Possierlich

Possierlich. (Schöne Künste) Es kommt mir vor als wenn die meisten Menschen zwischen wirklichen Possen und dem Possierlichen einen Unterschied machten und unter dem letztern Namen ein gewisses niedrig Lächerliches verstehen, dessen Gebrauch nicht ganz aus den schönen Künsten zu verbannen ist, da die Possen darin durchaus nirgend zu dulden sind. Diese sind Bestrebungen der niedrigsten Narren, denen es an allem Witz und an aller Urteilskraft fehlt, durch übertriebene Ungereimtheiten lachen zu machen. Wenn aber niedrige Menschen, deren ganzer Gesichtskreis nicht über das hinausreicht, was die unterste Klasse der Menschen sieht und weiß, in ihrer Einfalt, es sei aus Laune oder aus Unwissenheit, lächerliche Dinge tun oder sprechen, die ihnen natürlich sind, so möchte dieses ungefähr so etwas sein, das man possierlich nennt. Dieses Possierliche auch von witzigen Köpfen zur rechten Zeit nachgeahmt, wäre also das, was in den schönen Künsten zu brauchen sein möchte. Ein possierlicher Kerl war unstreitig Sancho Pantza und ich denke, es werde kein Mensch vom Geschmack sich scheuhen zu gestehen, dass dieser trefliche irrende Stallmeister ihm beinahe so viel Vergnügen gemacht habe als sein Herr selbst.

Wir können zum Possierlichen auch die Karikaturen und was ihnen ähnlich ist, rechnen; wo natürliche ins seltsame fallende Fehler auf eine geistreiche Art etwas weiter getrieben und in ein helleres Licht gesetzt werden.

 Man kann von dem Possierlichen einen doppelten Gebrauch machen; denn es dient entweder bloß zur Belustigung oder zur Verspottung gewisser ernsthafter Narrheiten. Die es zur ersteren Absicht brauchen wollen, haben doch dabei zu bedenken, dass das, was man eigentlich Belustigung und Ergötzlichkeit nennt, von verständigen Menschen nie als ein Hauptgeschäft oder eine Hauptangelegenheit, betrieben werde. Sie ist als eine Erfrischung des Gemüts, das durch wichtigere Geschäfte ermüdet oder zu einer allzu ernsthaften Stimmung gekommen, anzusehen. Und diejenigen, die gern einen Hauptstoff daraus machen möchten, den die Künstler vorzüglich zu bearbeiten haben, würden die Sache eben so übertreiben als die, welche die Lustbarkeiten als eine Hauptangelegenheit des Lebens der Menschen ansehen. Nun ist wohl keine verständige Nation, wo nicht die Art Menschen, die keine wichtigere Angelegenheit kennt als ihr Leben in beständiger Lustbarkeit zuzubringen, ihres Rangs und Reichtums ungeachtet als eine Klasse sehr wenig bedeutender Menschen angesehen wird. Darum müssen wir auch, da der Fall ganz ähnlich ist, eben dieses Urteil von der Klasse der Künstler fällen, die das bloß belustigende Possierliche zu einem Hauptstoff der schönen Künste machen.

 Es gehört freilich sehr viel Originalgenie und Scharfsinn dazu, im Possierlichen so glücklich zu sein als Plautus, Cervantes in dem Don Quichotte, Buttler in seinem Hudibras oder Hogarth in seinen Zeichnungen. Aber man muss immer bedenken, dass die schönen Künste noch eine höhere Bestimmung haben als nur den Originalgeistern lustiger und witziger Art Gelegenheit sich zu zeigen, an die Hand zu geben. Die Kunst ist nicht des Künstlers, sondern dieser ist der Kunst halber da.

 Wichtig kann der Gebrauch des Possierlichen dadurch werden, dass es zur Verspottung gewisser wichtiger Narrheiten, politischer, sittlicher oder religiöser Schwermereien, die unter den Menschen große Verwüstung anrichten könnten, mit viel Nachdruck kann gebraucht werden. Einem Menschen, der nur noch etwas von Ehrliebe hat, kann nichts empfindlicher sein als in einem possierlichen Lichte zu erscheinen; weil es gerade die verächtlichste Seite ist, in der sich ein Mensch zeigen kann. Mancher scheuhet sich viel weniger davor, dass er für lasterhaft als dass er für possierlich gehalten werde. Ein Künstler, der sich diese Gesinnungen der Menschen zu bedienen weiß, kann dadurch viel ausrichten, um sie im Zaum zu halten. Wir haben aber hiervon schon anderswo auch gesprochen.1

 

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1 S. Lächerlich, Parodie, Spott.

 


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