Modulation

Modulation. (Musik) Das Wort hat zweierlei Bedeutung. Ursprünglich bedeutet es die Art eine angenommene Tonart im Gesang und in der Harmonie zu behandeln oder die Art der Folge der Akkorde vom Anfange bis zum Schluss oder zur völligen Ausweichung in einen anderen Ton. In diesem Sinn braucht Martianus Kapella das Wort Modulatio und in diesem Sinne kann man von den Kirchentonarten sagen, jede habe ihre eigene Modulation. Das ist ihre eigene Art fortzuschreiten und Schlüße zu machen.

Gemeiniglich aber bezeichnet man dadurch die Kunst den Gesang und die Harmonie aus dem Hauptton durch andre Tonarten vermittelst schicklicher Ausweichungen durchzuführen und von denselben wieder in den ersten oder Hauptton, darin man immer das Tonstück schließt, einzulenken.

 In ganz kurzen Tonstücken also, die durchaus in einem Ton gesetzt sind oder in langen Stücken, da man im Anfang eine Zeitlang in dem Haupttone bleibt, ehe man in andere ausweichet, besteht die gute Modulation darin, dass man mit gehöriger Mannigfaltigkeit den Gesang und die Harmonie eine Zeitlang in dem angenommenen Tone fortsetze und am Ende darin beschließe. Dieses erfordert wenig Kunst. Es kommt bloß darauf an, dass gleich im Anfange der Ton durch den Klang seiner wesentlichen Saiten, der Oktave, Quint und Terz dem Gehör eingeprägt werde; danach, dass der Gesang, so wie die Harmonie durch die verschiedenen Töne der angenommenen Tonleiter durchgeführt, hingegen keine derselben fremde Töne, weder im Gesang noch in der Harmonie, gehört werden.

  Dabei ist aber eine Mannigfaltigkeit von Akkorden notwendig, damit das Gehör die nötige Abwechslung empfinde. Man muss nicht, wie magere Harmoniker tun, nur immer sich auf zwei oder drei Akkorden herumtreiben oder in Versetzungen wiederholen, vielweniger, ehe das Stück oder der erste Abschnitt zu Ende gebracht worden, wieder in den Hauptton schließen und dadurch auf die Stelle kommen, wo man anfänglich gewesen ist.

 Die Regel, dass man nur solche Töne hören lasse, die der angenommenen Tonleiter zugehören, darf auch eben nicht auf das strengste beobachtet werden. Es geht an, dass man, ohne den Ton darin man ist zu verlassen oder das Gefühl desselben auszulöschen, eine ihm fremde Saite berühre. Aber es muss nur wie im Vorbeigang geschehen und man muss sie sogleich wieder verlassen. Man könnte in C dur, anstatt also zu moduliren, auch wohl auf folgende Weise fortschreiten, ohne dass durch die zwei fremden Töne, die hier gehört werden, das Gefühl der Tonleiter C dur ausgelöscht würde. Nur müssen nicht solche fremde Töne genommen werden, die der Tonleiter völlig entgegen sind, wie wenn man in C dur Cis oder Dis hören ließe; denn dadurch würde sogleich das Gefühl einer sehr entfernten Tonart erweckt werden.

 Man kann auf diese Weise ganze Stücke oder Abschnitte von zwölf, sechszehn und mehr Takten machen, ohne langweilig zu werden.1  Dieses sei von der Modulation in einem Ton gesagt.

 Die andere Art oder das, was man allgemein durch Modulation versteht, erfordert schon mehr Kenntnis der Harmonie und ist größeren Schwierigkeiten unterworfen. Es ist kein geringer Teil der Wissenschaft eines guten Harmoniker, längeren Stücken durch öfteres Abwechseln des Tones eine Mannigfaltigkeit zu geben, wobei keine Härte, die aus schnellen Abwechslungen entsteht, zu fühlen sei. Dieser Punkt verdient demnach eine genauere Betrachtung.

