Preludieren. Preludium

Preludieren. Preludium. (Musik) Die Organisten pflegen in den Kirchen, ehe der Gesang angeht, auf der Orgel zu spielen, um dadurch die Versammlung zur Anhörung des Gesangs vorzubereiten. Dieses vorläufige Spiel der Orgel wird Preludieren, das, was man dabei spielt, Präludium genannt. So geschieht es bisweilen auch bei Konzerten, dass der, welcher auf dem Clavicembalo die Hauptbegleitung führt, vorher auf seinem Instrument preludirt. Da mir über diese Materie ein Aufsatz von einem sehr geschickten Virtuosen zugestellt worden, so will ich denselben hier ganz einrücken.

 »Das Preludieren ist hauptsächlich nur in der Kirche gebräuchlich und geschieht auf der Orgel, entweder vor einer Kirchenmusik oder vor einem Choral, den die Gemeinde singt. Im letztern Falle liegt dem Organisten ob, die Melodie des Chorals der Gemeinde vorzuspielen. Hat der Organist nun Zeit und Geschicklichkeit, so fängt er mit einem Vorspiel an, worin in einem der Kirche anständigen Vortrage der Sinn des Liedes ausgedrückt und die Gemeinde zu der Gemütsfassung vorbereitet wird, worein das Lied sie setzen soll; dann hebt er auf einem anderen Klavier mit einem durchdringenden Anzug, die Melodie des Liedes mit langen Noten an und begleitet dieselbe mit Sätzen aus dem Vorspiel. Dieses erfordert nun große Einsichten und Fertigkeit in die Versetzungen der Kontrapunkte, ohne welches der Organist die Verbindung seines Vorspiels mit der Melodie des Liedes nicht bewerkstelligen kann; denn er wird entweder daraus zwei verschiedene Stücke machen oder abgedroschene Sätze hören lassen, die sich zu jedem Vorspiele und zu jedem Chorale schicken, welches unangenehm ist.

 »Man preludiert aber nicht allezeit auf diese Art, ob sie gleich die gewöhnlichste und die schicklichste ist, den Ausdruck zu befördern, worauf aber von den Organisten selten gesehen wird. Alle mögliche Künsteleien, die über einen Choral zu machen sind, (nachdem man ihn bald oben, bald unten, bald in der Mitte, bald im Kanon, per augmentationem oder diminutionem oder alla stretta, wo alle Verse der ganzen Strophe sich zu gleicher Zeit hören lassen, u.s.w. durchführt) können zu Preludien dienen, wenn der Organist die Geschicklichkeit dazu hat oder wenn er sie auch vorher aufgesetzt und auswendig gelernet hat. So hat Joh. Seb. Bach den Choral: Vom Himmel hoch da komm ich her. mit canonischen Veränderungen herausgegeben, denen an Kunst schwerlich etwas gleich kommt und kommen wird, die alle zu Preludien geschickt sind, aber dem Ohre wegen des großen Zwanges, den diese Gattung von Komposition verursacht, nicht sonderlich schmeicheln, ja ihm nicht einmal faß lich sind.«

 »Die Preludien vor Kirchenmusiken dienen auch dazu, dass die Instrumentisten Gelegenheit haben, ihre Instrumente zu stimmen: daher muss der Organist, wenn die Orgel im Kammerton gestimmt ist, sich so lange in D dur aufhalten, bis alle Instrumente gestimmt sind, weil diese Tonart dazu am geschicktesten ist und dann durch wohl gewählte Modulationen in die Tonart übergehen, worin die Kirchenmusik anfängt. Das Geräusch der Instrumente bei solchen Preludien ist Schuld daran, dass hier nicht wohl auf den Ausdruck gehalten werden kann.«

 »Auf dem Flügel vor Musiken zu preludiren, ist nicht allenthalben im Gebrauch. Eine Folge von arpeggirten Akkorden ist diesem Instrument am natürlichsten.«

 »Unangenehm ist es, wenn vor einer aufzuführenden Musik jeder auf seinem Instrument preludirt oder sich in Passagen übt. Wer in einem Lande ist, wo diese üble Gewohnheit eingerissen ist, muss sich das Vergnügen, das ihn die Anhörung einer guten Musik gewähren soll, durch tausend Marter erkaufen. Daraus entsteht auch noch das Böse, dass Niemand sein Instrument rein stimmen kann, weil keiner vor dem anderen zu hören im Stande ist. Das allerübelste dabei ist, dass es gewisse Musiken gibt, wo auch das vortreflichste Preludium den Ausdruck, der in dem Anfan ge der Musik liegt, vertilgen kann.«

 »Es gibt eine Menge Stücke, die den Namen Preludium führen, auf denen gemeiniglich eine Fuge folgt, die aber keinen bestimmten Charakter haben und selten zu Vorspielen geschickt sind. Oft sind es ganz strenge, oft freiere Fugen, oft sind sie von einer taktlosen Phantasie nur durch den Takt unterschieden, oft auch ist es ein bloßer Satz von 6 oder 8 Noten, der beständig entweder in der geraden oder Gegenbewegung gehört wird und womit auf eine künstliche Art modulieret wird etc. Die besten Preludien sind ohnstreitig die von J. S. Bach, der deren eine Menge in allen Arten gemacht hat.«

 


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