Provenzalische Dichter. Sind Dichter, die im XII und XIII Jahrhundert in der provenzalischen Sprache gedichtet, auch unter dem Namen Troubadours bekannt sind und wie es scheint, nicht geringen Einfluss auf den Geschmack und die Ausbreitung der deutschen Poesie in dem so genannten schwäbischen Zeitpunkt gehabt haben. Daher verdienen sie, dass ihrer hier besonders erwähnt werde. Folgender Aufsatz über diese Materie ist von unserem Bodmer, der ehedem diesem Teil der poetischen Geschichte besondere Aufmerksamkeit gewiedmet hat.
»Die provenzalische Sprache, die in Provence und Languedok von der lateinischen des Pöbels entstanden, wie die italienische in Italien und die französische in Orleans, die alle drei von einander unterschieden sind, hat zuerst Scribenten gehabt, die ihr eine gewisse befestigte Gestalt gegeben und in derselben Werke geschrieben haben, die in Ruf gekommen und die Lust ihrer Zeitgenossen gewesen sind. Wiewohl wir die Geschichten dieser Scribenten, die der Mönch von den Inseln Hieres geschrieben und die Sammlung ihrer Werke, die Hugo von St. Cesari besorgt hat, nicht mehr haben, so sind doch die Nachrichten noch vorhanden, die Johannes von Nostradame, ein Bruder des Propheten, aus denselben zusammengelesen hat: und es sind noch hier und da Fragmente in ziemlicher Anzahl übrig, welche uns von der Denkungs- und Dichtungsart derselben das nötige Licht geben. Es ist dieselbe, die im Ciro da Pistoia, im Guido Cavalcante und in den ersten Poeten Italiens herrschte, die ihre Poesie bei den Provenzalen geholt haben.
Sie dräht sich um die Liebe, wie um ihren Pol herum: jeder hat seine Dame, die ihm gebietet und der er mit einer gewissenhaften Galanterie dient. Da waren Liebesgerichtshöfe von Cavalieren und von Damen, in welchen die Gewissensfragen der Liebe mit der pünklichsten Sorgfalt untersucht wurden. Dichter hatten ihre Epopöen, die Romanzen, in welchen die Beständigkeit in der Liebe und die Herzhaftigkeit in den abenteuerlichen Unternehmungen, die beiden Haupträder waren. Die Aventüre tat ihnen die Dienste der Musen und der heilige Gral versah sie mit Mythologie. Es fehlte ihnen aber auch nicht an sittlichen Sprüchen und Lehren, die gewiss auf gute menschliche Grundsätze gebaut und mit seinem Witz ausgebildet sind. Es ist eine solche Ähnlichkeit in dem Charakter der provenzalischen und der alten schwäbischen Poesie, dass es ganz glaublich wird, zwischen den Poeten beider Nationen sei ein genauer Umgang gewesen. Die Poesie und die Sprache haben mit dem XIV Jahrhundert abgenommen. Die tiefere Unterwerfung der Provence unter Frankreich, das Abnehmen des wunderbaren Systems von der Ritter schaft und der damit verknüpften Galanterie, die Blüthe der italienischen Sprache, mittelst der vortreflichen Scribenten in derselben – beförderten ihren Untergang.«