Einklang. (Musik) Man sagt von Tönen, dass sie im Einklang sind, wenn sie gleich hoch sind. Da die Höhe der Töne von der Anzahl der Schläge oder Vibrationen der klingenden Körper herkommt,1 so sind die Töne zweier klingenden Körper im Einklang, wenn die Geschwindigkeit der Vibrationen in beiden gleich ist, welches bei zwei gleichen und gleich stark gespannten Saiten allemal statt hat.
Im Einklang ist also die vollkommenste Harmonie, weil beide Töne in einen zusammenfliessen, zumal wenn beide von einerlei Instrument oder klingenden Körpern herkommen. Einige rechnen den Einklang unter die Konsonanzen; andere aber verwerfen dieses, indem sie sagen, dass das Wort Konsonanz nur von Intervallen gebraucht werde oder von Tönen, die in Ansehung der Höhe verschieden sind. Der Streit hat im Grund gar nichts auf sich. Jederman gesteht, dass zwei im Einklang gestimmte Saiten vollkommen konsonieren, insofern ist der Einklang die vollkommenste Konsonanz; indessen machen zwei gleich hohe Töne kein Intervall aus. Man nennt aber auch, wiewohl nicht gar schicklich, zwei nicht gleich hohe Töne, bisweilen einen erhöhten Einklang oder Unisonus und sieht dann einen solchen Unisonus als ein Intervall an, dem man den Namen der Prime gibt, wie in der Tabelle der Dissonanzen zu sehen ist.2
Wenn über oder unter einem leeren Notensystem, für eine Stimme oder für ein Instrument die Worte im Einklang oder italienisch all' Unisono stehen, so bedeutet dieses, dass diese Stimme eben die Töne habe als die über ihr stehende Stimme.
Es ist höchst wahrscheinlich, dass in der alten Musik, wo viel Stimmen zugleich vorgekommen, alle im Einklang oder höchstens einige gegen die anderen, in Oktaven fortgeschritten sind, dass folglich jeder Gesang und jedes Tonstück bloß einstimmig gewesen. Wenn ein solches Stück von viel Menschen von verschiedenem Alter und von verschiedenen Stimmen gesungen wird, so ist es ganz natürlich, dass die höchsten oder die tiefsten Stimmen, anstatt der vorgeschriebenen Töne, deren Oktave darüber oder darunter nehmen. Ferner scheint es sehr natürlich, dass einige Stimmen, wenn gleich durchgehends der Einklang vorgeschrieben ist, bisweilen an dessen Stelle Terzen oder Quinten nehmen werden, weil die Kehle, so wie die Flöte, durch eine Kleinigkeit von dem Einklang auf eines dieser Intervalle kommt. Dieses scheint der Ursprung des vielstimmigen Gesanges und unserer heutigen Harmonie zu sein.
Ohne Zweifel hat etwa ein Tonsetzer, dem die verschiedenen von ungefähr sich ereignenden Abweichungen vom Einklang mögen gefallen haben, danach versucht, anstatt einer Melodie zwei oder drei verschiedene in konsonierenden Intervallen zu setzen, und dadurch die Gelegenheit zum harmonischen vielstimmigen Satz gegeben.3
Jener einfache Gesang, der mit sehr viel Stimmen im Einklang geht, wird von dem berühmten Roußeau für den natürlichsten und vollkommensten Gesang gehalten und er geht so weit, dass er den vielstimmigen harmonischen Gesang für eine barbarische und gothische Erfindung hält.4 Er lässt sich hierüber sehr lebhaft, aber mit etwas verdrießlicher Laune heraus; inzwischen verdienen seine Gedanken hierüber von den Meistern der Kunst in Erwägung gezogen zu werden.
»Wenn man bedenkt, (sagt er) dass von allen Völkern der Erde, deren jedes seine Musik und seinen Gesang hat, die Europäer die einzigen sind, die Harmonie und Akkorde haben und dieses Gemengsel der Töne angenehm finden; wenn man ferner erwägt, dass durch so viel Jahrhunderte, da die schönen Künste bei verschiedenen Völkern geblüht haben, keines diese Harmonie gekennt hat; dass weder die orientalischen Sprachen, die so wohlklingend und zur Musik so schicklich sind, noch das griechische Ohr, das so fein, so empfindlich und in der Kunst so sehr geübt gewesen, jene so empfindsamen und so wollüstigen Völker auf unsere Harmonie geführt haben; dass ohne sie ihre Musik so bewunderungswürdige Wirkung getan hat, da die unsrige der Harmonie ungeachtet so schwach ist; dass endlich den nordischen Völkern, deren gröbere Sinne mehr von der Stärke und dem Geräusch der Stimmen, als von der Annehmlichkeit der Akzente und den lieblichen Wendungen der Melodie gerührt werden, aufbehalten gewesen, diese große Entdekung zu machen und sie zum Grundsatz aller Regeln der Musik zu setzen; wenn man, sag' ich, dieses alles bedenkt, so ist es schwer sich der Vermutung zu enthalten, dass unsere ganze Harmonie eine gothische und barbarische Erfindung sei, auf die wir niemals würden gekommen sein, wenn wir für die wahren Schönheiten der Kunst und für die wahre Musik der Natur mehr Gefühl gehabt hätten.«
Es ist aus den mit anderer Schrift gedruckten Worten dieses etwas verdrießlichen Ausfalles gegen die Harmonie deutlich zu sehen, dass dieser große Kenner sich hier von dem Verdruss über die Prahlereien des Rameau weiter habe hinreißen lassen als ihn sein Geschmack würde geführt haben. Dieses ist ihm um so mehr zu verzeihen, da es in der Tat nicht möglich ist, bei den ausschweifenden Lobsprüchen einiger Franzosen, wenn sie von den vermeinten harmonischen Entdekungen des Rameau sprechen, die sie als die Epoche der wahren Musik angeben, bei kaltem Geblüte zu bleiben.
Inzwischen wird doch auch kein Liebhaber der Harmonie in Abrede sein, dass nicht ein im Einklang von einem großen Chor vorgetragener Gesang viel Schönheit haben und große Wirkung tun könne.
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1 S. Klang.
2 S. Dissonanz, S. 266
3 S. Diskant.
4 S. Diktion. de Mus. im Art. Harmonie.