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652. Gebrauch¹⁾. Sitte²⁾. Gewohnheit³⁾. Mode⁴⁾. Zeremonie⁵⁾.

1) Usage, prescription.
2) Manners.
3) Habit, Custom.
4) Fashion.
5) Ceremony.
1) Usage.
2) Coutume.
3) Habitude.
4) Mode (façon).
5) Cérémonie.
1) Usa.
2) Costume.
3) Consuetudine (abitudine).
4) Moda.
5) Cerimonia.

Sitte ist der umfassendste Ausdruck; er bezeichnet überhaupt das, was man zu tun pflegt, so wie die Art und Weise, wie man etwas zu tun pflegt. Namentlich aber bezeichnet es diese Art und Weise zu handeln, sofern sie in einem größeren Bezirke, in einem Lande, in einer Gesellschaftsklasse usw. allgemein und herrschend geworden ist, sie mag löblich, gut oder schlecht sein. Dann wird aber Sitte auch noch in Rücksicht auf das gebraucht, was Anstand und Schicklichkeit verlangen, und man spricht in diesem Sinne von den guten, frommen, schlimmen, rohen Sitten eines Menschen oder eines Volkes. Diese letztere Beziehung enthalten die übrigen Ausdrücke nicht. „Der Umgang mit Frauen ist das Element guter Sitten.“ Goethe, Spr. i. Pr. 373. „Durch das, was wir Betragen und gute Sitten nennen, soll das erreicht werden, was außerdem nur durch Gewalt oder auch nicht einmal durch Gewalt zu erreichen ist.“ Ebenda, 372. Das Gesundheittrinken war sonst eine allgemeine Sitte. Wer in einem Lande lebt, muß sich auch den Sitten dieses Landes anbequemen. „Ländlich, sittlich.“ Manche schöne, alte Sitte ist abgekommen. Gewohnheit ist alles das, was der Mensch so oft getan hat, daß er es mechanisch und ohne klares Bewußtsein tut. Es kann jemand aus Gewohnheit früh aufstehen, lange schlafen, viel essen und trinken, sich gerade oder schief halten, lügen usw. „Wie man aus Gewohnheit nach einer abgelaufenen Uhr hinsieht, als wenn sie noch ginge, so blickt man auch wohl einer Schönen ins Gesicht, als wenn sie noch liebte.“ Goethe, Spr. i. Pr. 167. Wer einer Gewohnheit folgt, handelt nicht nach vernünftigen und klar erkannten Gründen, sondern er hält etwas für recht und gut, weil er es immer so hat geschehen sehn oder selbst getan hat. „Nicht, was lebendig, kraftvoll sich verkündigt, | ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz | Gemeine ist’s, das ewig Gestrige, | was immer war und immer wiederkehrt | und morgen gilt, weils heute hat gegolten! | Denn aus Gemeinem ist der Mensch gemacht, | und die Gewohnheit nennt er seine Amme.“ Schiller, Wallenst. Tod I, 4. — Sitte ist edler und geht auf einen größeren Kreis als Gewohnheit. „Denn Sitte ward aus Gewohnheit.“ Voß. „National ist das Stück auch genug, oder vielmehr provinzial. Und dieses könnte leicht das andere Extremum werden, in das unsere komischen Dichter verfielen, wenn sie wahre deutsche Sitten schildern wollten. Ich fürchte, daß jeder die armseligen Gewohnheiten des Winkels, in dem er geboren worden, für die eigentlichen Sitten des gemeinschaftlichen Vaterlandes halten dürfte. Wem aber liegt daran, zu erfahren, wievielmal im Jahre man da oder dort grünen Kohl ißt?“ Lessing, Hamb. Dram. 22. Stück. Eine Sitte wird ein Gebrauch genannt, wenn sie in einem Verfahren besteht, das zu beobachten man sich vereinigt hat, oder das sich durch öftere Übung und Wiederholung von alters her festgesetzt hat, so daß es nun maßgebend als gesellschaftliche Gewalt auftritt. „Das ist des Landes nicht der Brauch. | — Brauch oder nicht, es gibt sich auch.“ Goethe, Faust I. So haben die Handwerker ihre eigenen Gebräuche bei dem Einschreiben und Lossprechen der Lehrburschen, bei der Ankunft der Fremden, bei der Aufnahme der Meister. Die Gebräuche sind Zeremonien (lat. caerimonia, d. i. Verehrung durch äußere Zeichen, religiöser Gebrauch), wenn sie in gemessener, feierlicher Weise vor sich gehen. Namentlich spricht man von Zeremonien beim Gottesdienst, aber auch bei einer feierlichen Belehrung, Amtseinweisung, bei Hochzeiten usw. Moden (frz. la mode, aus lat. modus, d. i. die Art und Weise, vgl. Art. 604) sind bloße Gewohnheiten, die man beobachtet, weil man sie für angenehm und schön hält. Sie erstrecken sich auf alles, was den Menschen umgibt, auf seine Kleidung, seine Wohnung, seinen gesellschaftlichen Anstand, die Ausdrücke der Höflichkeit usw. Früher waren die kurzen Taillen in dem weiblichen Anzuge Mode, weil man sie für schön hielt. Die Moden ändern sich oft, weil das Alte schon dadurch, daß es alt ist, aufhört zu gefallen, und daher die neue Mode, wenn sie erscheint, sollte sie auch nicht schöner sein, als die alte, die man aufgegeben hat, immer die Empfehlung des Reizes der Neuheit mit sich bringt. Man kann deswegen den öftern Wechsel als den wesentlichen Charakter ansehen, durch den sich die Mode von der bloßen Gewohnheit unterscheidet. Denn dieser Wechsel kann keinen anderen Beweggrund haben, als die Begierde zu gefallen.