 Von der Notwendigkeit in längern Stücken, Gesang und Harmonie durch mehrere Töne hindurch zu führen, zulezt aber wieder auf den ersten Hauptton zu kommen und von den Ausweichungen und Schlüßen, wodurch diese Modulation erhalten wird, ist bereits in einem anderen Artikel gesprochen worden,2  den Anfänger hier vor Augen haben müssen. Dort ist auch gezeigt worden, wie die verschiedenen Töne am natürlichsten und ungezwungensten auf einander folgen können und wie lange man sich ungefähr in jedem neuen Ton aufhalten könne, ohne sich ganz in der Modulation zu verirren. Aber man muss wohl merken, dass jene Regeln nur gelten, insofern es um einen gefälligen und wolfließenden Gesang zu tun ist. Der Ausdruck und die Sprache der Leidenschaft erfordern oft ein ganz anderes Verfahren. Wenn sich die Empfindung schnell wendet, so muss auch der Ton schnell abwechseln. Also bleibt uns hier noch übrig von den allgemeinen Regeln der guten Modulation zu sprechen.

 Sie ist nicht in allen Arten der Tonstücke denselben Regeln unterworfen. Das Rezitativ erfordert meistenteils eine ganz andere Modulation als der eigentliche Gesang; die Tanzmelodien und die Lieder sind in der Modulation sehr viel eingeschränkter als die Arien und diese mehr als große Konzerte. Also kommt bei der Modulation die Natur des Stücks und besonders seine Länge zuerst in Betrachtung. Hernach muss man auch bedenken, ob die Modulation bloß eine gefällige Mannigfaltigkeit und Abwechslung zur Absicht habe oder ob sie zur Unterstützung des Aus drucks dienen soll. Dergleichen Betrachtungen geben dem Tonsetzer in besonderen Fällen die Regeln seines Verhaltens an und zeigen ihm, wo er weiter von dem Hauptton ausschweifen könne und wo er sich immer in seiner Nachbarschaft aufhalten müsse; wo er schnell und allenfalls mit einiger Härte in entfernte Töne zu gehen hat und wo seine Ausweichungen sanfter und allmählich sein sollen. Lauter Betrachtungen von Wichtigkeit, wenn man sicher sein will, für jeden besonderen Fall die beste Modulation zu wählen.

 Durch die Modulation kann der Ausdruck sehr unterstützt werden. In Stücken von sanftem und etwas ruhigem Affekt, muss man nicht so oft ausweichen als in denen, die ungestühmere Leidenschaften ausdrucken. Empfindungen verdrießlicher Art, vertragen und erfordern sogar eine Modulation, die einige Härte hat, da ein Ton gegen den nächsten eben nicht allzu sanft absticht. Wo alles, was zum Ausdruck gehört, in der größten Genauigkeit beobachtet wird, da sollte auch die Modulation so durch den Ausdruck bestimmt werden, dass jeder einzelne melodische Gedanken in dem Tone vorkäme, der sich am besten für ihn schickt. Zärtliche und schmerzhafte Melodien, sollten sich nur in Molltönen aufhalten; die muntern dur Töne aber, die in der Modulation, des Zusammenhanges halber notwendig müssen berührt werden, sollten gleich wieder verlassen werden.

 Es ist einer der schwersten Teile der Kunst, in der Modulation untadelhaft zu sein. Deswegen ist zu bedauren, dass die, welche über die Theorie der Kunst schreiben, sich über diesen wichtigen Artikel so wenig ausdehnen und genug getan zu haben glauben, wenn sie zeigen, wie man mit guter Art von dem Haupttone durch den ganzen Zirkel der 24 Töne herumwandeln und am Ende wieder in den ersten Ton einlenken solle. Die Duette von Graun können hierüber zu Mustern dienen.

 

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1 Man sehe was hierüber in dem Art. Fortschreitung angemerkt worden

2 S. Art. Ausweichung.

 


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