3. Die Philosophie des gemeinen Menschenverstandes (»Schottische Schule«)


Eine ganz andere Stellung zu Hume nehmen diejenigen seiner Landsleute ein, die man unter dem Namen der »Schottischen Schule« zusammenfaßt, welche sich schon in den ihr verwandten Ästhetikern Home und Burke (S. 103 f.) ankündigte, aber erst mit Thomas Reid (1710-1796) in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts an den Universitäten Schottlands zur Herrschaft gelangte. In seiner Hauptschrift Untersuchung über den menschlichen Geist nach den Prinzipien des Common sense (1764) erzählt Reid selbst, wie er anfangs Locke und Berkeley angehangen habe, bis ihm Humes Traktat die gefährlichen Konsequenzen dieser Philosophie gezeigt habe, nämlich: Umsturz aller Wissenschaft, Tugend, Religion und des gesunden oder gemeinen Menschenverstandes (common sense). Diesen letzteren, der, älter als alle Philosophie, uns unmittelbar von Gott verliehen ist, und seine »von selbst« einleuchtenden Wahrheiten will Reid wiederherstellen. Er gibt zwölf solcher ursprünglichen Urteile an, die intuitive Gewißheit besitzen. Die mathematischen und logischen Axiome gehören ebenso dazu wie der Kausal-»Instinkt« und das Dasein der Seele. Die Außendinge, die wir sehen, sind uns als wirklich durch unsere Empfindungen verbürgt, welche letzteren die Natur »mittels einer Art natürlicher Magie« in uns hervorruft. Auf dem praktischen Gebiete endlich äußert er sich als »moralischer Sinn«.

Von den weiteren Vertretern der schottischen Schule wandte Beattie (1735-1803) das Prinzip des common sense namentlich auf das ästhetische Gebiet an, während der Theologe Oswald (• 1793) mit Hilfe desselben die religiösen Wahrheiten gegen den Skeptizismus zu verteidigen suchte. Bedeutender als beide ist Dugald Stewart (1733-1828), der die Lehre des Meisters ausbaute, aber in manchen Punkten auch modifizierte. Das gleiche widerfuhr der seinigen von seinem Schüler Thomas Brown (1778-1820), der sich wieder Hume und der Assoziationspsychologie näherte.

Die schottische Schule bezeichnet eine Ermattung des philosophischen Denkens. Denn bezüglich des gesunden Menschenverstandes hat der scharfsinnigste Philosoph vor dem gemeinen Manne nichts voraus. Trotzdem hat sie auf die Mit- und Folgezeit nicht unbedeutend eingewirkt, so in Deutschland auf Jacobi und die Popularphilosophen, in Frankreich auf den Spiritualismus der Jouffroy und Cousin, in England u. a. auf Hamilton, der Reids und Stewarts Werke neu herausgegeben hat.

Damit sind wir indes bereits über die Schwelle des 19. Jahrhunderts getreten. Weit bedeutender waren die Wirkungen, welche die leitenden Gedanken der englischen Aufklärungsphilosophie auf das Frankreich des 18. Jahrhunderts hervorriefen.


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