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452. Empfindsamkeit¹⁾. Gefühl²⁾. Empfindlichkeit³⁾.

1) Sentimentality.
2) Feeling.
3) Sensitiveness.
1) Sentimentalité (délicatesse de sentiment).
2) Sentiment
3) Sensibilité (sensiblerie, susceptibilité extrême).
1) Delicatezza (tenerezza) di sentimento.
2) Sentimento.
3) Sensibilità (suscettibilità, risentimento).

Empfindlichkeit bezeichnet die größte Empfänglichkeit für sinnliche Erregung. Man legt daher Empfindlichkeit auch dem Körper bei, sofern er für Eindrücke von äußern Dingen in einem höhern Grade empfänglich ist. Der menschliche Körper ist nach einer Krankheit gewöhnlich empfindlicher, d. i. er empfindet die Eindrücke von Kälte und Wärme usw. stärker. Ebenso spricht man von einem Herzen, das für das Gute, das Schöne, das Wahre empfindlich, von einem Charakter, der nur für Ruhm, Ehre usw. empfindlich ist.“ Empfindlichkeit wird aber mehr in bösem, als in gutem Sinne gebraucht und findet sich namentlich oft in der Bedeutung: leicht empfänglich für unangenehme Eindrücke, reizbar. Ein empfindlicher Mensch wird durch die geringste Kleinigkeit aufgebracht und verletzt. Empfindsamkeit bezeichnet ursprünglich die leichte Erregbarkeit des Gefühls für das Schöne, Sittliche u. ähnl.; gegenwärtig aber wird es nur in der Bedeutung: weichen Empfindungen leicht zugänglich gebraucht, und eine empfindsame Seele nennen wir eine solche, die leicht gerührt und ergriffen wird. Gefühl (s. darüber im vorhergehenden Art.) bezeichnet nicht eine gesteigerte oder teilweise krankhafte Erregbarkeit, wie die beiden genannten Wörter, sondern die natürliche, maßvolle Empfänglichkeit für angenehme oder unangenehme Eindrücke. Ein Mann von Gefühl ist ein solcher, der nicht teilnahmlos innerhalb der ihn umgebenden Natur- und Menschenwelt lebt. Das Gefühl ist die Fähigkeit des Gemüts, durch Teilnahme bewegt zu werden, die Empfindsamkeit ist die Neigung, an diesen Gemütsbewegungen Vergnügen zu empfinden. Daraus läßt sich schon erklären, warum es viele gefühlvolle Menschen geben kann, die nicht zu den empfindsamen gehören. Da dieser Genuß der Rührung am besten durch die Werke der Kunst gewährt wird, so kann ein Mensch bei wirklichen Leiden oft gefühllos bleiben, der bei den erdichteten empfindsame Tränen vergießt. Empfindlich und empfindsam werden beide vorwiegend tadelnd gebraucht, gefühlvoll nur in günstigem Sinne. Empfindsamkeit wird sehr oft durch das Fremdwort Sentimentalität wiedergegeben. Goethe schrieb eine dramatische Grille: „Der Triumph der Empfindsamkeit“, in welcher er die ganze Literaturrichtung, die sich in empfindsamen Stücken gefiel, verspottete.