Erstes Kapitel
Kants Körper. Beginnendes Alter. —
Die Reaktion in Preußen

Kants Körper


Wir haben uns bisher nur ganz gelegentlich mit Kants Äußerem und seinem Körper beschäftigt. Suchen wir denn, ehe wir ihn in seine Altersjahre begleiten, zunächst ein Bild seiner körperlichen Umstände zu gewinnen.

Kant wird zwar von Borowski als ein Mann "von mittlerer Größe nur" bezeichnet, maß aber nach eines genaueren Beobachters (Jachmann) Zeugnis "kaum fünf Fuß". Der im Verhältnis zur ganzen Gestalt große Kopf trug eine hohe, heitere Stirn unter blonden Haaren, die freilich nach der Mode der Zeit von einer Perücke mit dem Haarbeutel verdeckt waren. Dass sie auch noch bei seinem Tode fast ganz blond waren, zeigt der im Essener Stadtmuseum aufbewahrte Haarring, der aus dem Nachlaß Wasianskis stammt, also echt sein wird. Seine Gesichtsfarbe war frisch, die Wangen zeigten bis ins Alter eine gesunde Röte. Gegenüber Schnorr von Carolsfeld, der ihn 1789 zeichnete, behauptete er, seine eine Gesichtshälfte sei magerer als die andere, was er von dem beständigen Schlafen auf der einen Körperseite bei offenem Fenster herleitete; auf seinen Bildern ist nichts davon zu bemerken, auch ist es keinem sonstigen Beobachter aufgefallen. Die Gesichtszüge waren fein, die Haut hell und so zart, dass man deutlich die Adern der Schläfen durchschimmern sah. Das Schönste in seinem Antlitz aber waren seine, wenn auch nicht besonders großen, hellblauen Augen mit ihrem meist sanf-ten, oft jedoch auch im Feuer des Geistes tief aufleuchtenden Blick und stets kindlich-offenem Ausdruck. Unter der feinen Nase ein freundlich beweglicher Mund, dessen Unterlippe ein wenig vorsprang; wie denn überhaupt der untere Teil des Gesichts, trotz des schmalen Kinns, einigen Beobachtern zufolge eine gewisse Sinnlichkeit verraten haben soll, die man dem reinen Denker nicht zutraut. Seine äußeren Sinne waren von erfreulicher Schärfe. Er besaß ein gutes Gehör, eine noch feinere Zunge, einen scharfen Geruchssinn, und seine Augen, die beide mindestens in der Nähe scharf sahen (bis eins davon in seinen späteren Jahren die Sehkraft verlor), bedurften bis in sein höchstes Alter keiner Brille.

Magerer und trockener von Körper als unser Philosoph soll nach den übereinstimmenden Berichten derer, die ihn genau kannten, kaum ein Mensch jemals gewesen sein. Sein äußerst zarter Knochen- und Muskelbau konnte kaum die Kleider festhalten, dabei waren seine Nerven so empfindlich, dass ein frisch und feucht aus der Presse kommendes Zeitungsblatt einen Schnupfen bei ihm hervorzurufen imstande war (Jachmann). Dass seine rechte Schulter etwas höher war als die linke, war wohl, wie bei manchen Gelehrten, durch sein zu vieles Sitzen am Schreibtisch verursacht. Er scherzte gelegentlich selbst darüber; so auch über seine dünnen Waden; er trage, sagte er einmal, keine schwarzen Strümpfe, weil jene in diesen noch dünner erscheinen würden. Sein Magen war stark. Die sehr flache, ja fast einwärts gebogene Brust hatte er, wie er meinte, von der Mutter geerbt. Trotz dieser schwachen Brust und der dadurch eingedämmten Lunge konnte er seine Stimme, wenn sie auch für gewöhnlich nicht laut war, doch ziemlich stark erheben.


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