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442. Einschlafen¹⁾. Entschlafen²⁾.

1) To fall asleep. S’endormir (s’assoupir).
Addormentarsi.
2) To go to sleep (to die). S’endormir (expirer doucement, décéder).
Morire (spirare tranquillamente).

Die Vorsilbe ent- bedeutet entweder gegen, wider, oder sie drückt ein Beginnen aus (inchoatives ent-), oder sie heißt soviel wie weg, los, ab (privatives ent-). In entschlafen (ahd. intslâfan) ist die Vorsilbe das inchoative ent- und deutet also den Beginn des Schlafens an. Von einschlafen unterscheidet es sich dadurch, daß es in gehobener, gewählter Sprache üblich ist, während einschlafen das gebräuchliche Wort der Umgangssprache ist. Ferner wird entschlafen auch auf den Übergang vom Leben zum Tode übertragen, und wir nennen Verstorbene Entschlafene; Eingeschlafene könnte hier nicht stehen. „Geuß du deine Freuden auf die, die in Christus entschlafen | gnadenvoll aus!“ Klopstock, Mess. 13, 660. — Auch einschlummern, entschlummern, einnicken, eindämmern, einduseln sind sinnverwandt mit den genannten Ausdrücken. Einschlafen und einschlummern, sowie entschlafen und entschlummern unterscheiden sich wie schlafen und schlummern. Schlummern deutet in der Regel auf einen leisen Schlaf; zuweilen dienen die Ausdrücke Schlummer und schlummern in dem höheren Stil jedoch nur als gewähltere Bezeichnungen für Schlaf und schlafen, z. B. in den Worten Schillers: „Nimmer erweckt ihn der fröhliche Reigen; | denn der Schlummer der Toten ist schwer.“ Einschlummern und entschlummern bezeichnen also, wo sie nicht lediglich als die gewählteren Ausdrücke stehen, den Übergang in einen leisen, sanften Schlaf, aus dem man leicht erwacht und der daher gewöhnlich von kurzer Dauer ist. Von einem Mädchen, das am Fenster sitzend von einem leichten Schlaf überrascht wird, sagt man: Sie war eingeschlummert; ist das Mädchen aber des Nachts als Wärterin an einem Krankenbett tätig gewesen oder sonst durch anstrengende Arbeit erschöpft, so wird der Schlaf kein leiser, sondern ein tiefer sein, und man sagt: Sie war fest eingeschlafen. Eindämmern und einnicken sind in gewählter Sprache nicht üblich, sie sind volksmäßige Ausdrücke der Umgangssprache. Dämmern deutet ursprünglich den Zwischenzustand zwischen hell und dunkel, den Übergang vom Tage zur Nacht und von der Nacht zum Tage an, z. B. der Abend dämmert, der Morgen dämmert. Es wird aber nun in der Volkssprache auch von dem Übergangszustande zwischen Wachen und Schlafen gebraucht, von dem Übergange des hellen, klaren Bewußtseins in den Zustand des durch den beginnenden Schlaf verdunkelten Bewußtseins. Eingedämmert ist also der, welcher zwischen Wachen und Schlafen schwebt. „Ich war beim Lesen ein wenig eingedämmert.“ „Ein bißchen dämmern, wie sie den diensterlaubten Halbschlaf nennen.“ Gutzkow. Einnicken wird hauptsächlich von jemand gebraucht, der im Sitzen eingeschlafen ist und dessen Haupt sich dabei etwas herabgeneigt hat (daher nicken, ein Iterativum zu neigen, wie schmücken zu schmiegen oder bücken zu biegen). „Der Großvater war im Lehnstuhl eingenickt.“ „Wenn sie am Abend lesen und zwischendurch einnicken und wieder aufwachen.“ Goethe. Sanders bringt auch aus Gutzkows Werken den Ausdruck: der Nicker für Schlummer bei. Einduseln ist ein Ausdruck, der höchstens als kräftiger Volksausdruck in volkstümlichen Erzählungen einmal vorkommt, sonst aber nur der niedrigen Sprechweise angehört. Dusel deutet eine Um-nebelung der Sinne an; so sagt man z. B. auch, wenn jemand berauscht ist: er ist beduselt, oder er ist im Dusel. Weil nun der Schlaf in ähnlicher Weise die Klarheit des Bewußtseins verdunkelt, so nennt man den Zustand des beginnenden Schlafes, den Zustand zwischen Schlafen und Wachen auch Dusel. „Nach dem Abendessen duselte er in seinem Sorgenstuhl ein.“ Melchior Meyr, Erzählungen aus dem Ries.

Dem intransitiven einschlafen steht das transitive einschläfern gegenüber. „Dieser Wein schläfert mich ein.“ Auch eindämmern wird zuweilen transitiv gebraucht, z. B.: „Sanfte Musik läßt sich hören und dämmert sie ein.“ Man findet bei einzelnen Schriftstellern auch: einen einschlummern; doch ist der transitive Gebrauch dieses Verbums ungewöhnlich und nicht zur Nachahmung zu empfehlen. Jemand einlullen bedeutet eigentlich: ihn durch Gesang eines Wiegenliedes in Schlaf versetzen. „Die Amme lullt das Kind ein.“ Dann bedeutet es aber auch ein sanftes, den aufgeregten Sinn oder das empörte Blut beruhigendes Einschläfern, z. B.: „Hypothesen sind Wiegenlieder, womit der Lehrer seine Schüler einlullt.“ Goethe. Lullen ist eine neuhochdeutsche, schallnachahmende Bildung.