§ 18. Soziale Leistungsverteilung


§ 18. II. Sozial unterscheidet sich die Art der Leistungsverteilung:

A. je nach der Art, wie qualitativ verschiedene oder wie insbesondere komplementäre Leistungen auf autokephale und (mehr oder minder) autonome Wirtschaften verteilt sind und alsdann weiterhin ökonomisch, je nachdem diese sind: a) Haushaltungen, b) Erwerbsbetriebe. Es kann bestehen:

1. Einheitswirtschaft mit rein interner, also: völlig heterokephaler und heteronomer, rein technischer, Leistungsspezialisierung (oder: -Spezifizierung) und Leistungsverbindung (einheitswirtschaftliche Leistungsverteilung). Die Einheitswirtschaft kann ökonomisch sein:

a) ein Haushalt, b) ein Erwerbsunternehmen.

 

Ein Einheits-Haushalt wäre im größten Umfang eine kommunistische Volkswirtschaft, im kleinsten war es die primitive Familienwirtschaft, welche alle oder die Mehrzahl aller Güterbeschaffungsleistungen umschloß (geschlossene Hauswirtschaft). Der Typus des Erwerbsunternehmens mit interner Leistungsspezialisierung und -Verbindung ist natürlich die kombinierte Riesenunternehmung bei ausschließlich einheitlichem händlerischem Auftreten gegen Dritte. Diese beiden Gegensätze eröffnen und schließen (vorläufig) die Entwicklung der autonomen »Einheitswirtschaften«.

 

2. Oder es besteht Leistungsverteilung zwischen autokephalen Wirtschaften. Diese kann sein:

a) Leistungsspezialisierung oder -Spezifizierung zwischen heteronomen, aber autokephalen Einzelwirtschaften, welche sich an einer paktierten oder oktroyierten Ordnung orientieren. Diese Ordnung kann, material, ihrerseits orientiert sein:

1. an den Bedürfnissen einer beherrschenden Wirtschaft, und zwar entweder:

α. eines Herrenhaushalts (oikenmäßige Leistungsverteilung), oder

β. einer herrschaftlichen Erwerbswirtschaft;

2. an den Bedürfnissen der Glieder eines genossenschaftlichen Verbandes (verbandswirtschaftliche Leistungsverteilung), und zwar, ökonomisch angesehen, entweder

α. haushaltsmäßig, oder

β. erwerbswirtschaftlich. Der Verband seinerseits kann in allen diesen Fällen denkbarer Weise sein:

I. nur (material) wirtschaftsregulierend, oder

II. zugleich Wirtschaftsverband. – Neben allem dem steht

b) Verkehrswirtschaftliche Leistungsspezialisierung zwischen autokephalen und autonomen Wirtschaften, welche sich material lediglich an der Interessenlage, also formal lediglich an der Ordnung eines Ordnungsverbandes (Kap. II, § 5, d) orientieren.

 

1. Typus für den Fall I: nur wirtschaftsregulierender Verband, vom Charakter 2 (Genossenverband) und a (Haushalt): das indische Dorfhandwerk (»establishment«); für den Fall II: Wirtschaftsverband, vom Charakter 1 (Herrenhaushalt) ist es die Umlegung fürstlicher oder grundherrlicher oder leibherrlicher Haushaltsbedürfnisse (oder auch, bei Fürsten: politischer Bedürfnisse) auf Einzelwirtschaften der Untertanen, Hintersassen, Hörigen oder Sklaven oder Dorfkötter oder demiurgische (s.u.) Dorfhandwerker, die sich in der ganzen Welt urwüchsig fand. Nur wirtschaftsregulierend (I) im Fall 1 waren oft z.B. die kraft Bannrechts des Grundherrn, im Fall 2 die kraft Bannrechts der Stadt gebotenen Gewerbeleistungen (soweit sie, wie häufig, nicht materiale, sondern lediglich fiskalische Zwecke verfolgten). Erwerbswirtschaftlich (Fall a 1 β): Umlegung hausindustrieller Leistungen auf Einzelhaushalte.

Der Typus für a 2 β im Falle II sind alle Beispiele oktroyierter Leistungsspezialisierung in manchen sehr alten Kleinindustrien. In der Solinger Metallindustrie war ursprünglich genossenschaftlich paktierte Leistungsspezialisierung vorhanden, die erst später herrschaftlichen (Verlags-)Charakter annahm.

Für den Fall a 2 β I (nur regulierender Verband) sind alle »dorf«- oder »stadtwirtschaftlichen« Ordnungen des Verkehrs, soweit sie material in die Art der Güterbeschaffung eingriffen, Typen.

Der Fall 2 b ist der der modernen Verkehrswirtschaft.

Im einzelnen sei noch folgendes hinzugefügt:

2. Haushaltswirtschaftlich orientiert sind die Verbandsordnungen im Fall a 2 α I in besonderer Art: dadurch, daß sie am vorausgesehenen Bedarf der einzelnen Genossen orientiert sind, nicht an Haushaltszwecken des (Dorf-) Verbandes. Derartig orientierte spezifizierte Leistungspflichten sollen demiurgische Naturalleiturgien heißen, diese Art der Bedarfsvorsorge: demiurgische Bedarfsdeckung. Stets handelt es sich um verbandsmäßige Regulierungen der Arbeitsverteilung und – eventuell – Arbeitsverbindung.

