einem Stück, 80 Fuß hoch, ohne das Postament, dass an sich 32 Fuß hoch ist.
Die Kirche selbst ist ins Kreuz gebaut; ihre Länge, die Dike der Mauern mit eingerechnet, beträgt 970 römische Palmen oder 666 2/3 pariser Fuße. Die Breite des Gewölbes über das Schiff ist 123 Palmen und die ganze Breite eines Flügels der Kirche, mit der Dike der Mauern 414 Palmen. Über die Mitte erhebt sich eine prächtige Cupel, die von M. Angelo angegeben und durch die Baumeister della Porta und Fontana ausgeführt worden. Am Haupteingang ist eine Halle, deren Länge 314, die Breite 60 Palmen ist.
Den Anfang zu diesem Gebäude machte Julius II. unter dem Baumeister Bramante. Nachher haben die größten Meister der Kunst, M. Angelo, Jul. Sangallo, Giocondo, Raphael, Barozzi, Bernini u.a. ihre Kunst daran gezeigt. Fontana der ein eigenes Werk über diese Kirche geschrieben hat, schätzt, dass es zu seiner Zeit bereits 80 Milionen Scudi gekostet habe. Die inwendigen Schönheiten an Gemälden, Statuen und Denkmälern, sind der Größe und Pracht des Gebäudes angemessen.
Nach diesem ist die Paulskirche in London auch ein Gebäude das wegen seiner Größe merkwürdig ist. Ihre ganze Länge ist 500 Englische Fuß. Inwendig ist sie, bis zulezt an die Cupel 215 Fuß hoch und von außen beträgt die ganze Höhe bis an die Spize der auf der Cupel stehenden Laterne 440 Fuß.4
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1 S. Jonisch.
2 Historia templi Vaticani Romæ. 1700. Fol.
3 Die Beschreibung des Schiffes auf dem er nach Rom gebracht worden, kann man beim Plinius Hist. Nat. L. XVI. c. 40. lesen.
4 S. Description de la cathedr. de St. Paul tirée des Memoires de Guill. Dugdale et de Chrst. Wren.