Wenn man so


die Parallelstellen sieht, die der Autor von »Glaube und Heimat« zur Widerlegung veröffentlicht hat, dann sieht man, wie unsinnig der Vorwurf des Plagiats war. Selbst ich, der »Glaube und Heimat« nicht kennt — das klingt heute wie die Selbstanklage eines, der weder Glaube noch Heimat kennt —, bin jetzt vollständig aufgeklärt — das klingt wieder wie das Bekenntnis eines, in dem schon die Tendenz des Werkes Wurzel gefaßt hat; man kann sich vor dieser Sensation in kein banales Wort mehr retten, sie erreicht einen auch dort — kurzum ich bin über den originalen Charakter der Dichtung vollständig beruhigt und zweifle keinen Augenblick. Nur fesselt mich in dieser Gegenüberstellung etwas anderes als die tote Gewißheit, dass, wenn Schönherr und Handel-Mazetti dasselbe tun, es nicht dasselbe ist. Mich interessiert nur das, was links steht, das Liberalgeistige, und da habe ich doch »Glaube und Heimat« einigermaßen kennen gelernt. Mindestens ist mein Vorurteil, das nicht stark genug war, fremdem Urteil den Raum der Fackel zu versagen, jetzt erheblich gekräftigt. Gegen die Vertreter der Unkraft, die sich hierzulande breit und bodenständig machen und über die ich schon ein Urteil hatte, einen auszuspielen, der mindestens solcher Unkraft nicht fähig ist, schien mir nützlich. Mein Mißtrauen aber gegen ein Schrifttum, das Kraft gewinnt, wenn es statt »Blut ist kein Wasser« »Bluet ist kein Wasser« sagt, war vorhanden. Nun habe ich die Parallelstellen gelesen. Auch eine Zeile kann genügen, um zu erkennen, dass Tirol zwar einen Andreas Hofer, aber keinen Gerhart Hauptmann hervorgebracht hat. Es ist mein Glaube, dass es die Heimat ist, was wie Kunst aussieht. Von Plagiat keine Spur. Aber der Autor von »Glaube und Heimat« gibt zu, dass er die dramatische Anweisung geschrieben hat: »Haut in wild aufloderndem Heimatsweh die Axt mit einem wuchtigen Hieb u. s. w.« Das genügt mir. Was der Dialekt nicht besorgt, muß die Randbemerkung besorgen. Ein Dichter würde sagen: »Haut die Axt mit einem wuchtigen Hieb u. s. w.« und das wild auflodernde Heimatsweh durch die Gestalt beweisen. Der Heimatsdichter setzt den Glauben voraus.

 

 

Nr. 324-25, XIII. Jahr

2. Juni 1911.


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