Wenn dagegen (Fälle 2 a II) der Verband selbst (sei es ein herrschaftlicher oder genossenschaftlicher) eine eigene Wirtschaft hat, für welche Leistungen spezialisiert umgelegt werden, so soll diese Bezeichnung nicht verwendet werden. Für diese Fälle bilden die Typen die spezialisierten oder spezifizierten Naturalleistungsordnungen von Fronhöfen, Grundherrschaften und anderen Großhaushaltungen. Aber auch die von Fürsten, politischen und kommunalen oder anderen primär außerwirtschaftlich orientierten Verbänden für den herrschaftlichen oder Verbandshaushalt umgelegten Leistungen. Derart qualitativ spezifizierend geordnete Robott- oder Lieferungspflichten von Bauern, Handwerkern, Händlern sollen bei persönlichen Großhaushaltungen als Empfängern oikenmäßige, bei Verbandshaushaltungen als Empfängern verbandsmäßige Naturalleiturgien heißen, das Prinzip dieser Art von Versorgung des Haushalts eines wirtschaftenden Verbandes: leiturgische Bedarfsdeckung. Diese Art von Bedarfsdekkung hat eine außerordentlich bedeutende historische Rolle gespielt, von der noch mehrfach zu sprechen sein wird. In politischen Verbänden hat sie die Stelle der modernen »Finanzen« vertreten, in Wirtschaftsverbänden bedeutete sie eine »Dezentralisierung« des Großhaushalts durch Umlegung des Bedarfs desselben auf nicht mehr im gemeinsamen Haushalt unterhaltene und verwendete, sondern je ihre eigenen Haushaltungen führende, aber dem Verbandshaushalt leistungspflichtige, insoweit also von ihm abhängige, Fron- und Naturalzins-Bauern, Gutshandwerker und Leistungspflichtige aller Art. Für den Großhaushalt der Antike hat Rodbertus zuerst den Ausdruck »Oikos« verwendet, dessen Begriffsmerkmal die – prinzipielle – Autarkie der Bedarfsdeckung durch Hausangehörige oder haushörige Arbeitskräfte, welchen die sachlichen Beschaffungsmittel tauschlos zur Verfügung stehen, sein sollte. In der Tat stellen die grundherrlichen und noch mehr die fürstlichen Haushaltungen der Antike (vor allem: des »Neuen Reichs« in Ägypten) in einer allerdings sehr verschieden großen Annäherung (selten: reine) Typen solcher, die Beschaffung des Großhaushaltsbedarfs auf abhängige Leistungspflichtige (Robott- und Abgabepflichtige) umlegende Haushaltungen dar. Das gleiche findet sich zeitweise in China und Indien und, in geringerem Maß, in unserem Mittelalter, vom Capitulare de villis angefangen: Tausch nach außen fehlte meist dem Großhaushalt nicht, hatte aber den Charakter des haushaltsmäßigen Tausches. Geldumlagen fehlten ebenfalls oft nicht, spielten aber für die Bedarfsdekkung eine Nebenrolle und waren traditional gebunden. – Tausch nach außen fehlte auch den leiturgisch belasteten Wirtschaften oft nicht. Aber das Entscheidende war: daß dem Schwerpunkt nach die Bedarfsdeckung durch die als Entgelt der umgelegten Leistungen verliehenen Naturalgüter: Deputate oder Landpfründen erfolgte. Natürlich sind die Übergänge flüssig. Stets aber handelt es sich um eine verbandswirtschaftliche Regulierung der Leistungsorientierung hinsichtlich der Art der Arbeitsverteilung und Arbeitsverbindung.

3. Für den Fall a 2 I (wirtschaftsregulierender Verband) sind für den Fall β (erwerbswirtschaftliche Orientierung) diejenigen Wirtschaftsregulierungen in den okzidentalen mittelalterlichen Kommunen, ebenso in den Gilden und Kasten von China und Indien ein ziemlich reiner Typus, welche die Zahl und Art der Meisterstellen und die Technik der Arbeit, also: die Art der Arbeitsorientierung in den Handwerken regulierten. Soweit der Sinn nicht: Versorgung des Konsumbedarfs mit Nutzleistungen der Handwerker, sondern, – was nicht immer, aber häufig der Fall war: – Sicherung der Erwerbschancen der Handwerker war: insbesondere Hochhaltung der Leistungsqualität und Repartierung der Kundschaft. Wie jede Wirtschaftsregulierung bedeutete selbstverständlich auch diese eine Beschränkung der Marktfreiheit und daher der autonomen erwerbswirtschaftlichen Orientierung der Handwerker: sie war orientiert an der Erhaltung der »Nahrung« für die gegebenen Handwerksbetriebe und also insoweit der haushaltswirtschaftlichen Orientierung trotz ihrer erwerbswirtschaftlichen Form doch innerlich material verwandt.

4. Für den Fall a 2 II im Fall β sind außer den schon angeführten reinen Typen der Hausindustrie vor allem die Gutswirtschaften unseres Ostens mit den an ihren Ordnungen orientierten Instmanns-Wirtschaften, die des Nordwestens mit den Heuerlings-Wirtschaften Typen. Die Gutswirtschaft sowohl, wie die Verlagswirtschaft sind Erwerbsbetriebe des Gutsherrn bzw. Verlegers; die Wirtschaftsbetriebe der Instleute und hausindustriellen Arbeiter orientieren sich in der Art der ihnen oktroyierten Leistungsverteilung und Arbeitsleistungsverbindung sowohl wie in ihrer Erwerbswirtschaft überhaupt primär an den Leistungspflichten, welche ihnen die Arbeitsordnung des Gutsverbandes bzw. die hausindustrielle Abhängigkeit auferlegt. Im übrigen sind sie: Haushaltungen. Ihre Erwerbsleistung ist nicht autonom, sondern heteronome Erwerbsleistung für den Erwerbsbetrieb des Gutsherrn bzw. Verlegers. Je nach dem Maß der materialen Uniformierung dieser Orientierung kann der Tatbestand sich der rein technischen Leistungsverteilung innerhalb eines und desselben Betriebes annähern, wie sie bei der »Fabrik« besteht.


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