Malerei - Ursprung und Geschichte


Von dem Ursprunge dieser Kunst lässt sich, wie von den ersten Anfängen der anderen schönen Künste nichts Gewisses sagen. Die Malerei scheint nicht so unmittelbar von leidenschaftlichen Empfindungen entstanden zu sein als die Musik, der Tanz und die Dichtkunst; doch hat sie ebenfalls einen allen Menschen gemeinen und angeborenen Trieb, die Neigung, Dingen, die wir täglich um uns haben, eine gefällige Form und ein angenehmes Ansehen zu geben, zum Grunde: aber hier musste schon Überlegung zu diesem Hang zur Verschönerung hinzukommen. Es ist also nicht zu vermuten, dass die Malerei, so wie Musik und Dichtkunst, schon bei ganz rohen Völkern in Gang gekommen sei. Zeichnung scheint aus dem Schnitzen der Bilder entstanden zu sein. Da sich die Menschen überall gleichen und wir noch jetzt sehen, wie müßige Hirten ihre Stäbe, Becher oder etwas anders von ihren wenigen Gerätschaften, mit Schnitzwerk verzieren, so mag es auch ehedem gewesen sein. Daher mag der noch sehr rohe Mensch auf den Einfall gekommen sein, auch auf die hölzerne Wände seiner Hütte Figuren einzuschneiden. Wie aus diesem, bei zunehmendem Nachdenken über die Verschönerung der Dinge die verschiedenen Arten zu zeichnen nach und nach entstanden seien, lässt sich gar wohl begreifen. Auch die Verbindung der Farben mit der Zeichnung, wodurch eigentlich der Grund zur Malerei gelegt worden, ist leicht zu erklären. Die Menschen haben ein natürliches Wohlgefallen an schönen Farben und suchen beim ersten Aufkeimen des Geschmacks am Schönen, ihren Kleidern und anderen Dingen schöne Farben zu geben. Die Säfte verschiedener Pflanzen boten sich zuerst dazu dar und es war ganz natürlich diese beiden Arten der Verschönerung der Dinge zu vereinigen.

Auf diese Weise kann man auf die Spur kommen, wie der erste Keim der Malerei entstanden ist. Von da aus musste freilich noch mancher Schritt getan werden, mancher neue Einfall hinzukommen, bis die Kunst eine etwas ausgebildete Gestalt bekam. Von den bloß groben Umrissen und dem Aufstreichen durchaus gleich heller Farben, bis auf die Vollständigkeit und völlige Richtigkeit der Zeichnung; bis auf die sehr feine Entdeckung, dass durch genaue Abstufung von Licht und Schatten, auch die Rundung der Körper, durch die Mittelfarben endlich ihr ganzes Ansehen könne nachgeahmt werden, war ein sehr langer und schwerer Weg zurück zu legen. Ein nicht minder langer, nur vom Genie zu entdeckender Weg war auch nötig der angefangenen Kunst einzelne sichtbare Gegenstände nachzuahmen, nach und nach die Veredlung und Erhöhung zu geben, wodurch sie zu einem so vollkommenen Mittel worden ist, so mannigfaltig ergötzende, den Geschmack und die Empfindung erhöhende Vorstellungen, dem Auge darzustellen.

Wenn wir den Griechen glauben, so ist von allen diesen unzähligen Schritten und Erfindungen keine, die man nicht ihnen zu danken hätte; sie nennen den, der zuerst versucht hat Umrisse zu zeichnen; den, der zuerst erfunden hat Farben zu mischen; den, der zuerst mehrere Farben zu einem Gemälde gebraucht, der die Abwechslung des Lichts und Schattens erfunden; der die verschiedenen Stellungen und Bewegungen ausgedrückt hat und mehr dergleichen Dinge. Wir haben aber bereits im Vorhergehenden angemerkt28 wie wenig diesem Vorgeben zu trauen und wie zuverlässig falsch das meiste davon sei.

