§ 24. Beruf und Arten der Berufsgliederung


§ 24. Beruf soll jene Spezifizierung, Spezialisierung und Kombination von Leistungen einer Person heißen, welche für sie Grundlage einer kontinuierlichen Versorgungs- oder Erwerbschance ist. Die Berufsverteilung kann

1. durch heteronome Zuteilung von Leistungen und Zuwendung von Versorgungsmitteln innerhalb eines wirtschaftsregulierenden Verbandes (unfreie Berufsteilung), oder durch autonome Orientierung an Marktlagen für Berufsleistungen (freie Berufsteilung) geschehen, –

2. auf Leistungsspezifikation oder auf Leistungsspezialisierung beruhen, –

3. wirtschaftlich autokephale oder heterokephale Verwertung der Berufsleistungen durch ihren Träger bedeuten.

Typische Berufe und typische Arten von Einkommens- Erwerbschancen stehen im Zusammenhang miteinander, wie bei Besprechung der »ständischen« und »Klassenlagen« zu erörtern sein wird.

Über »Berufsstände« und Klassen im allgemeinen s. Kap. IV.

1. Unfreie Berufsteilung: leiturgisch oder oikenmäßig durch Zwangsrekrutierung der einem Beruf Zugewiesenen innerhalb eines fürstlichen, staatlichen, fronberrlichen, kommunalen Verbandes. – Freie Berufsteilung: kraft erfolgreichen Angebots von Berufsleistungen auf dem Arbeitsmarkt oder erfolgreicher Bewerbung um freie »Stellungen«.

2. Leistungsspezifikation, wie schon § 16 bemerkt: die Berufsteilung des Gewerbes im Mittelalter, Leistungsspezialisierung: die Berufsteilung in den modernen rationalen Betrieben. Die Berufsteilung in der Verkehrswirtschaft ist, methodisch angesehen, sehr vielfach technisch irrationale Leistungsspezifikation und nicht rationale Leistungsspezialisierung schon deshalb, weil sie an Absatzchancen und deshalb an Käufer-, also Verbraucher-Interessen orientiert ist, welche das Ensemble der von einem und demselben Betrieb angebotenen Leistungen abweichend von der Leistungsspezialisierung determinieren und zu Leistungsverbindungen methodisch irrationaler Art nötigen.

3. Autokephale Berufsspezialisierung: Einzelbetrieb (eines Handwerkers, Arztes Rechtsanwalts, Künstlers). Heterokephale Berufsspezialisierung: Fabrikarbeiter, Beamter.

Die Berufsgliederung gegebener Menschengruppen ist verschieden:

a) je nach dem Maß der Entwicklung von typischen und stabilen Berufen überhaupt. Entscheidend dafür ist namentlich

α. die Bedarfsentwicklung,

β. die Entwicklung der (vor allem:) gewerblichen Technik,

γ. die Entwicklung entweder

αα) von Großhaushalten: – für unfreie Berufsverteilung, oder

ββ) von Marktchancen: – für freie Berufsverteilung;

b) je nach dem Grade und der Art der berufsmäßigen Spezifikation oder der Spezialisierung der Wirtschaften.

Entscheidend dafür ist vor allem

α. die durch Kaufkraft bestimmte Marktlage für die Leistungen spezialisierter Wirtschaften,

β. die Art der Verteilung der Verfügung über Kapitalgüter;

c) je nach dem Maße und der Art der Berufskontinuität oder des Berufswechsels. Für diesen letztgenannten Umstand sind entscheidend vor allem

α. das Maß von Schulung, welches die spezialisierten Leistungen voraussetzen,

β. das Maß von Stabilität oder Wechsel der Erwerbschancen, welches abhängig ist von dem Maß der Stabilität einerseits der Einkommensverteilung und von deren Art, andererseits von der Technik.

Für alle Gestaltungen der Berufe ist schließlich wichtig: die ständische Gliederung mit den ständischen Chancen und Erziehungsformen, welche sie für bestimmte Arten gelernter Berufe schafft.

Zum Gegenstand selbständiger und stabiler Berufe werden nur Leistungen, welche ein Mindestmaß von Schulung voraussetzen und für welche kontinuierliche Erwerbschancen bestehen. Berufe können traditional (erblich) überkommen oder aus zweckrationalen (insbesondere: Erwerbs-)Erwägungen gewählt oder charismatisch eingegeben oder affektuell, insbesondere aus ständischen (»Ansehens«)-Interessen ausgeübt werden. Die individuellen Berufe waren primär durchaus charismatischen (magischen) Charakters, der gesamte Rest der Berufsgliederung – soweit Ansätze einer solchen überhaupt bestanden – traditional bestimmt. Die nicht spezifisch persönlichen charismatischen Qualitäten wurden entweder Gegenstand von traditionaler Anschulung in geschlossenen Verbänden oder erblicher Tradition. Individuelle Berufe nicht streng charismatischen Charakters schufen zunächst – leiturgisch – die großen Haushaltungen der Fürsten und Grundherren, dann – verkehrswirtschaftlich – die Städte. Daneben aber stets: die im Anschluß an die magische oder rituelle oder klerikale Berufsschulung entstehenden literarischen und als vornehm geltenden ständischen Erziehungsformen.

Berufsmäßige Spezialisierung bedeutet nach dem früher Gesagten nicht notwendig: kontinuierliche Leistungen entweder 1. leiturgisch für einen Verband (z.B. einen fürstlichen Haushalt oder eine Fabrik) oder 2. für einen völlig freien »Markt«. Es ist vielmehr möglich und häufig:

1. daß besitzlose berufsspezialisierte Arbeiter je nach Bedarf nur als Gelegenheitsarbeitskräfte verwendet werden, [und zwar] von einem relativ gleichbleibenden Kreis

a) von haushaltsmäßigen Kunden (Konsumenten) oder

b) von Arbeitgeberkunden (Erwerbswirtschaften).

