Harlekin

Harlekin. (Komödie) Der Harlekin ist eine besonders charakterisierte Person, die aus der italienischen Komödie in die französische aufgenommen worden und in der deutschen den Platz des Hanswurst einzunehmen verdient. Sein Charakter besteht darin, dass er dem Anschein nach ein einfältiger, sehr naiver und geringer Kerl oder allenfalls ein Possenreisser, im Grund aber ein sehr listiger, dabei witziger, scharfsichtiger Bube ist, der an anderen jede Schwachheit und Torheit richtig bemerkt und auf eine geistreiche aber höchst naive Art, bloß stellen kann. Einige Kunstrichter halten dafür, dass eine solche Person dem guten Geschmack des Schauspiels entgegen sei und die komische Bühne erniedrige. Es ist aber nicht schwer zu zeigen, dass dieses Urteil übereilt und dass der Harlekin in vielen Fällen beinahe unentbehrlich sei.

  Wenn es darum zu tun ist, dass ein ernsthafter Narr in seiner völligen Lächerlichkeit erscheine, so darf man ihm nur einen guten Harlekin zur Seite setzen. Man weiß, mit was für Nachdruck ehedem witzige Hofnarren die Torheiten der Großen gerügt und wie lebhaft sie dieselben beschämt haben. Ein vornehmer Narr und ein Schalk der angesehen oder mächtig ist, kann durch nichts herunter gebracht werden als wenn er dem Spotte recht bloß gestellt wird. Dieses aber kann nicht besser als durch solche Leute geschehen, die den Charakter eines ächten Harlekins haben. Es ist demnach gut, wenn witzige Hofnarren, wenigstens auf der Schaubühne, beibehalten werden.

 Freilich ist es eben nicht nötig, dass er ein Narrenkleid trage und überall Possen anbringe; denn dadurch fällt er leicht ins Pöbelhafte. Seine Hauptverrichtung muss sein, das Lächerliche, das in den Schein des Ernsts oder der Würde eingehüllet ist, an den Tag zu bringen; dem Schalk die Maske abzunehmen und ihn dem Spotte Preis zu geben. Dieses ist ohne Zweifel der größte Nutzen, den man von der komischen Bühne zu erwarten hat und er ist an sich selbst nicht gering Es gibt Menschen, die ruchlos genug sind, sich über alles wegzusetzen, was gesetzmäßig, was billig, was menschlich ist, bei denen die stärksten Vorstellungen, von Vernunft und Recht hergenommen, schlechterdings nicht den geringsten Eingang finden, deren Torheit und Schalkheit durch nichts zu hemmen ist: diese muss man dem Harlekin Preis geben. So sehr sie über allen Tadel weg sind, so empfindlich wird ihnen der Spott sein. Denn solche Leute dünken sich eben dadurch groß, dass sie sich über alles wegsetzen; sie glauben ihr Ansehen, ihren Rang, ihre Macht erst dann recht zu fühlen, wenn sie sich über das Urteil anderer erheben: durch den Spott aber stürzen sie von ihrer Höhe herunter und jetzt fühlen sie, dass sie selbst verachtet und erniedriget sind.

 Im Grunde tut der Harlekin auf der Schaubühne nichts anders als was Lucian und Swifft in ihren Spottschriften tun, wo sie den eigentlichen Charakter des Harlekins annehmen. Es gibt also gewisse Komödien, wo er die wichtigste Person ist. Dieses haben auch die komischen Dichter gefühlt, denen er zu niedrig war. Sie haben an seiner Stelle Bediente gebraucht, denen sie seine Verrichtung aufgetragen haben. Im Grund aber sind solche Bediente Harlekine in Liverei eingekleidet und da wo sie nötig sind, würde der Harlekin selbst immer noch schicklicher sein. Aber freilich erfordert die Behandlung desselben einen völligen Meister der Kunst. Es ist schwer ihn da, wo er die wichtigsten Dienste tun kann, natürlich anzubringen; und dann kann nur ein zum Spotten aufgelegter Geist ihn völlig nutzen. Unter allen Talenten aber scheint der ächte Spöttergeist der seltenste zu sein.1 Ein witziger Kopf2 hat vor einigen Jahren eine mit viel Geist geschriebene Verteidigung des Harlekins herausgegeben, die man mit Vergnügen ließt.3

 

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1 S. Lächerlich, Spott.

2 Herr Möser in Osnabrück.

3 Harlekin oder Verteidigung des Groteskekomischen 1761.

 


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