Kaiser Josef und die Bahnwächterstochter
»Man mag oftmals miß vergnügt gegen Wien hadern, man mag in die Fremde ziehen, um schneller, emsiger zu leben, um seiner Tätigkeit breiteren Raum zu gewinnen, man mag in der Ferne klingenderen Lohn, lauteren Ruhm ernten, wer aber einmal mit dieser Sadt verbunden war, desen Herz hängt ewig an ihr .. Man mag ihr zürnen, aber man wird nicht aufhören, sie heimlich zu lieben. Überall anderswo in den modernen Großstädten lebt man gleichsam nur an der Oberfläche, man kann fortgeblasen werden, hierhin, dorthin; man vergißt und wird vergessen. Wer aber einmal zur vielgelästerten Wienerstadt gehört, der —
Der möcht' um jeden Preis hier sterben. Da kommen sie alle! Sie wissen, dass man das hier so schön kann.
Wien vergißt man nicht, und man wird auch nicht in Wien vergessen. Jetzt, da Gustav Mahler nach Wien heimkehrt, grüßen ihn alle Straßen und Plätze als alten Bekannten ...
Ja, jetzt tun sie's. Hiazt.
... Gegen die Rampe des Frachtenbahnhofes gedrückt, steht ein simpler Bahnarbeiter, der zuweilen in der Hofoper beim Bühnenbau mithilft. Die anderen kleinen Bahndiener, die eifrig hin und wider laufen, wissen gar nicht, wer eigentlich der Kranke ist, den man jetzt auf der Sänfte in das Automobil schiebt, er aber hat Gustav Mahler oftmals gesehen, als dieser noch sein Direktor war. Betroffen blickt er ihm jetzt nach und wischt sich dann mit dem schmutzigen blauen Ärmel traurig die Augen.«
O mei!
Nr. 324-25, XIII. Jahr
2. Juni 1911.