Wahrscheinlich ist es, dass die ersten Gemälde, die einigermaßen diesen Namen verdienen, nicht Werke des Pinsels, sondern der Nadel oder aus gefärbten Steinen zusammengesetzte Werke gewesen und dass von gestickten, gewirkten oder mosaischen Malereien, die anderen Arten der Gemälde entstanden seien [s. Mosaisch]. Die Babylonier aber haben unstreitig eher als die Griechen buntgewirkte Tapeten gehabt, in welcher Arbeit sie vor anderen Völkern berühmt waren [Kolores diversos picturæ intexere Babylonios maxime celebravit. Plin. L. XX. c. 45. 31 Plin. L. VIII. c. 49.]. Und die Griechen können nicht in Abrede sein, dass nicht die Phrygier eher als sie gestickt haben.31

Darum bleibt aber diesem geistreichen an Genie und Geschmack alle Nationen übertreffendem Volke, noch genug Verdienst um die Malerei übrig. Denn unstreitig haben alle Teile derselben, sowohl was das mechanische der Ausführung als was den Geschmack, den Geist und die Anwendung der Kunst betrifft, von den Griechen die höchste Vollkommenheit bekommen und sie sind hierin die Lehrmeister aller nachherigen Völker und ihre Werke die Muster aller späten Werke der Malerei geworden.

Gar frühe und vor Homers Zeiten, scheint die Malerei wenigstens unter den griechischen Colonien in Asien eine ziemlich reife Gestalt erlangt zu haben, da man schon damals hat unternehmen können Gemälde von historischem Inhalt auf Gewänder zu sticken, wie wir von diesem Vater der griechischen Dichtkunst lernen: und schon von der Zeit des ersten persischen Krieges ist sie so weit gebracht gewesen, dass große historische Gemälde etwas gemeines und gangbares müssen gewesen sein, da die Athener schon nach einer alten Gewohnheit in dem Portikus, der Pöcile genannt wurde, die maratonische Schlacht haben abmalen lassen. Aber es wäre hier zu weitläufig dem allmählichen Wachstum der Kunst, so weit es sich tun lässt, nachzuspüren. Wer Lust hat dieses zu tun, kann aus dem Werke des Junius über die Malerei der Alten die meisten Quellen, woraus Nachrichten zu schöpfen sind, kennen lernen; Plinius aber und von unseren einheimischen Kunstgeschichtsschreibern Winkelmann, werden ihm verschiedene merkwürdige Epochen der Kunst an die Hand geben. Auch wird er sowohl aus diesen Schriftstellern als aus den in Kupfer gestochenen Gemälden, die Pietro Santo Bartoli herausgegeben, aus denen, die der Engländer Turnbull,*) aber nur nach Kopien von Kopien, in 50 Platten hat stechen lassen und endlich aus denen, die im alten Herkulanum entdeckt worden und aus der Sammlung die der Graf Caylus mit Farben illuminiert herausgegeben hat [Recueil des peintures antiques. à Paris 1757. fol.], erkennen können, wie weit die Griechen und nach ihnen die Römer die Kunst gebracht haben. Man muss ihnen die höchste Richtigkeit und den vollkommensten Ausdruck der Zeichnung zugestehen; Teile, in denen die neueren Maler den alten nie gleich gekommen sind. Aber in Ansehung der Anordnung und Gruppierung, besonders in der perspektivischen Zeichnung glaubt man durchgehends und wie es scheint nicht ohne Grund, dass unsere Künstler die alten übertreffen. In der Tat ist in dem, was uns von alten Gemälden übrig geblieben ist, eine Einfalt, die wenig überlegtes, in Ansehung dieses Teiles, verrät. Man sollte daher glauben, dass die Alten ihre ganze Aufmerksamkeit, nicht sowohl darauf gerichtet haben, dass das Ganze des Gemäldes gut in das Auge falle als darauf, dass jede einzelne Figur redend sei. Gar oft sind die Figuren auf einer Linie neben einander gestellt; aber fast allemal merkt man ohne großes Forschen, was jede bei der Handlung denkt und empfindet.

Weil die Alten nicht mit Ölfarben, sondern meistenteils mit Wasserfarben mahlten, so waren ihre Farben lebhafter und heller als sie jetzt in der Ölmalerei sind. Daher konnten freilich ihre Gemälde die vollkommene Täuschung, die aus der genauesten Beobachtung des Hellen und Dunkeln, der völligsten Harmonie, dem verflossenen und geschmolzenen der Ölfarben entsteht, nicht haben. Man hat einige Mühe sich an die Schönheit der allemal hellen Farben und an die Schwachheit des sogenannten Helldunkeln, das in den Gemälden der Alten ist, zu gewöhnen. Dass ihr Kolorit auch dauerhaft gewesen, lässt sich daraus schließen, dass viele Gemälde etliche Jahrhunderte, nach dem sie verfertigt worden, noch die Bewunderung der Römer gewesen. Wiewohl wir von Cicero lernen, das viele ausgeblasst sind [Quanto colorum pulchritudine et varietate floridiora funt in picturis novis pleraque, quam in veteribus? de Orat. III.]. Vermutlich haben sie durch öfteres Übermalen, wie noch jetzt geschieht, ihnen die Dauer gegeben. Plinius sagt, dass Protagoras das Gemälde vom Jalysus, welches er für die Rhodier gemacht, viermal übermalt habe.

