31. Lob der utopischen Staatsverfassung


Nun habe ich nach bestem Vermögen wahrheitsgemäß die Form dieser Republik beschrieben, die ich sicherlich nicht nur für die hefte, sondern auch für die einzige halte, die mit vollem Rechte den Namen Republik, »Gemeinwesen«, verdient. Denn irgendwo anders ist, während sie Alle vom Allgemeinen Wohl sprechen, doch jeder nur auf seinen eigenen Nutzen bedacht. Aber da, wo es kein Privateigentum gibt, wird das öffentliche Interesse ernstlich wahrgenommen, und zwar auf beiden Seiten mit vollem Rechte. Denn wer würde anderwärts wohl nicht wissen, dass er Hungers sterben müßte, wenn er, selbst bei dem blühendsten Stande des Staates nicht selbst für sich wacker sorgt?

Und so wird er durch die unausweichliche Notwendigkeit gedrängt, mehr seinen Vorteil, als den des Volkes, d. i. der Andern, im Auge zu haben.

In Utopien dagegen, wo alles allen gehört, zweifelt niemand daran (wenn nur dafür gesorgt ist, dass die öffentlichen Speicher gefüllt sind) dass ihm je etwas für seine Privatbedürfnisse fehlen werde. Denn dort gibt es keine knickerig-hämische Verteilung der Güter, keine Armen und keine Bettler, und obwohl keiner etwas besitzt, sind doch alle reich.

Denn gibt es einen herrlicheren Reichtum, als ohne jede Sorge, frohen und ruhigen Gemütes zu leben? ohne für seinen Lebensunterhalt sorgen zu müssen, ohne von den beharrlich jammernden Klagen der Gattin gequält zu werden, ohne fürchten zu müssen, dass der Sohn in Not geraten werde, und wegen der Mitgift der Tochter unbesorgt sein zu dürfen, sondern für ihren und aller der Ihrigen Lebensunterhalt, der Gattin, der Söhne, der Enkel, Urenkel und Ururenkel und für die ganze Reihe der Nachkommen, so lang sie auch immer sei, gesorgt und deren Glück verbürgt zu wissen? Es wird nicht weniger für diejenigen gesorgt, die jetzt arbeitsunfähig sind, aber einst gearbeitet haben, wie für die diejenigen, die zur Zeit noch arbeiten.


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