Exkurs über die staatliche Theorie des Geldes

 

Schließlich noch ein Blick auf die verkehrswirtschaftliche Regulierung des »Bedarfs« an »Geld« und das, was dieser Begriff in ihr bedeutet. Das ist klar: Aktueller Zahlungsmittel-»Bedarf« von Markt-Interessenten bestimmt die Schaffung »freien Verkehrsgelds« (»freie Prägung«). Und: aktueller Zahlungsmittel- und vor allem Kreditbedarf von Markt-Interessenten in Verbindung mit Beachtung der eigenen Solvenz und der zu diesem Zweck oktroyierten Normen sind es, welche die Umlaufsmittel-Politik der modernen Noten banken bestimmen. Immer also herrscht heute primär Interessentenbetrieb, – dem allgemeinen Typus unserer Wirtschaftsordnung entsprechend. Nur das kann also in unserer (formal legalen) Wirtschaftsordnung »Geldbedarf« überhaupt heißen. Gegen »materiale« Anforderungen verhält sich auch dieser Begriff – wie der der »Nachfrage« (des »kaufkräftigen Bedarfs«) nach »Gütern«– also ganz indifferent. In der Verkehrswirtschaft gibt es eine zwingende Schranke der Geldschaffung nur für Edelmetallgeld. Die Existenz dieser Schranke aber bedingt eben, nach dem Gesagten, gerade die Bedeutung der Edelmetalle für das Geldwesen. Bei Beschränkung auf »hylisches« Geld aus einem (praktisch) nicht »beliebig« vermehrbaren Stoff, insbesondere aus Edelmetall, und daneben: auf gedeckte Umlaufsmittel ist jeder Geldschaffung eine – gewiß: elastische, evolutionäre Bankinflation nicht gänzlich ausschließende, aber: immerhin innerlich recht feste – Grenze gesetzt. Bei Geldschaffung aus einem im Vergleich dazu (praktisch) »beliebig« vermehrbaren Stoff, wie: Papier, gibt es eine solche mechanische Grenze nicht. Hier ist dann wirklich der »freie Entschluß« einer politischen Verbandsleitung, das heißt aber: es sind dann, wie angedeutet, deren Auffassungen von den Finanz-Interessen des Herrn, unter Umständen [sind] sogar (Gebrauch der Notenpresse durch die roten Horden!) ganz persönliche Interessen ihres Verwaltungsstabes die von jenen mechanischen Hemmungen gelösten Regulatoren der Geldquantität. In der Ausschaltung, richtiger: da der Staat ja von ihnen zur Aufgabe der Metall- und zum Übergang zur Papierwährung gedrängt werden kann, – in einer gewissen Hemmung dieser Interessen also besteht heute noch die Bedeutung der Metallwährungen: der Chryso- und Argyrodromie, welche – trotz des höchst mechanischen Charakters dieses Sachverhalts – immerhin ein höheres Maß formaler, weil nur an reinen Tauschchancen orientierter, verkehrswirtschaftlicher Rationalität bedeuten. Denn die finanzmäßig bedingte lytrische Politik von Geldverwaltungen bei reiner Papierwährung ist zwar, wie oben zugegeben: – Österreich und Rußland haben es bewiesen – nicht notwendig rein an persönlichen Interessen des Herrn oder Verwaltungsstabs oder an rein aktuellen Finanzinteressen und also an der möglichst kostenlosen Schaffung von soviel Zahlungsmitteln wie möglich, einerlei was aus der »Gattung« als Tausch mittel wird, orientiert. Aber die Chance, daß diese Orientierung eintritt, ist unbestreitbar chronisch vorhanden, während sie bei Hylodromie (»freiem Verkehrsgeld«) in diesem Sinn nicht besteht. Diese Chance ist das – vom Standpunkt der formalen Ordnung der Verkehrswirtschaft aus gesehen – (also ebenfalls formal) »Irrationale« der nicht »hylodromischen« Währungen, so sehr zuzugeben ist, daß sie selbst durch jene »mechanische« Bindung nur eine relative formale Rationalität besitzen. Dies Zugeständnis könnte – und sollte – G. F. Knapp machen.

Denn so unsäglich plump die alten »Quantitätstheorien« waren, so sicher ist die »Entwertungsgefahr« bei jeder »Inflation« mit rein finanzmäßig orientierten Notalgeldemissionen, wie ja doch niemand, auch Knapp nicht, leugnet. Sein »Trost« dem gegenüber ist durchaus abzulehnen. Die »amphitropische« Stellung »aller« (!) Einzelnen aber, die bedeutet: – jeder sei ja sowohl Gläubiger wie Schuldner –, die Knapp allen Ernstes zum Nachweis der absoluten Indifferenz jeder »Entwertung« vorführt, ist, wir alle erleben es jetzt: Phantom. Wo ist sie nicht nur beim Rentner, sondern auch beim Festbesoldeten, dessen Einnahmen nominal gleichbleiben (oder in ihrer Erhöhung auf vielleicht das Doppelte von der finanziellen Konstellation und: von der Laune der Verwaltungen abhängen), dessen Ausgaben aber nominal sich vielleicht (wie jetzt) verzwanzigfachen? Wo bei jedem langfristigen Gläubiger? Derartige starke Umgestaltungen der (materialen) Geltung des Geldes bedeuten heute: chronische Tendenz zur sozialen Revolution, mögen auch viele Unternehmer intervalutarische Gewinne zu machen in der Lage sein und manche (wenige!) Arbeiter die Macht haben, sich nominale Mehrlöhne zu sichern. Diesen sozialrevolutionären Effekt und damit die ungeheure Störung der Verkehrswirtschaft mag man je nach dem Standpunkt nun für sehr »erfreulich« halten. Das ist »wissenschaftlich« unwiderlegbar. Denn es kann (mit Recht oder Unrecht) jemand davon die Evolution aus der »Verkehrswirtschaft« zum Sozialismus erwarten. Oder den Nachweis: daß nur die regulierte Wirtschaft mit Kleinbetrieben material rational sei, einerlei, wieviel »Opfer« auf der Strecke bleiben. Aber die demgegenüber neutrale Wissenschaft hat jenen Effekt zunächst jedenfalls so nüchtern als möglich zu konstatieren, – und das verhüllt die in ihrer Allgemeinheit ganz falsche »Amphitropie«-Behauptung Knapps. Neben Einzel- Irrtümern scheint mir in dem vorstehend Gesagten die wesentlichste Unvollständigkeit seiner Theorie zu liegen, – diejenige, welche ihr auch Gelehrte zu »prinzipiellen« Gegnern gemacht hat, welche dies durchaus nicht sein müßten.

 


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Seite zuletzt aktualisiert: 28.10.2006 
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