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Gerechtigkeit

Gerechtigkeit. „Was nach äußeren Gesetzen recht ist, heißt gerecht (iustum), was es nicht ist, ungerecht (iniustum)“, MS Einl. IV (III 27). „Wenn unter Naturrecht nur das nicht-statutarische, mithin lediglich das a priori durch jedes Menschen Vernunft erkennbare Recht verstanden wird, so wird nicht bloß die zwischen Personen in ihrem wechselseitigen Verkehr untereinander geltende Gerechtigkeit (iustitia commutativa), sondern auch die austeilende (iustitia distributiva), sowie sie nach ihrem Gesetze a priori erkannt werden kann, daß sie ihren Spruch (sententia) fällen müsse, gleichfalls zum Naturrecht gehören.“ „Die moralische Person, welche der Gerechtigkeit vorsteht, ist der Gerichtshof (forum) und, im Zustande ihrer Amtsführung, das Gericht (iudicium)“, MSR § 36 (III 116). „Der rechtliche Zustand ist dasjenige Verhältnis der Menschen untereinander, welches die Bedingungen enthält, unter denen allein jeder seines Rechts teilhaftig werden kann, und das formale Prinzip der Möglichkeit desselben, nach der Idee eines allgemein gesetzgebenden Willens betrachtet, heißt die öffentliche Gerechtigkeit, welche, in Beziehung entweder auf die Möglichkeit oder Wirklichkeit oder Notwendigkeit des Besitzes der Gegenstände (als der Materie der Willkür) nach Gesetzen, in die beschützende (iustitia tutatrix), die wechselseitig erwerbende (iustitia commutativa) und die austeilende Gerechtigkeit (iustitia distributiva) eingeteilt werden kann. — Das Gesetz sagt hierbei erstens bloß, welches Verhalten innerlich der Form nach recht ist (lex iusti); zweitens, was als Materie noch auch äußerlich gesetzfähig ist, d. i. dessen Besitzstand rechtlich ist (lex iuridica); drittens, was und wovon der Ausspruch vor einem Gerichtshofe in einem besonderen Falle unter dem gegebenen Gesetze diesem gemäß, d. i. Rechtens ist (lex iustitiae)“, ibid. § 41 (III 127). „Aus dem Privatrecht im natürlichen Zustande geht nun das Postulat des öffentlichen Rechts hervor: du sollst, im Verhältnisse eines unvermeidlichen Nebeneinanderseins mit allen anderen, aus jenem heraus in einen rechtlichen Zustand, d. i. den einer austeilenden Gerechtigkeit übergehen“, ibid. § 42 (III 128). Zwischen dem, was bloß „formaliter“ und dem, was auch „materialiter“ unrecht ist, muß unterschieden werden, ibid. § 42 Anm. (III 129). „Aus dem Gefühle der Gleichheit entspringt die Idee der Gerechtigkeit sowohl der Genötigten als der Nötigenden. Jene ist die Schuldigkeit gegen andere, diese die empfundene Schuldigkeit anderer gegen mich. Damit diese ein Richtmaß im Verstande haben, so können wir uns in Gedanken an die Stelle anderer setzen, und damit es nicht an Triebfedern hierzu ermangele, so werden wir durch Sympathie von dem Unglücke und der Gefahr anderer wie durch unser eigenes bewegt.“ „Niemals empört etwas mehr, als Ungerechtigkeit; alle anderen Übel, die wir ausstehen, sind nichts dagegen“, Bruchstücke aus d. Nachlaß (VIII 269). Vgl. Billigkeit, Gnade, Recht.