Kleidung

Kleidung. (Zeichnende Künste. Schauspiel) Da in den Werken der schönen Künste alles, bis auf die Kleinigkeiten mit Geschmack und Überlegung muss gemacht sein, damit nirgend etwas anstößiges oder nur unschickliches darin vorkomme1; so muss auch überall, wo man uns Personen für das Gesichte bringt, die Bekleidung derselben von dem Künstler in genaue Überlegung genommen werden. Darum macht die gute Wahl der Kleidung einen Teil der Wissenschaft aus, die sowohl zeichnende Künstler als Schauspieler besitzen müssen.

 Umständlich wollen wir uns hier über diesen Punkt nicht einlassen; weil ein paar allgemeine Grundsätze hinlänglich scheinen einem verständigen Künstler über diese Sache das nötige Licht zu geben. Die Kleidung muss überhaupt nach Beschaffenheit der Umstände schön und schicklich sein.

 Um uns nicht in eine vielleicht ganz unnütze Speculation über das, was in der Kleidung absolut schön sein könnte, einzulassen, wollen wir über den Punkt des Schönen in der Kleidung nur so viel anmerken, dass darin nichts offenbar ungereimtes, unförmliches und unnatürliches sein müsse. Dass es dergleichen Fehlerhaftes in Kleidern gebe, beweisen verschiedene Moden in denselben, die nur ein völliger Mangel des Geschmacks kann eingeführt haben. Schuhe mit ellen lang hervorstehenden Spitzen, wie vornehme Frauen in dem XIII und XIV Jahrhundert trugen, sind doch eine absolute Ungereimtheit. Und in diesem Falle befinden sich die steiffen und weit herausstehenden Halskragen, womit an einigen Orten, Magistratspersonen und Geistliche prangen; nicht weniger verschiedene feierliche Kleidertrachten des weiblichen Geschlechts, die in einigen Reichsstädten und an verschiedenen Orten in der Schweiz aus den alten Zeiten der Barbarei nicht nur übrig geblieben, sondern durch neue Zusätze noch abgeschmackter gemacht worden sind. Überhaupt rechnen wir hierher alles, was der menschlichen Gestalt, die von allen sichtbaren Formen die schönste ist, ein unförmliches eckigtes Ansehen gibt. Der Künstler muss jede Kleidung verwerfen, die die natürliche Schönheit der menschlichen Gestalt verstellet; und die Verhältnisse der Teile völlig verderbt, wie z. B. den Kopfputz, der den Kopf noch einmal so groß macht als er ist; die ungeheure Fischbeinröke, die dem oberen Teil des Körpers, der in der Natur doch die größere Hälfte ausmacht, zu einem kleinen und unansehnlichen Teile des Ganzen macht. Eben diese Regel schließt von der Kleidung alles steife und ungelenkige aus, weil es eine der größten Schönheiten des Körpers ist, dass er überall gelenkig und zu unendlich mannigfaltigen Wendungen geschickt ist. Diese Fehler vermeiden in ihren Kleidungen Personen von Geschmack, es sei dass sie sonst nach chinesischer, türkischer oder europäischer Art sich kleiden.

 Man schreibt sonst den Künstlern vor, dass sie sich in ihren Vorstellungen nach dem Üblichen oder dem sogenannten Costume richten sollen; und es ist gut, dass sie es bis auf einen gewissen Grad beobachten: aber wo die Mode einen völlig verkehrten und der Natur geradezu entgegenstreitenden Geschmack anzeigt, müssen sie das Übliche verbessern.2