Alles zusammen genommen, möchte bei Vergleichung der alten und neuen Kunst der Malerei der Ausschlag, doch wohl den Neueren günstig sein, ob sie gleich in einem so sehr wichtigen Teile als die Kraft der Zeichnung ist, jene nicht erreichen.

In Ansehung des Inhalts und der mannigfaltigen Anwendung der Kunst, haben wir nichts vor den Alten voraus. Von dem kleineren Spielen der Phantasie, bis auf die höchsten historischen und allegorischen Gemälde haben sie, eben so große Mannigfaltigkeit des Stoffs bearbeitet als unsere Künstler. Karikaturen und Bürlesken, die die Griechen Gryllen nannten,35 Blumen- Frucht- und Tierstücke., Landschaften, Portraite, Sinnbilder, Satyren, Schlachten, Gebräuche, Historien, Fabeln und Allegorien; alle diese Arten waren bei ihnen häufig im Gebrauch und auf weit mehrere Arten als jetzt geschieht, angebracht. Ihre öffentlichen und Privatgebäude wurden an Wänden mehr bemahlt als gegenwärtig geschieht; selbst ihre Schiffe wurden mit Malerei verziert, wozu bei dem Mangel der Ölfarben das Encaustische sich schickte. Also besaß Griechenland eine erstaunliche Menge Malereien, sowohl unbewegliche an den Wänden der Gebäude als bewegliche auf Tafeln, wie unsere jetzige Stafeleigemälde und auch ganz kleine, die man in der Tasche mit sich herumtrug.

In dem eigentlichen Griechenland scheint die Kunst erst um die 90 Olympias ihr männliches Alter erreicht zu haben. Denn Apollodorus, der um diese Zeit gelebt hat, wird für den ersten angegeben, der durch Licht und Schatten den Gemälden Haltung gegeben [s. Plutarch in der Abhandlung, ob die Athenenr im Krieg oder im Frieden größer gewesen]: und Plinius sagt ausdrücklich, dass zu seiner Zeit kein Gemälde eines ältern Meisters der Kenner Auge auf sich gezogen habe, welches auch Quintilian bestätigt [Instit. Ov. L.XII. c. 10.]. Aber noch lange, sollen die griechischen Maler nur vier Farben gehabt haben. Zwar weiß man gegenwärtig, dass außer dem Weißen und Schwarzen drei Farben für alle mögliche Tinten hinlänglich sind [s. Farbe]. Aber wir sehen aus einer Stelle des Plinius, dass die Maler vor Alexanders Zeit, diese Verschiedenheit der Tinten mit ihren vier Farben nicht erreicht haben. [Zeuxim Polygnotum et Timantam et eorum qui non sunt usi plus quam quatuor coloribus, formas et lineamenta laudamus; at in Ätione, Nicomacho, Protogene et Apelle jam perfecta sunt omnia.] 

Wie lange sich die Kunst auf der hohen Stufe auf der sie zu Alexanders Zeiten gestanden, erhalten habe, lässt sich nicht bestimmen. Gewiss ist, dass zu Cäsars Zeiten noch große Maler gewesen und es scheint, dass Timomachus, der verschiedenes für diesen Diktator gemalt hat, den besten unter den alten Malern wenig nachgegeben habe. [Man sehe hiervon Junium im Catalogo Pict.] Und doch nennt Plinius die Malerei eine zu seiner Zeit dem Untergang nahe Kunst [Hactenus dictum sit de dignitate artis morientis. L. XXXV. c. 5.].

Wie weit die alten Etrusker die Kunst des Mahlens getrieben haben, lässt sich nicht sagen. Aus den etruskischen Geschirren, die noch häufig gefunden werden, sieht man, dass sie gute Zeichner gewesen. Denn man findet da Figuren von schönen Verhältnissen, einer sehr guten und dabei nachdrücklichen Zeichnung; aber über das Kolorit der Maler dieser Nation sind wir in völliger Ungewissheit.