Zu a) In Haushaltungen: dahin gehört

a. bei Expropriation mindestens: der Rohstoffbeschaffung, also: der Verfügung über das Erzeugnis, vom Arbeiter:

I. Die »Stör«

αα) als reiner Wanderbetrieb,

ββ) als seßhafte, aber in einem örtlichen Kreis von Haushaltungen ambulante Arbeit;

II. das »Lohnwerk «: seßhafte Arbeit, in eigener Werkstatt (bzw. Haushalt) für einen Haushalt arbeitend.

In allen Fällen liefert der Haushalt den Rohstoff; dagegen pflegen die Werkzeuge dem Arbeiter appropriiert zu sein (Sensen den Schnittern, Nähwerkzeug der Näherin, alle Arten von Werkzeugen den Handwerkern).

Das Verhältnis bedeutet in den Fällen Nr. I den temporären Eintritt in den Haushalt eines Konsumenten.

Dem gegenüber ist von K. Bücher der Fall der vollen Appropriation aller Beschaffungsmittel an den Arbeiter als »Preiswerk « bezeichnet worden.

Zu b) Gelegenheitsarbeit berufsspezialisierter Arbeiter für Erwerbswirtschaften: bei Expropriation mindestens der Rohstoffbeschaffung, also: der Verfügung über das Erzeugnis, vom Arbeiter:

I. Wanderarbeit in wechselnden Betrieben von Arbeitgebern,

II. gelegentliche oder Saison-Heimarbeit für einen Arbeitgeber in eigener Haushaltung.

Beispiel zu I: Sachsengänger, Zu II: jede gelegentlich ergänzend zur Werkstattarbeit tretende Heimarbeit.

2. Das Gleiche bei Wirtschaften mit appropriierten Beschaffungsmitteln:

α. Bei Kapitalrechnung und partieller, insbesondere: auf die Anlagen beschränkter Appropriation der Beschaffungsmittel an Besitzer; Lohnwerkstattbetriebe (Lohnfabriken) und vor allem: verlegte Fabriken – erstere seit langem, letztere neuerdings häufig vorkommend.

β. Bei voller Appropriation der Beschaffungsmittel an Arbeiter

a) kleinbetrieblich, ohne Kapitalrechnung: aa) für Haushaltungen: Kundenpreiswerker ßß) für Erwerbsbetriebe: Hausindustrie ohne Expropriation der Beschaffungsmittel, also formal ungebundene, aber tatsächlich an einen monopolistischen Kreis von Abnehmern absetzende Erwerbsbetriebe,

b) großbetrieblich mit Kapitalrechnung: Beschaffung für einen festen Abnehmerkreis: – Folge (regelmäßig, aber nicht: nur) von kartellmäßigen Absatzregulierungen.

Es ist schließlich noch festzustellen: daß weder

a) jeder Erwerbsakt Bestandteil eines berufsmäßigen Erwerbens ist, – noch [daß]

b) alle noch so häufigen Erwerbsakte begriffsnotwendig irgendeiner kontinuierlichen gleichsinnigen Spezialisierung zugehören.

Zu a: Es gibt Gelegenheitserwerb:

α. der [die] Überschüsse des Hausfleißes abtauschenden Hauswirtschaft. Ebenso: zahlreiche ihnen entsprechende großhaushaltungsmäßige, namentlich grundherrliche, Gelegenheits-Erwerbsabtausche. Von da führt eine kontinuierliche Reihe von möglichen »Gelegenheitserwerbsakten« bis:

β. zur Gelegenheitsspekulation eines Rentners, dem Gelegenheitsabdruck eines Artikels, Gedichtes usw. eines Privaten und ähnlichen modernen Vorfällen. – Von da wieder bis zum »Nebenberuf«.

Zu b: Es ist ferner zu erinnern: daß es auch vollkommen wechselnde und in ihrer Art absolut unstete, zwischen allen Arten von Gelegenheitserwerb und zwar eventuell auch zwischen normalen Erwerbsakten und Bettel, Raub, Diebstahl wechselnde Formen der Existenzfristung gibt.

Eine Sonderstellung nehmen ein

a) rein karitativer Erwerb,

b) nicht karitativer Anstaltsunterhalt (insbesondere: strafweiser),

c) geordneter Gewalterwerb,

d) ordnungsfremder (krimineller) Erwerb durch Gewalt oder List. Die Rolle von b und d bietet wenig Interesse. Die Rolle von a war für die hierokratischen Verbände (Bettelmönchtum), die Rolle von c für die politischen Verbände (Kriegsbeute) und in beiden Fällen für die Wirtschaften oft ganz ungeheuer groß. Die »Wirtschaftsfremdheit« ist in diesen beiden Fällen das Spezifische. Deshalb ist eine nähere Klassifikation hier nicht am Platz. Die Formen werden anderwärts zu entwickeln sein. Aus teilweise (aber nur teilweise) ähnlichen Gründen ist der Beamtenerwerb (einschließlich des Offizierserwerbes, der dazu gehört) unten (§38) nur zwecks »systematischer Ortsbezeichnung« als Unterart des Arbeitserwerbes genannt, ohne vorerst näher kasuistisch erörtert zu sein. Denn dazu gehört die Erörterung der Art der Herrschaftsbeziehung, in welcher diese Kategorien stehen.


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