 Ungereimte Kleidungen, kann man dem Künstler nur in dem einzigen Fall erlauben, wenn er die Personen nach dem Zweck seiner Arbeit lächerlich vorzustellen hat und die Kleidung gerade eines der Mittel ist, das wesentlich dazu gehört. Aber auch in diesem Falle muss die Sache nicht zu sehr ins Abgeschmackte getrieben werden, wie es die Schauspieler bisweilen tun. Ganz verrückte Köpfe, die man überall ins Tollhaus setzen würde, sind bei keinerlei Gelegenheit ein Gegenstand des Spotts; und darum muss auch die Narrheit in der Kleidung nicht übertrieben werden, damit sie nicht ekelhaft werde, da sie nur lächerlich sein soll. Es ist um so viel nötiger, dass die, welche die Aufführung der Schauspiele anordnen, dieses ernstlich bedenken; da es nur gar zu gewöhnlich ist, das ganz Alberne und Abgeschmackte an die Stelle des bloß Lächerlichen gesetzt zu sehen. Dadurch aber ver fehlt man seinen Zweck ganz.

 Die Schicklichkeit der Kleidung erfordert mehr Nachdenken als ihre Schönheit. Die Kleider unterscheiden vielfältig den Stand und die Würden der Personen und selbst die Geschäfte oder die Handlung darin sie begriffen sind. In der ganzen Welt ist man bei Feierlichkeiten anders gekleidet als bei häuslichen Verrichtungen und der Maler würde eine Narrheit begehen, der einen im Krankenbette liegenden König, mit Krone und Zepter vorstellte, wie bisweilen von Künstlern, die außer der Kunst keinen Verstand zeigen, geschehen ist. Etwas von dieser Unschicklichkeit, ist auch aus der ehemaligen Barbarei des Geschmacks hier und da in Schauspielen übrig geblieben, wo man noch bisweilen vornehmere Personen in völlig feierlichem Staat sieht, da sie kaum aus dem Bette aufgestanden sind und nun bloß häusliche Verrichtungen haben. Die Schauspieler sollen bedenken, dass dergleichen Ungereimtheiten die Täuschung so völlig aufheben und dem feinen Teil ihrer Zuschauer so anstößig sind, dass die ganze Wirkung, die ein Drama haben sollte, dadurch völlig gehemmet wird. Einige Schauspieler scheinen zu glauben, dass in dramatischen Stücken von einiger Würde, die Personen nie anders als in gewissem Staat erscheinen können. In der Tat ist es ein zarter Punkt, das völlig Natürliche mit einiger Würde zu verbinden. Wir wollen auch nicht sagen, dass man auf der Bühne jemand so natürlich im Bette liegen lasse, wie er es etwa in seiner Schlafkammer gewohnt ist. Aber auch die allergewöhnlichste Hauskleidung kann mit Anständigkeit und Würde verbunden sein; wenn nur der, der diese Sachen angibt ein Mann von Nachdenken ist und einige Kenntnis der Welt hat.

 Zu dem Schicklichen können wir auch das rechnen, was von dem Üblichen charakteristisch ist. Darauf hat der Künstler vorzüglich Acht zu geben. Der Maler ist oft in Verlegenheit seine Personen bestimmt zu bezeichnen; und da kommt ihm das charakteristische der Kleidung sehr zu statten. Es gibt ganze Kleider, einzelne Teile, so gar Farbe des Gewandes, besondere Arten des Schmucks, die völlig charakteristisch sind und sogleich den Stand oder die Würde oder eine ganz besondere Verhältnis derselben oder eine ganze Handlung genau bezeichnen. Diese muss der Künstler, aus der alten und neuen Geschicht und von mehreren Nationen kennen. Aber dieses schlägt schon in das Übliche ein.3

 Dem zeichnenden Künstler empfehlen wir zum fernern Nachdenken über diese Materie ein aufmerksames Lesen, dessen, was der Herr von Hagedorn über diese Materie mit großer Gründlichkeit angemerkt hat.4 Von der besonderen Behandlung der Kleidung und der Kunst sie gut zu legen und zu falten ist in einen besonderen Artikel gesprochen worden.5

 

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1 S. Werke der Kunst.

2 S. Üblich.

3 S. Üblich.

4 Betrachtung. über die Malerei. II Buch 1 Absch. im 16 und 17 Kap.

5 S. Gewand.

 


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