Fjodor M. Dostojewski
(1821-1881)
„O sagen Sie mir doch, wer war der erste, der die Behauptung aufstellte und die Lehre verkündete, der Mensch begehe nur deswegen Schlechtigkeiten, weil er seine wahren Interessen nicht kenne; wenn man ihn darüber aufkläre, ihm die Augen über seine wahren, normalen Interessen öffne, dann werde der Mensch sogleich aufhören, Schlechtigkeiten zu begehen, und sogleich gut und edel werden; denn wenn er über seinen wahren Vorteil aufgeklärt sei und diesen verstehe, so werde er im Guten seinen eigenen Vorteil erkennen; nun könne aber bekanntlich kein Mensch wissentlich gegen seinen eigenen Vorteil handeln; folglich werde er mit Notwendigkeit anfangen, das Gute zu tun. O du Säugling! O du reines, unschuldiges Kind!“
Fjodor Dostojewski, Aufzeichnungen aus dem Kellerloch
Werke von Fjodor M. Dostojewski
- Romane
- Novellen und Erzählungen
Über Dostojewski auf textlog.de
„Aus dürftigen Verhältnissen war er gekommen, und als er starb, da folgte im Geiste ganz Rußland seinem Trauerzug. Er, der Schaffensfreudige, der Lebensmutige, der immer Trost für sich und seine Freunde wußte, er war der Arbeitsunfähigste unter allen, war mit der schrecklichen Krankheit der Epilepsie behaftet, die ihn für Tage, für Wochen oft an jedem Vorwärtsschreiten gehindert hat. Der Staatsverbrecher, der vier Jahre lang an seinen Beinen in Tobolsk Ketten trug, der weitere vier Jahre als Sträfling in einem sibirischen Linienregiment Dienste versah, dieser edle, unschuldige Dulder zieht aus seinem Kerker mit den Worten und dem Gefühl im Herzen: »Meine Strafe war gerecht, denn ich habe gegen die Regierung böse Absichten gehabt, aber es ist schade, daß ich jetzt für Theorien, für eine Sache leiden muß, die nicht mehr die meinen sind.« Ganz Rußland aber leugnete seine Schuld und begann zu ahnen, daß ein Wort, ein Ding sein eigenes Gegenteil bedeuten kann.“
„Das Schicksal der Welt stellt sich Dostojewskij im Medium des Schicksals seines Volkes dar. Das ist die typische Anschauungsweise der großen Nationalisten, nach der die Humanität nur im Medium des Volkstums sich entfalten kann. Die Größe des Romans offenbart sich in der absoluten gegenseitigen Abhängigkeit, in der die metaphysischen Gesetze der Entfaltung der Menschheit und der Nation dargestellt werden. Es findet sich daher keine Regung des tiefen menschlichen Lebens, die nicht in der Aura des russischen Geistes ihren entscheidenden Ort fände. Diese menschliche Regung inmitten ihrer Aura, gelockert frei im Nationellen schwebend und doch untrennbar von ihm als von seinem Orte darzustellen ist vielleicht die Quintessenz der Freiheit in der großen Kunst dieses Dichters.“