3. Andere moralphilosophische Richtungen.
Anfänge der Ästhetik.
(Clarke, Wollaston, Home, Burke)


Eine mehr intellektualistische Begründung der Ethik versuchen

a) Clarke und Wollaston. Samuel Clarke (1675 bis 1729), von 1709 an Hofprediger in London, in der Naturphilosophie Anhänger Boyles und Newtons (vgl. § 7), und als Newtonianer in einen wissenschaftlichen Streit mit Leibniz verwickelt, gegen den er die Freiheit des Willens verteidigte, weist die psychologische Begründung der Moral auf das Gefühl der Lust und Unlust grundsätzlich ab und sucht ein objektiveres Prinzip derselben in der Angemessenheit unserer Handlungen, die den ein und für allemal gegebenen Verhältnissen der Dinge gemäß sein müssen. Der Platonismus Cudworths (§ 7), dem Clarke sonst ähnelt, ist bei ihm in eine Art Cartesianismus übergegangen, der nach mathematischer Beweisführung strebt. Aus Furcht vor dem subjektiven Element stellt er das Sittengesetz als eine Art Naturgesetz dar; ein Verbrechen begehen ist ihm dasselbe, wie drei rechte Winkel eines Dreiecks annehmen. Unsere unwandelbare Verpflichtung zum Guten ist unabhängig vom Willen Gottes, mit dem das Gute freilich identisch ist, sowie von Furcht und Hoffnung auf ein Jenseits; sie beruht vielmehr auf dem Gewissen, aber - Hoffnung und Furcht sind doch für die jetzige Menschheit als Antrieb gut! Die Moral führt schließlich doch zur Offenbarung, wie denn auch die Hauptschrift Clarkes ein theologisches Thema, »das Dasein und die Attribute Gottes« behandelt. Die wichtigsten Pflichten sind die sozialen: Gerechtigkeit und Liebe, die wir auch den Tieren, ja sogar den Pflanzen gegenüber üben sollen.

Nach Wollastons (1659-1724) Skizze der natürlichen Religion (1722) ist der letzte Zweck des Menschen, die Wahrheit nicht bloß zu erkennen, sondern auch im Reden und Handeln zu zeigen: nur dann wird er auch »wahres« Vergnügen empfinden. Beide, Clarke und Wollaston, rufen: Handle, wie die Natur der Dinge es dir vorschreibt! Sie fordern darum auch eine genaue Kenntnis der Außenwelt. Beide aber haben mit ihrem Versuche einer logischen Moralbegründung wenig auf ihre Zeit gewirkt, die sich in der Moraltheorie immer mehr auf den Boden des Lockeschen Empirismus und zugleich des Gefühlsstandpunktes begab.

b) Spätere Moralphilosophen sind Eklektiker, wie Ferguson (1724-1816), der die drei Prinzipien der Selbstliebe, des Wohlwollens und der Vervollkommnung miteinander verbindet und die Interessen des Einzelnen mit denen der Gesellschaft zu versöhnen sucht, und Paley (1785), der das Pflichtgebot an den Willen Gottes knüpft, aber als seinen Inhalt und Zweck die allgemeine Glückseligkeit bestimmt; oder sie suchen, wie Price, in der Vernunft ein ursprüngliches Wahrnehmungsvermögen für die ewigen sittlichen Gesetze nachzuweisen.

c) Männer wie Shaftesbury und Hutcheson hatten den ersten Anstoß auch zu ästhetischen Betrachtungen gegeben, aber ihnen fiel das Schöne noch zusammen mit dem Guten und dem Wahren; ihre ganze Weltanschauung ist ästhetischer Art. Bald begannen auch eigene Untersuchungen über ästhetische Probleme. Home (1696 bis 1782), in der Ethik Hutcheson folgend, verlegt die Schönheit aus dem Gegenstand in die Seele. Er bringt eine Anzahl neuer ästhetischer Begriffe, ist aber noch ganz unsystematisch, dazu außerordentlich breit. Er dringt auf Naturwahrheit und hält den französischen Klassikern und seinem Landsmann Pope gern Shakespeare entgegen. Etwas tiefer geht die Jugendschrift des Staatsmannes Edmund Burke (1728-1797): Untersuchung über den Ursprung unserer Ideen vom Erhabenen und Schönen (1756), worin er diese beiden ästhetischen Gefühle auf die beiden Grundtriebe der Selbsterhaltung (im Gegensatz zu dem erhabenen Gegenstand) und der Geselligkeit (weil wir mit dem schönen Gegenstand gern in Gesellschaft leben möchten) zurückführt. Burke hat, obwohl er in das eigentliche Wesen der Kunst nicht eingedrungen ist, sondern an der psychologischen, ja oft sogar physiologischen Außenseite haften blieb, doch auf die Entwicklung der Ästhetik, insbesondere der deutschen (Mendelssohn, Lessing, Kant), insofern einigen Einfluß geübt, als er manche anregende psychologische Zergliederung gab.


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