Unter den späteren Kaisern kam die Malerei in Abnahm und wurde so barbarisch als die Sitten. Es blieben zwar in Rom und noch mehr in Griechenland und in Konstantinopel Maler genug übrig; aber die wahre Kunst war größtenteils verschwunden und blieb viele Jahrhunderte durch in dem Zustand der Niedrigkeit. Merkwürdig ist indessen, dass außer der Bildschnitzerei eine Art auf Holz zu malen, die dem Wind und Wetter widerstand, wie die enkaustische Malerei, in den mittlern Zeiten selbst bei den Pommerschen Wenden angetroffen worden. [Nachricht hiervon gibt der im Art. Künste in der Anmerkung angezogene Schriftsteller]. Auch finde ich in der Beschreibung der öffentlichen Gemälde in Venedig, dass im Jahr 1071 in der Markuskirche mosaische Gemälde nach Kartons, welche aus Konstantinopel gekommen, verfertigt worden. Überhaupt ist anzumerken, dass die Malerei durch alle Jahrhunderte der so genannten mittlern Zeiten immer getrieben worden. Aber der Geschmack und das Hohe der Kunst fehlten ihr, bis beides gegen Ende des XV Jahrhunderts wieder zu keimen anfing. Man hat wenig auf die Nachrichten zu achten, die uns die Welschen Schriftsteller von Wiederauflebung der Malerei im XIII und XIV Jahrhundert geben. Denn Maler dergleichen ihr Giotto und Cimabue waren, hatte es auch seit dem Verfall der Kunst in allen Jahrhunderten und in allen gesitteten Ländern von Europa gegeben; daher können gedachte Männer keine Epoche ausmachen. Die ersten wahren Maler der neueren Zeit, bei denen die eigentliche Wiederherstellung der Kunst anfängt, sind Leonhardo da Vinci und Michel Angelo, auf die aber Titian, Corregio und Raphael bald folgten. Nur verdient die Epoche der Erfindung der Malerei in Ölfarben noch bemerkt zu werden [s. Ölfarben].

Sonderbar ist es, dass die größten Maler der neueren Zeit, Vinci, Angelo, Corregio, Titian, Raphael, alle zugleich, zur Zeit der eigentlichen Wiederherstellung der Kunst am Ende des XV und Anfange des XVI Jahrhunderts gelebt haben. Wie sehr seit dem verschiedene europäische Nationen gleichsam um die Wette sich beeifert haben diese Kunst in die Höhe zu bringen, braucht hier nicht wiederholt zu werden, da wir hiervon in den Artikeln über die verschiedenen Schulen, so weit die Absicht dieses Werks es erfordert, gesprochen haben [s. Schulen]. Man kann sagen, dass die neueren alle Teile der Kunst auf einen hohen Grad, einige aber auf den höchsten, der möglich ist, gebracht haben. Das einzige was ihr noch fehlt, ist eine mehrere Vollkommenheit in der Anwendung, wovon weiter oben bereits verschiedenes erinnert worden.

Nur noch eine Anmerkung, womit wir diesen Artikel beschließen wollen. Die Malerei gefällt hauptsächlich durch drei Dinge: 1. Durch den lebhaften Ausdruck leidenschaftlicher Empfindungen und großer Charaktere: darin war Raphael der erste Meister und nach ihm besonders in Charakteren Hannibal Caracci. 2. Durch Schönheit und Annehmlichkeit in Formen, Farben, Licht und Schatten; worin Corregio der erste Meister ist. 3. Durch Wahrheit der Vorstellungen: hierin muss Titian für den ersten Meister gehalten werden; nach ihm aber hat die holländische Schule in diesem Punkt den größten Verdienst. Will man noch die Mannigfaltigkeit eines angenehmen Inhalts dazu rechnen, so haben vielleicht die französischen Maler hierin das meiste getan.

 

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*) Turnbulls Sammlung, die 1740 in London herausgekommen, ist nach Zeichnungen gemacht, die der berühmte D. Mead besaß und die ehedem dem Kardinal Maßimi gehört hatten. Dieser soll sie aus einer ältern Sammlung gemalter Zeichnungen, die nach einiger Vermutung dem Raphael gehört haben und in der Bibliothek des Escurials aufbehalten worden, haben kopiren lassen.


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