Elegie

Elegie. (Dichtkunst) Bedeutet eigentlich ein Klagelied, welchen Namen man dieser Art des Gedichtes geben könnte, wenn nicht auch bisweilen vergnügte Empfindungen der Inhalt der Elegie wären. Der wahre Charakter derselben scheint darin zu bestehen, dass der Dichter von einem sanften Affekt der Traurigkeit oder einer sanften mit viel Zärtlichkeit vermischten Freude ganz eingenommen ist und sie auf eine einnehmende etwas schwatzhafte Art äußert. Alle sanften Leidenschaften, die so tief ins Herz dringen, dass man sich gern und lange damit beschäftigt, die dem Geist so viel Fassung lassen, dass er den Gegenstand von allen Seiten betrachten und der Empfindung in jeder Wendung, die sie annimmt, folgen kann, schicken sich für die Elegie. Sie bindet sich nicht so genau an die Einheit der Empfindung, als die Ode, nimmt auch den lebhaften Schwung derselben nicht, ihr Ausdruck ist nicht so rasch, sondern hat den kläglichen Ton, der mehr der Ton eines bloß leidenden und vom Affekt überwältigten als des wirksamen Menschen ist. Er ist im eigentlichen Verstand einnehmend, da der Ton der Ode gar oft gebieterisch, stürmisch oder hinreißend ist. Sehr richtig nennt der Verfasser über Popens Genie und Schriften die Elegie ein affektvolles Selbstgespräch.

 Alle sanften Affekte also, wobei die Seele sich ganz leidend fühlt; Klagen über Verlust einer geliebten Person; über Untreu eines Freundes; über Ungerechtigkeit und Unterdrückung; über hartes Schicksal; Vergnügen über zärtliche Aussöhnung, über ein wieder erlangtes Gut; Äußerungen der Dankbarkeit, der Andacht und jedes anderen zärtlich vergnügten Affekts, sind die eigentlichen Materien der Elegie. Da die Gemütsfassung bei der Elegie ganz Empfindung der einnehmenden Art ist, so dringt sie auch tief ins Herz und ist daher eine der schätzbarsten Gattungen der Gedichte, wo es darum zu tun ist, die Gemüter zu besänftigen oder sie völlig für einen Gegenstand einzunehmen. Hingegen schicken sich männliche, feurige und heroische Empfindungen nicht für sie; sie überlässt sie der Ode.

 Die Griechen hatten für die Elegie eine besondere Versart gewählt, die auch die Römer beibehalten haben; sie bestand abwechselnd aus einem Hexameter und einem Pentameter, versibus impariter junctis, wie Horaz sich ausdrückt und allgemein machten zwei Verse zusammen ein Distichon aus, darin ein völliger Sinn war. Es scheint auch, dass diese Versart sich am besten zum Affekt der Elegie schicke, dem ein sanft enthusiastisches Herumschwärmen von einem Bilde zum anderen und von einer Vorstellung zur anderen, fast eigen scheint. Indessen ist die elegische Versart auch verschiedentlich zu kleinen Gedichten gebraucht worden, die man nicht zu den Elegien rechnen kann. Die neueren Völker haben bei der Armut ihrer Prosodie der Elegie keine besondere Versart geben können. Die Alexandrinische scheint aber sich vorzüglich dazu zuschicken. Seitdem man aber im Deutschen die griechischen Silbenmaße eingeführt hat, sind auch Elegien in der alten elegischen Versart gemacht worden.

  Man weiß nicht, welcher griechische Dichter die Elegie aufgebracht habe und man wusste es schon vor Alters nicht.

Quis tamen exiguos elegos emiserit Auctor Grammatici certant.1

Anfänglich waren sie bloß für Klagen bestimmt; aber man fühlte, dass ihr Ton sich auch für zärtliche Freude schickte.

–– querimonia primum Post etiam inclusa est voti sententia compos.

Es ist ohne Zweifel ein großer Verlust, dass die griechischen Elegiendichter verloren gegangen, obgleich Quintilian glaubt, dass die Lateinischen ihnen nichts nachgeben.2 In der Tat haben wir drei vortrefliche römische Dichter in dieser Art, den Ovidius, den Catullus und den Propertius.

 Eine besondere Art der Elegie machen die so genannten Heroiden aus,3 von denen in einem besonderen Artikel gesprochen wird.

 Für die geistliche Dichtkunst scheint die Elegie den vorzüglichsten Nutzen zu haben, da sie den sanften Empfindungen der Religion überaus gut angemessen ist; nur müsste man sich darin vor dem Schwärmerischen hüten, welches der vorzügliche Hang der Elegie zu sein scheint. Überhaupt kann sie sehr nützlich zu Besänftigung der Gemüter angewendet werden. Denn es ist gar nicht unwahrscheinlich, dass ein etwas wilder Mensch, der den sanften Affekten den Eingang in sein Herz verschlossen hält, durch Elegien könnte gezähmt werden, zumal wenn sie mit Musik verbunden wären. Zuwünschen wäre es, dass ein recht geschickter Tonsetzer einige Versuche, Elegien in Musik zu setzen, machte: das Rezitativ mit einem bloß begleitenden Bass, das mit begleitenden Instrumenten, das Arioso und bisweilen das Arienmäßige selbst könnten dabei sehr angenehm abwechseln. Es lässt sich vermuten, dass ein wohl geratener Versuch in dieser Art, diese neue Gattung elegischer Kantaten in Gang bringen würde.

 

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1 Horaz. A. P. 75

2 Jnst. Or. L. 10. 1. 39.

3 S. Heroiden.

 


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