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Gesellschaft

Gesellschaft. Der Mensch hat „eine Neigung, sich zu vergesellschaften: weil er in einem solchen Zustande sich mehr als Mensch, d. i. die Entwicklung seiner Naturanlagen, fühlt. Er hat aber auch einen großen Hang, sich zu vereinzelnen (isolieren): weil er in sich zugleich die ungesellige Eigenschaft antrifft, alles bloß nach seinem Sinne richten zu wollen, und daher allerwärts Widerstand erwartet, so wie er von sich selbst weiß, daß er seinerseits zum Widerstand gegen andere geneigt ist. Dieser Widerstand ist es nun, welcher alle Kräfte des Menschen erweckt, ihn dahin bringt, seinen Hang zur Faulheit zu überwinden und, getrieben durch Ehrsucht, Herrschsucht oder Habsucht; sich einen Rang unter seinen Mitgenossen zu verschaffen, die er nicht wohl leiden, von denen er aber auch nicht lassen kann. Da geschehen nun die ersten wahren Schritte aus der Rohigkeit zur Kultur, die eigentlich in dem gesellschaftlichen Wert des Menschen besteht“, G. i. weltbürg. Abs. 4. Satz (IV 9). Der Mensch hat einen natürlichen Hang zur Geselligkeit, KU § 9 (II 56); einen „Trieb zur Gesellschaft“, § 41 (II 148); einen „Trieb zur gesetzlichen Geselligkeit, wodurch ein Volk ein dauerndes gemeines Wesen ausmacht“, § 60 (II 216). „Der Mensch ist ein für die Gesellschaft bestimmtes (obzwar doch auch ungeselliges) Wesen“, MST § 47 (IV 333).

Die praktische Vernunft gibt dem Menschen auf, in eine Gemeinschaft mit den anderen Menschen (als Vernunftwesen) zu treten (s. Reich der Tugend); der Mensch versetzt sich durch sein sittliches Wollen und Handeln in ein „Reich der Zwecke“ (s. d.), verbindet sich mit seinesgleichen zu einem ideal-sozialen System frei wollender, autonomer, als Selbstzwecke (nicht bloß als Mittel) geltender, aus eigener Vernunft gesetzgebender Persönlichkeiten.

Es ist eine Eigenschaft der menschlichen Natur, „ohne Zwang und Beherrschung von seines Gleichen nicht nebeneinander bestehen zu können. Sie müssen als Tiere diszipliniert und durch Befehle regiert werden. Der Geist der Gemeinschaft ist der, durch den sie allein ihrer Freiheit sich bedienen können“, N 1227. „Es ist eine besondere Neigung der Menschen zur Vereinigung in eine Gesellschaft, nicht immer der Einigkeit ihrer Gesinnungen wegen, sondern um einen vereinten Willen, dessen Kraft stärker ist, hervorzubringen, und aus einer Liebe zum System, d. i. einem Ganzen nach Gesetzen. Aber es ist auch, wenn die Sozietät groß wird, ein Hang zu Spaltungen da und zu Sekten, damit kleinere, darin sich die socii mehr übersehen können und die Vereinigung inniglicher sei [entstehen]. Da ist denn nicht sowohl die Kraft, als vielmehr die Ordnung und Zusammenhang der Bewegungsgrund. Daher Spaltung großer Staaten, esprit de corps“, N 1434. „Wenn die Menschen anfangs nicht gesellschaftlich gelebt haben, so konnten sie keine Sprache besitzen“, N 1387. Vgl. Geschichte, Staat, Geschmack.