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1. Aar¹⁾. Adler²⁾.

1) Bird of prey, eagle.
Aigle.
Aquila.
2) Eagle.
Aigle commun.
Aquila, aquila comune.

Beide Worte bezeichnen denselben größeren Raubvogel. Aar ist der ursprüngliche, alte Name (mittelhochd. ar, aus althochd. aro, got. ara), Adler ist erst aus der Zusammensetzung althd. adal-aro, mhd. adelar, edler Aar entstanden. Noch bei Herder findet sich die im 16. bis 18. Jahrhundert vorkommende Form Adelaar neben Adler, während Luther die Form Adeler (geschwächt aus nieder- und mitteldeutschem adelær) neben Adler gebraucht. In der neuhochdeutschen Sprachperiode war anfangs das altgermanische Wort Aar fast ganz verschwunden, und auch Luther gebraucht nur Adler. Als poetischer Ausdruck kommt Aar bei Martin Opitz (z. B. „So wie der Aar das Huhn, der Hecht die Gründel frißt“) und seinen Nachfolgern vor. Im prosaischen Sprachgebrauch kam das Wort Aar im 16. und 17. Jahrhundert lediglich in Zusammensetzungen vor, z. B. Stockaar, Stoßaar, Rohraar, Mausaar, Hühneraar, Hasenaar, Gänseaar oder Gansaar, Fischaar (dieses gebraucht auch Luther 3. Mos. 11, 13) u. a. Erst im 18. Jahrhundert wird das einfache Wort Aar infolge der Beschäftigung mit dem Mittelhochdeutschen wieder bei uns eingeführt, zunächst so, daß es häufig durch ein beigefügtes Adler erklärt wird, wie dies z. B. Gleim in seinen Romanzen, die er 1756 herausgab, und Goekingk in seinen Gedichten 1781 tun. (Näheres hierüber siehe in Friedrich Kluges Aufsatz in der Zeitschrift f. d. Phil. 24, 3.) Man gebraucht jetzt allgemein die Benennung Adler als das eigentliche Gattungswort; Aar findet sich nur bei Dichtern und in gehobener Sprache. Auch in Zusammensetzungen wird vorwiegend Adler verwendet, z. B. Goldadler, Adlerflügel, Adlerauge, Adlerblick, Adlernase (d. i. eine Nase, die gekrümmt ist wie ein Adlerschnabel) usw.; doch sagt man in der gegenwärtigen Sprache noch: Aarweihe (= eine Gattung der Weihen oder Geier), ein Wort, das erst im Neuhochdeutschen entstanden ist; Fischaar und Stockaar neben Fischadler und Stockadler. Doch Bussaar ist nicht mit Aar zusammengesetzt, sondern es ist eine Umdeutung (Volksetymologie) aus frz. busard, wofür wir richtig der Bussard sagen. Lenz teilt in seiner Naturgeschichte die Falken ein in: Edelfalken, Adler, Seeadler und Aare. Den Vorzug des Adels legten unsere Vorfahren dem Adler wohl seiner Größe und Kraft, wie seines hohen Fluges wegen bei; aus demselben Grunde wird er vielfach als dichterisches Bild verwendet und dient als Sinnbild der Macht in Wappen und Feldzeichen. Die Dichter greifen mit Vorliebe zu dem altertümlichen Aar; doch Klopstock verwendet nur Adler und gebraucht Aar noch nicht. Goethe gebraucht auch in der Poesie fast ausschließlich Adler, doch braucht er in einzelnen Fällen späterhin auch Aar, z. B. „Doch was ich mir zum Ziel ersah, ist oben Frau Viktoria. Mit ihrem weißen Flügelpaar sie dünkt sich wohl, sie sei ein Aar.“ Faust II. Teil, 1. Akt (V. 5462). Auch bei Schiller kommt Aar nur selten vor, z. B. „Und darüber schwebt in hohen Kreisen sein geschwinder Aar.“ Das Eleusische Fest. Für das Wappen- oder Feldzeichen gebrauchen unsere klassischen Dichter nur den Ausdruck Adler, z. B.: „unterm Doppeladler fechtend“ (Schiller, Picc. I,2). Neuere verwenden auch in letzterem Falle Aar, z.B.: „Mein Kaiser ...... führt in seinem Wappenfeld | den sieggewohnten Aar“ (Jul. Sturm, Mein Vaterland). „Zu Häupten unbezwungen, fliegt uns des Reiches Aar“ (Reinhold Fuchs, Deutsches Flottenlied). Überhaupt ist das Wort Aar erst in der Poesie des 19. Jahrhunderts zu größerer Ausbreitung gelangt. Doch wird auch in der Poesie des 19. Jahrhunderts da, wo das Wort als Symbol von Deutschlands Macht steht, gewöhnlich Adler gebraucht. „Bis der Adler stolzen Fluges um des Berges Gipfel zieht“ (Geibel, Friedrich Rotbart). In Preußen wurde der „Adlerorden“ gegründet. „Und kriegt den Adlerorden“ (Heinrich Heine, Deutschland. Ein Wintermärchen, Kaput XI). — Die moderne Dichtung gibt auch in der Poesie wieder dem Worte Adler als dem natürlichen Worte der Prosa den Vorzug.