Horizont. (Malerei) In der Natur ist der Horizont die äußerste Linie, die eine ganz flache Gegend des Erdbodens von der Luft oder dem Himmel abschneidet; oder das äußerste Ende des ohne Hügel oder Erhöhungen vor uns liegenden Erdbodens, hinter welchem wir nur Luft oder in die Höhe steigende Gegenstände sehen. Eben diese Bedeutung hat das Wort auch in gemalten Landschaften und anderen Gemälden; nur mit dem Unterschied, dass man sich im Gemälde auch da einen Horizont vorstellen muss, wo die Aussicht in die Ferne durch etwas vor uns stehendes gehemmt wird. Nämlich, wenn wir z. B. in der Tür eines Zimmers stehen und gerade vor uns auf die, dem Eingange gegen überstehende, Wand sehen, so würde eine an dieser Wand in der Höhe unseres Auges, waagerecht längst der Wand gezogene Linie den Horizont bezeichnen. Der Maler muss in jedem Gemälde sich einen bestimmten Horizont vorstellen. Denn es muss immer in dem Gemälde oder in der Fläche, von welcher das vor uns stehende Gemälde einen Teil bedeckt, irgend ein Punkt sein, der dem Auge dessen, der das Gemälde so ansieht, wie der Maler den natürlichen Gegenstand, da er ihn gemalt, angesehen hat, gegenüber liegt und die durch diesen Punkt waagerecht gezogene Linie, macht die Horizontallinie aus.1
Alles was im Gemälde über dieser Linie liegt, wird von dem Auge von unten herauf, was aber unter ihr liegt, von oben heruntergesehen. Daher hat die Bestimmung des Horizonts einen Einfluss auf die Zeichnung eines jeden in dem Gemälde vorkommenden Gegenstandes und kein Gemälde, wenn es auch nur eine einzelne Figur vorstellt, kann völlig richtig gezeichnet werden, wenn der Maler nicht immer genaue Rücksicht auf den Horizont desselben hat. Wir werden in dem Artikel Perspektive das Wichtigste, was in der Zeichnung von dem Horizont abhängt, anzeigen.
Weil jeder Gegenstand so gemalt wird, wie wir ihn aus einem einzigen Gesichtspunkt sehen, der Gesichtspunkt aber den Horizont bestimmt2, so muss jedes Gemälde nur einen einzigen Horizont haben. Wenn man uns z. B. eine Landschaft mahlt, so muss sie so gezeichnet werden, wie wir sie von einer einzigen Stelle sehen. Es würde ein seltsames Gemisch herauskommen, wenn ein Teil so gezeichnet würde, wie wir ihn von einem Turm herunter sehen, ein andrer, so wie er sich zeigt, wenn wir an der Erde stehen. Darum muss der Maler in der Zeichnung vor allen Dingen seinen Horizont festsetzen, ihn bei Zeichnung jedes Gegenstandes vor Augen haben,3 und gewissen daher entstehenden Regeln folgen, damit alles richtig gezeichnet werde. Man sieht bis weilen historische Gemälde von berühmten Meistern, wo die Gruppen der Figuren einen anderen Horizont haben als die Szene oder die Landschaft, auf der sie stehen. In diesen Fehler wird jeder Maler fallen, der die Regeln der Perspektive nicht weiß oder nicht danach arbeitet. Besonders aber wird er in der Landschaft angetroffen, deren Teile aus verschiedenen Zeichnungen und so genannten Studien zusammengetragen sind.
Will man die Richtigkeit einer Zeichnung beurteilen, so muss man ebenfalls sich zuerst bemühen, den Horizont derselben zu finden. Man entdeckt ihn sehr leicht, wenn nur irgendwo im Gemälde zwei Linien auf der Grundfläche oder auf einer ihr parallelen Fläche vorkommen, von denen wir wissen, dass sie in der Natur parallel sein müssen. Denn diese beiden Linien darfen wir nur in Gedanken gegen den hintern Grund des Gemäldes verlängern; sie müssen in einem Punkt zusammen treffen und dieser Punkt ist allemal in der Horizontallinie.4 Wenn diese Horizontallinie hoch über der Grundlinie des Gemäldes liegt, so hat es einen hohen Horizont, liegt sie aber nicht hoch über diese Grundlinie, so hat es einen niedrigen Horizont. Ein Gemälde fällt am vorteilhaftesten in die Augen, wenn wir es so ansehen können, dass der Horizont desselben gerade die Höhe hat, auf dem das Auge steht. Die Wahl eines hohen oder niedrigen Hori zonts hat nach der Beschaffenheit des Gegenstandes einen wichtigen Einfluss auf seine Schönheit und gute Wirkung, wie schon anderswo mit mehrerm angemerkt worden ist5.
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1 S. Gesichtspunkt.
2 S. Gesichtspunkt.
3 S. Perspektive.
4 S. Perspektive.
5 Im Art. Gesichtspunkt.