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Edmund Husserl

(1859-1938)

Husserl in Eislers Philosophen-Lexikon

Husserl, Edmund, geb. 1859 in Proßnitz (Mähren), Prof. in Göttingen [† 27. April 1938 in Freiburg im Breisgau].

Husserl, einer der Hauptvertreter der „reinen“, antipsychologistischen Logik (von Plato, Leibniz, Kant, Herbart, Bolzano u. a. beeinflußt) ist von Brentano ausgegangen und war also erst „Psychologist“. In der „Philosophie der Arithmetik“ untersucht Husserl fundamentale Begriffe wie Einheit, Vielheit, Allheit. Etwas und Eins, Vielheit und Anzahl sind Kategorien, Relationsbegriffe. Die zeitliche Sukzession ist nur für die Entstehung der Zahlvorstellungen unerläßlich, ohne daß die zeitliche Ordnung in den Inhalt des Zahlbegriffs selbst eingeht. Die Zahl ist nicht ein Teil des psychischen Erlebnisses, sondern eine zeitlose „ideale Spezies, die im Sinne der Arithmetik schlechthin eine ist, in welchen Akten sie auch gegenständlich werden mag“.

Die reine Logik ist eine formale, apriorische, demonstrative, von der Psychologie unabhängige Wissenschaft, welche die Grundlage der wissenschaftlichen Erkenntnis liefert. Sie hat es nicht mit den Denkakten der Subjekte zu tun, sondern mit den „objektiven Geltungseinheiten“, den idealen Bedeutungen derselben, mit „idealen Möglichkeiten“, welche zeitlos, unabhängig vom wirklichen Denken gelten. Der „Idealismus“ ist jene Form der Erkenntnistheorie, „welche das Ideale als Bedingung der Möglichkeit objektiver Erkenntnis überhaupt anerkennt und nicht psychologistisch wegdeutet“. Der Logik geht zur eindeutigen Bestimmung ihrer Begriffe und Ausdrücke die deskriptive „Phänomenologie“ voran, welche zeigt; was die logischen Begriffe wirklich bedeuten, auf welche Inhalte sie sich beziehen. Die Ausdrücke haben außer ihrer „kundgebenden“ Funktion eine Bedeutung. Die objektiv-ideale „Bedeutung an sich“ (vgl. Bolzano) ist vom subjektiven Bedeutungsakte zu unterscheiden. Ebenso ist das ideale Gelten der Wahrheit vom psychologischen Sein des Gedachten und Denkens zu unterscheiden. Dieses objektive Sein ist das Korrelat zur „Evidenz“, dem „Erlebnis der Wahrheit“. „Das Erlebnis der Zusammenstimmung zwischen der Meinung und dem Gegenwärtigen, Erlebten, das sie meint, zwischen dem erlebten Sinn der Aussage und dem erlebten Sachverhalt ist die Evidenz, und die Idee dieser Zusammenstimmung die Wahrheit.“ Die Erlebnisse sind reale Einzelheiten, zeitlich bestimmt, werdend und vergehend. Die Wahrheit aber ist ewig, sie ist „eine Idee und als solche überzeitlich“, eine „Geltungseinheit im unzeitlichen Reiche der Ideen“. „Was wahr ist, ist absolut, ist ‚an sich‘ wahr; die Wahrheit ist identisch eine.“ Der Charakter der Wahrheit kommt nicht dem flüchtigen Erkenntnisphänomen zu, sondern dem „identischen Inhalte desselben, dem Idealen oder Allgemeinen“. Die Wahrheit ist die „volle Übereinstimmung zwischen Gemeintem und Gegebenem als solchem“. Es gibt „individuelle“ und „generelle“ Wahrheiten. Das Ich schwebt nicht über den Erlebnissen, sondern ist identisch mit ihrer eigenen Verknüpfungseinheit; es ist eine „einheitliche Inhaltsgesamtheit“: Die Dinge sind die „durch eine Kausalgesetzlichkeit einheitlich umspannten Konkreta“.

Husserls „Logische Untersuchungen“ haben nicht geringen Einfluß ausgeübt, aber auch scharfe Gegnerschaft (Jerusalem, Palágyi, Maticevic u. a.) hervorgerufen.

Schriften: Philosophie der Arithmetik I, 1891. - Logische Untersuchungen: I. Prolegomena zur reinen Logik, II. Untersuchungen zur Phänomenologie und Theorie der Erkenntnis, 1900-01. - Archiv f. systemat. Philos. IX. - Philos. Monatshefte XXX (Psychol. Studien zur elementaren Logik), u. a.

(Aus: Rudolf Eisler (1876-1927): Philosophen-Lexikon. Leben, Werke und Lehren der Denker, 1912)

Schriften von Edmund Husserl

Cartesianische Meditationen
Edmund Husserl: Cartesianische Meditationen, 1929
„Encyclopaedia Britannica“-Artikel
Edmund Husserl: „Encyclopaedia Britannica“-Artikel, 1927