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449. Empfangen¹⁾. Erhalten²⁾.
Bekommen³⁾. Kriegen⁴⁾.

1) To receive.
2) Obtain.
3) & 4) Get.
1) Recevoir.
2) Obtenir.
3) & 4) Recevoir (acquérir).
1) Ricevere.
2) Ottenere.
3) Toccare (avere).
4) Pigliare (prendere).

Bekommen (ahd. biquëman, d. i. zu jemand kommen) ist der allgemeinste Ausdruck; was wir bekommen, das kann zu uns kommen, ohne daß wir dabei handelnd und tätig sind, und ohne daß dabei an ein bestimmtes Subjekt gedacht wird, von dem das, was wir bekommen, zu uns gelangt. So sagt man: Er hat das Fieber, die Pocken usw., die Bäume haben Blätter, Wurzeln usw. bekommen. Es wird daher auch von allen natürlichen Veränderungen gesagt, sie mögen günstige oder ungünstige sein; denn die Ursachen derselben sind meistens unbekannt. Empfangen und erhalten weisen dagegen stets auf ein ganz bestimmtes Subjekt hin (was der allgemeine Ausdruck bekommen auch tun kann), von dem der Gegenstand, der in Empfang genommen wird, ausgeht; empfangen aber hebt das Entgegennehmen des Gegenstandes, erhalten (eig. etwas so bekommen, daß man es fest hat) das Übergehen in dauernden Besitz hervor. Empfangen stellt also denjenigen, der etwas bekommt, als tätig, handelnd dar. Der Bote empfing Geld, um es in der Stadt abzuliefern, d. h. er nahm es entgegen, ohne daß es in seinen Besitz überging; erhalten würde hier nicht korrekt sein; aber: Der Bote erhielt für seinen Gang Geld, d. h. als Lohn, das Geld ging in seinen Besitz über; hier könnte auch empfangen stehen, doch würde dieses mehr die Handlung des Entgegennehmens bezeichnen. Kriegen (das alte Kriegen bedeutete sich anstrengen, ringen, streben, sowohl körperlich wie geistig; sinnliche Grundbedeutung: mit Armen und Beinen arbeiten, verwandt mit krageln) ist gegenwärtig vorwiegend in der Umgangssprache gebräuchlich, doch auch in höherer Sprache als Kraftausdruck für fassen, packen, oder für bekommen. Man sagt: einen beim Kragen kriegen, ein Mädchen beim Kopfe kriegen (liebkosen) u. dgl. Wieviel kriegen Sie? fragt man einen Boten. Goethe gebraucht das Wort nicht selten. „Ich kriegte ihn zum Glück am Schopf zu packen; — wenn mich nun die Leute zu packen kriegen ...“ Goethe, Clav. 4. „Wir hatten den Tag vorher durch unsere Spione Wind gekriegt.“ Schiller, Räuber II, 3. Bei kriegen in der Bedeutung fassen, packen, ergreifen denken wir jetzt gewöhnlich an ein zufälliges Ergreifen; was einem der Zufall so von ungefähr in die Hand gibt, das kriegen wir in die Hand. „Gestern hab ich einen wunderbaren Tag gehabt, habe nach Tisch von ohngefähr Werthern in die Hand gekriegt, wo mir alles wie neu und fremd war.“ Goethe, an Frau von Stein. Besonders häufig ist das Wort in der Umgangssprache in den drohenden Ausrufen: „Nun, den will ich schon kriegen! oder: Warte, dich will ich kriegen!“ d. i. darankriegen, mit harten Worten anlassen oder sonst in einer Weise mit irgend einer Strafe oder auch Rache treffen. „Nun warte nur, ich krieg ihn schon.“ Goethe. Die oben angeführte Häufung: einen zu packen, zu fassen kriegen ist eine Verstärkung des einfachen kriegen. „Ich habe den grünen Zweig der Gesundheit wieder fest zu packen gekriegt.“ Bürger. Rudolf Hildebrand erklärt in Grimms Wörterbuch diese Wendung so, daß sie bedeute: „Durch Rechtsspruch das gewinnen (kriegen), daß man etwas als sein eigen anfasse (packe).“ Auch in der volkstümlichen Wendung: „Du wirst es kriegen!“ „Du wirst es schon kriegen!“ (d. i. Tadel, Strafe, Schläge oder ähnl. kriegen) ist das Wort sehr gebräuchlich, wie man auch in diesem Sinne sagt: etwas abkriegen. „Wir kriegens ab für unsern Frevel.“ Goethe. Häufig hat kriegen auch die Bedeutung: etwas geschenkt bekommen, die in den andern Wörtern nicht unmittelbar liegt. „Von wem hast du das gekriegt?“ (d. i. geschenkt erhalten; wer hat dir das geschenkt?) fragt häufig ein Kind das andere, oder Dienstboten fragen einander: „Was hast du zu Weihnachten gekriegt?“ (d. i. das Geschenk bekommen). Hierher gehört besonders die Redewendung „Kinder kriegen“, die damit wohl als ein Geschenk Gottes bezeichnet werden sollen. Ebenso sagt man: einen Mann, eine Frau, eine Braut kriegen (d. i. als Gabe erhalten; zugleich klingt hier aber die Bedeutung: erringen, mit Mühe gewinnen mit herein). Wie schon die verbreitete Wendung „Kinder kriegen“ andeutet, weist kriegen besonders auf Gott als den Geber oder allgemeiner auf die Natur als Geberin hin; daher die Wendungen: graue Haare kriegen, Zähne kriegen, ein steifes Bein kriegen, Rheumatismus kriegen, neue Kräfte kriegen usw. Umgekehrt bedeutet aber kriegen häufig auch ein gewinnen mit Mühe, z. B.: Ich konnte keine Luft kriegen, ich konnte das nicht klar kriegen, Lohn, Geld kriegen; wo soll ich das herkriegen? usw. Nicht immer läßt sich das kraftvolle, volksmäßige kriegen durch das kraft- und farblose bekommen ins Schriftdeutsch übertragen; es empfiehlt sich vielmehr hier nach anderen Wendungen zu suchen, z. B. fassen, nehmen, gewinnen, bringen, erringen u. a., z. B.: Ich kann die Streitenden nicht auseinanderkriegen (d. i. auseinanderbringen); ich kann das Brett nicht loskriegen (d.i. losbringen); morgen will ich ihn vorkriegen, darankriegen (d. i. vornehmen, darannehmen); ich konnte keinen Platz kriegen (d. i. erringen, gewinnen); endlich kriegte die Sache Gestalt (d. i. gewann); jemand zum Freunde kriegen (d. i. gewinnen); wo soll ich das herkriegen? (d. i. mir verschaffen) usw. Es ist bedauerlich, daß das schöne kraftvolle Wort kriegen aus unserer Schriftsprache so gut wie verbannt ist; in der Volkssprache ist seine Verwendung und Bedeutung geradezu unerschöpflich. Könnte das Wort für die Schriftsprache wieder gewonnen werden, so wäre das sicher ein großer Vorteil. Jedenfalls muß aber der Reichtum an Gedanken Schattierungen, den das Wort enthält, dadurch wiedergegeben werden, daß man es je nach dem Sinne durch die verschiedenartigsten Wörter in der gewählten Rede ersetzt, nicht immer bloß durch das stereotype bekommen oder erhalten.