Michelangelo



- San Pietro Vincoli: Grabmal Julius II.


Während Michelangelo sich mit diesen Gemälden beschäftigte, war er endlich auch der Sorge um das Grabmal Julius II. enthoben worden, die sich wie ein Fluch durch einen großen Teil seines Lebens zog. Denn volle vierzig Jahre hatte er mit den Widerwärtigkeiten und Seelenleiden zu kämpfen gehabt, die ihm aus diesem glänzenden und ehrenvollen Auftrage des Papstes Julius II. erwachsen waren. Dieser hatte ihm nämlich das Grabmal um 10,000 Dukaten, eine Summe, die nach seinem Tode auf 16,000 erhöht wurde, verdungen, ehe er aber starb, hatte er noch verordnet, dass dasselbe in einem kleineren Massstabe, für welchen Michelangelo eine neue Zeichnung entwarf, ausgeführt werden sollte, und die Besorgung dieser Angelegenheit seinem Neffen Lionardo Grossi delle Rovere, Kardinal Fürstbischof von Agens, und dem Florentiner Lorenzo Pucci, nachmaligem Kardinal di Santi quattro, übertragen. Nach seinem Tode hatte nun Michelangelo auch jede irgend freie Zeit dem Denkmal gewidmet, aber, von den großen Aufträgen, denen er sich mit dem besten Willen nicht entziehen konnte, fast erdrückt, den eingegangenen Verpflichtungen nicht vollkommen Genüge leisten können. Trotzdem nun, dass die Bevollmächtigten Julius II. die Unmöglichkeit des Künstlers einsahen, sich den Bestellungen der Päpste zu entziehen und mit dem Grabmal zu beschäftigen, bestürmten sie ihn dennoch unaufhörlich mit Vorwürfen und Angriffen, sogar zum Teil der niedrigsten Art, die ihn, gleich einem Gespenst, bei Allem, was er unternahm, verfolgten. Da kam endlich im Jahr 1532 mit dem Erben Julius II., dem Herzog Guidobaldo II. von Urbino, ein neuer Vertrag zu Stande, wonach Michelangelo ein neues einfacheres Modell zu machen und nur noch die sechs bereits angefangenen Figuren eigenhändig zu vollenden haben sollte. Diesen Vertrag hob jedoch Clemens VII. durch ein Breve wieder auf, damit Michelangelo ungestört am jüngsten Gericht fortarbeiten könnte und Paul III. bestätigte 1537 dasselbe. Aber als selbst dieses große Werk seiner Vollendung nahte, schien für die Angelegenheit des Grabmals noch keine günstigere Wendung eintreten zu wollen, denn Michelangelo sollte dann die Malereien in der paulinischen Kapelle übernehmen. Paul III. forderte deshalb im Jahr 1541 den Herzog von Urbino auf, den Künstler auch noch der eigenhändigen Ausführung der sechs Statuen zu entheben, etwa unter der Bedingung, dass sie unter seiner Leitung von ändern Meistern ausgeführt würden, worauf der Herzog in einem eigenhändigen Schreiben dem Künstler gestattete, dass drei von den sechs bedungenen Figuren von ändern Meistern ausgeführt werden dürften, wofern er die ändern drei, worunter den Moses, mit eigener Hand vollende. Die anstrengenden Arbeiten am jüngsten Gericht nötigten indessen Michelangelo, bei allem warmen und rein künstlerischen Interesse an dem Werke, das durch alle Verhandlungen hindurchgeht, um eine abermalige Abänderung des Vertrags zu ersuchen, die ihm 1542 auch gewährt wurde. Nach derselben lag ihm nur noch die eigenhändige Ausführung des Moses und die Besorgung der fünf ändern Statuen durch Raffaello da Montelupo auf seine eigenen Kosten ob. Er führte jedoch später die Statuen der Lea und Rahel auch noch eigenhändig aus. So wurde 1545 endlich das nach einem viel vereinfachteren Plane ausgeführte Monument in S. Pietro in Vincoli aufgestellt. —

Das Grabmal Julius II., ein ziemlich baroker Wandbau, macht einen unerfreulichen Eindruck. Die Statuen stehen zwischen zwei sich übereinander erhebenden Reihen von Pfeilern. Die vier in der oberen aufgestellten: ein Prophet und eine Sibylle (von Rafaello da Montelupo), die auf einem Sarkophag liegende Bildsäule des Papstes (von Maso dal Bosco) und die hinter derselben in einer Nische stehende Statue der heil. Jungfrau mit dem Kinde (von Scherano da Settignano) sind nach Michelangelos Modellen ausgeführt. In der Mitte der unteren Reihe sitzt die kolossale Statue des Moses, der in dem Moment aufgefasst scheint, wo er die Verehrung des goldenen Kalbes erblickt und aufspringen will. Diese mächtige Gestalt mit dem strengen Charakter des Kopfes, der niederschmetternden Gewalt des Ausdrucks, ihren nackten Armen, dem bis zum Nabel niederwallenden Barte, gewährt den Anblick eines über die gewöhnliche Menschheit erhabenen Wesens, entsprechend jenem großen Führer des auserwählten Volk Gottes, dem Gott nicht in der Gestalt der Liebe, sondern im feurigen Busche, mit der Strenge seiner Gesetze erschien. Das Antlitz ist von hoher Schönheit und alle nackten Körperteile sind ihrer riesigen Bildung und Bewegung gemäß charakteristisch belebt. Das Gewand hat einen schönen Wurf und die Behandlung, besonders des Barts, dem die alte Kunst nichts Ähnliches an die Seite stellen kann, ist bewundernswürdig. Doch ist ein gewisses Haschen nach Effekt darin nicht zu verkennen. Zu beiden Seiten des Moses stehen Lea und Rahel, nach der von Dante angewandten Allegorie in der Bedeutung des tätigen und beschaulichen Lebens.

Nach Beendigung der Gemälde in den beiden Kapellen des Vatikans führte Michelangelo, da er nicht mehr malen, sein Geist aber nicht untätig bleiben konnte, eine Kreuzabnahme in vier über lebensgroßen Figuren aus, die aber unvollendet blieb und ein ziemlich unerquickliches Werk genannt werden muss (gegenw. hinter dem Hauptaltar im Dome zu Florenz). In diese Zeit dürfte übrigens auch das vortreffliche Bildnis Paul III. fallen, das, aufs Vollendetste in Marmor ausgeführt, im königl. Museum zu Neapel aufbewahrt wird. Endlieh sorgte Michelangelo eigenhändig für sein Grabdenkmal, für welches er wohl jene Pietà, welche jetzt in dem Hof des Palastes Rodanini zu Rom steht, begonnen haben mag, die ihm in der Folgezeit wiederum übertragenen großartigen Unternehmungen hinderten ihn aber an dessen Vollendung.  

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