Ein Bulletin


»Fürst Eulenburg kann schon seit längerer Zeit das Bett überhaupt nicht verlassen. Die Anfälle von Herzschwäche treten immer häufiger auf, die Nahrungsaufnahme ist unbefriedigend. Das Gesamtbefinden ist das denkbar ungünstigste. In Berücksichtigung des hohen Alters Eulenburgs ist eine Besserung vollständig ausgeschlossen und jede Möglichkeit scheint geschwunden, den Fürsten wieder vor seine Richter zu bringen.«

Wer hätte das noch vor einem Jahr geglaubt, wo man die besten Hoffnungen hatte und wiewohl sich der Patient allerlei trübe Gedanken machte, die Ärzte doch die bestimmte Versicherung gaben, es werde gelingen und in ein paar Wochen, wenn der Frühling kommt, sei der Fürst im Untersuchungsgefängnis. Nur so weit wenn sie es brächten! Nur erst mal so weit. Und dann — vor seine Richter kommen: wenn er das noch erlebte! Die Angehörigen hatten gehofft und gehofft. Die Fürstin wollte es den Ärzten vom Gesicht ablesen, und sie, Kopf hoch! sagten sie, nich ’n Mut verlieren, Puls is jut, na also, jetzt noch ’n bißchen Appetit und man feste auf Jott vertraut, und hastenichgesehn sin wa verurteilt … Und heute —! Alles verdüstert. Jetzt braucht nur noch eine Verjährung einzutreten — Schlimm steht’s, sehr schlimm … Nun, einem wirds leid tun, einem, bei dem man wenig Teilnahme für den Fürsten Eulenburg vermutet hätte. Er hatte — ein rührender Zug — in all der Zeit Notizen über das günstige Befinden des Fürsten ausgeschickt. Der Optimist. Die erweisliche Wahrheit des Sterbens würde ihn tief erschüttern.

 

 

Dezember, 1911.