Das Schlemmerparadies
Kennen Sie den erfreulichen Zustand, in dem man sich befindet, wenn man sich über und über kalt abgebraust hat –? Die gereinigten Poren atmen die frische Luft ein, die Blutzirkulation ist erhöht, die Muskeln fühlen sich selbst und sind froh darüber – das Ganze ist hoch ergötzlich. So eine reine Luft weht in dem entzückenden Buch: »Das Schlemmerparadies« von Hans W. Fischer (bei Rösl & Cie. in München erschienen).
Die Lebensbreviere, die wir hier so in Deutschland haben, sind ja im allgemeinen ein Scheul und ein Greul. (Wenn die Lebenskünstler »Angostura« sagen, tauschen sie nicht mit den Goncourts.) Aber wie hier bei Fischer der Genuß am Essen, am Rauchen und am Trinken ausgekostet ist, ohne dass man jemals den Eindruck der Spießigkeit oder des Snobismus hat: das ist wirklich heiter. Er sagt so hübsche Sachen über das innere Wesen dieser Gegenstände, die wir Menschen uns einverleiben, er sagt sie so verständig und so nett! Speisen sind so beschrieben, dass einem auch nur halbwegs charaktervollen Menschen die Appetitfäden in perlenden Schnüren zu laufen beginnen. »Wer mit einem Paukenschlag beginnen will, probiert eine echte Hamburger Aalsuppe, auf dem Schinkenknochen gekocht … « Die Anschaulichkeit aller Schilderungen erinnert an die guten alten Stilleben, wo sich Maler und Beschauer liebevoll ins physische und metaphysische Innere der Hammelkeulen versenkten …
Und das Buch ist so angenehm norddeutsch. Es ist ganz unjüdisch – was in diesem Falle ein Vorzug ist –, denn an schmückenden ästhetisierenden Beiwörtern haben wir – heiliges Prag! – übergenug. Dies Buch ist kühl und warm zugleich – es gibt gewisse Liliencronsche Saufgedichte, an die es lebhaft und auf das schönste erinnert. Und dass Hans W. Fischer sogar diejenige Seite der Liebe, die gewissermaßen als Dessert serviert werden kann, ohne dass die Frauen dadurch erniedrigt zu werden brauchen, so zart und sauber geschildert hat: das macht das Buch zu einem literarischen Leckerbissen des Gourmets.
Das Werkchen gehört selbst ins Schlemmerparadies.
Peter Panter
Die Weltbühne, 26.01.1922, Nr. 4, S. 105.