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Entstehung des Transitiven

Nun achte man auf den Übergang vom intransitiven Verbum zum transitiven bei denjenigen Wahrnehmungen, die unmittelbar unsere Sinne betreffen. Als vermittelndes Beispiel wähle ich das Wort "rufen". Wollen wir damit nur die Klangerregung ausdrücken, die sich damit begnügt, in unserem Gehörgang einen Klang empfinden zu lassen, so fassen wir das Wort als intransitiv. "Der Kuckuck ruft". Empfinden wir dabei eine gewisse Aufforderung, zuzuhören, so setzen wir wohl den Dativ dahinter. Faust sagt tief ergriffen: "Wer ruft mir?" (Der Dativ hinter "rufen" war von alters her und bis auf die neueste Zeit sehr verbreitet, wie man im Deutschen Wörterbuch nachlesen kann.) Soll aber mein Ich das äußere Objekt des Rufens werden, soll ich daraufhin eine Veränderung mit mir vornehmen, dem Rufenden antworten oder zum Rufenden hingehen, so wird das Wort transitiv und ich frage "wer ruft mich?"

Ich hoffe, die Sache nun im Bereiche anderer Sinne noch deutlicher zu machen, wenn mir auch kein so gutes Beispiel mehr einfällt, wto das Verbum beim Übergang vom innern zum äußern Objekt dasselbe bleiben kann. Höchstens der Geschmackssinn gibt noch Gelegenheit dazu. Wir sagen "der Pfeffer brennt", "die gepfefferte Speise brennt mich"; der Unterschied ist kaum wahrnehmbar; ich glaube aber doch, dass mit dem "mich" die Erklärung für eine Reaktion angedeutet wird. Ich meine das so. Wir sagen "der Schnee ist weiß" oder "der Schnee leuchtet", solange die Weißwirkung auf mein Sehorgan die normale Stärke nicht überschreitet, solange ich unbewußt das Objekt der Tätigkeit des Leuchtens oder Weißseins bin. Ich kann dann auch sagen "der Schnee leuchtet mir", was freilich auch noch einen anderen Sinn erhielte. Sowie aber die Einwirkung des Leuchtens oder Weißseins auf meine Netzhaut so stark wird (die gepfefferte Speise brennt mich), dass ich gezwungen bin, eine Veränderung, wenn auch nur durch Reflexbewegung, vorzunehmen, die Augen zu schließen, den Kopf abzuwenden, Tränen zu vergießen und dergleichen, dann werde ich sofort aus dem inneren Objekt des Leuchtens ein äußeres Objekt, und ich sage "der Schnee blendet mich". Ich wollte nur ein Beispiel liefern für die psychologische Tatsache, dass ein bloßer Gradunterschied einer Naturtätigkeit aus dem intransitiven Verbum ein transitives machen kann. Dass wir im Deutschen zwei verschiedene Verben brauchen, ist ein bloßer Zufall.