§ 14. Verkehrswirtschaft und Planwirtschaft


§ 14. »Verkehrswirtschaftliche« Bedarfsdeckung soll alle, rein durch Interessenlage ermöglichte, an Tauschchancen orientierte und nur durch Tausch vergesellschaftete wirtschaftliche Bedarfsdeckung heißen. »Planwirtschaftliche« Bedarfsdeckung soll alle an gesatzten, paktierten oder oktroyierten, materialen Ordnungen systematisch orientierte Bedarfsdeckung innerhalb eines Verbandes heißen.

Verkehrswirtschaftliche Bedarfsdeckung setzt, normalerweise und im Rationalitätsfall, Geldrechnung und, im Fall der Kapitalrechnung, ökonomische Trennung von Haushalt und Betrieb voraus. Planwirtschaftliche Bedarfsdeckung ist (je nach ihrem Umfang in verschiedenem Sinn und Maß) auf Naturalrechnung als letzte Grundlage der materialen Orientierung der Wirtschaft, formal aber, für die Wirtschaftenden, auf Orientierung an den Anordnungen eines, für sie unentbehrlichen, Verwaltungsstabes angewiesen. In der Verkehrswirtschaft orientiert sich das Handeln der autokephalen Einzelwirtschaften autonom: beim Haushalten am Grenznutzen des Geldbesitzes und des erwarteten Geldeinkommens, beim Gelegenheitserwerben an den Marktchancen, in den Erwerbsbetrieben an der Kapitalrechnung. In der Planwirtschaft wird alles wirtschaftliche Handeln – soweit sie durchgeführt ist – streng haushaltsmäßig und heteronom an gebietenden und verbietenden Anordnungen, in Aussicht gestellten Belohnungen und Strafen orientiert. Soweit als Mittel der Weckung des Eigeninteresses in der Planwirtschaft Sonder-Einkunftchancen in Aussicht gestellt sind, bleibt mindestens die Art und Richtung des dadurch belohnten Handelns material heteronom normiert. In der Verkehrswirtschaft kann zwar, aber in formal voluntaristischer Art, weitgehend das gleiche geschehen. Überall da nämlich, wo die Vermögens-, insbesondere die Kapitalgüter- Besitzdifferenzierung die Nichtbesitzenden zwingt, sich Anweisungen zu fügen, um überhaupt Entgelt für die von ihnen angebotenen Nutzleistungen zu erhalten: seien es Anweisungen eines vermögenden Hausherrn, seien es die an einer Kapitalrechnung orientierten Anweisungen von Kapitalgüter-Besitzenden (oder der von diesen zu deren Verwertung designierten Vertrauensmänner). Dies ist in der rein kapitalistischen Betriebswirtschaft das Schicksal der gesamten Arbeiterschaft.

Entscheidender Antrieb für alles Wirtschaftshandeln ist unter verkehrswirtschaftlichen Bedingungen normalerweise 1. für die Nichtbesitzenden: a) der Zwang des Risikos völliger Unversorgtheit für sich selbst und für diejenigen persönlichen »Angehörigen« (Kinder, Frauen, eventuell Eltern), deren Versorgung der Einzelne typisch übernimmt, b) – in verschiedenem Maß – auch innere Eingestelltheit auf die wirtschaftliche Erwerbsarbeit als Lebensform, – 2. für die durch Besitzausstattung oder (besitzbedingte) bevorzugte Erziehungsausstattung tatsächlich Privilegierten: a) Chancen bevorzugter Erwerbseinkünfte, b) Ehrgeiz, c) die Wertung der bevorzugten (geistigen, künstlerischen, technisch fachgelernten) Arbeit als »Beruf«, – 3. für die an den Chancen von Erwerbsunternehmungen Beteiligten: a) eigenes Kapitalrisiko und eigene Gewinnchancen in Verbindung mit b) der »berufsmäßigen« Eingestelltheit auf rationalen Erwerb als α) »Bewährung« der eigenen Leistung und β) Form autonomen Schaltens über die von den eigenen Anordnungen abhängigen Menschen, daneben γ) über kultur- oder lebenswichtige Versorgungschancen einer unbestimmten Vielheit: Macht. Eine an Bedarfsdeckung orientierte Planwirtschaft muß – im Fall radikaler Durchführung – von diesen Motiven den Arbeitszwang durch das Unversorgtheits-Risiko mindestens abschwächen, da sie im Fall materialer Versorgungsrationalität jedenfalls die Angehörigen nicht beliebig stark unter der etwaigen Minderleistung des Arbeitenden leiden lassen könnte. Sie muß ferner, im gleichen Fall, die Autonomie der Leitung von Beschaffungsbetrieben sehr weitgehend, letztlich: vollkommen, ausschalten, kennt das Kapitalrisiko und die Bewährung durch formal autonomes Schalten ebenso wie die autonome Verfügung über Menschen und lebenswichtige Versorgungschancen entweder gar nicht oder nur mit sehr stark beschränkter Autonomie. Sie hat also neben (eventuell) rein materiellen Sondergewinnchancen wesentlich ideale Antriebe »altruistischen« Charakters (im weitesten Sinn) zur Verfügung, um ähnliche Leistungen in der Richtung planwirtschaftlicher Bedarfsdeckung zu erzielen, wie sie erfahrungsgemäß die autonome Orientierung an Erwerbschancen innerhalb der Erwerbswirtschaft in der Richtung der Beschaffung kaufkräftig begehrter Güter vollbringt. Sie muß dabei ferner, im Fall radikaler Durchführung, die Herabminderung der formalen, rechnungsmäßigen Rationalität in Kauf nehmen, wie sie (in diesem Fall) der Fortfall der Geld- und Kapitalrechnung unvermeidlich bedingt. Materiale und (im Sinn exakter Rechnung:) formale Rationalität fallen eben unvermeidlich weitgehend auseinander: diese grundlegende und letztlich unentrinnbare Irrationalität der Wirtschaft ist eine der Quellen aller »sozialen« Problematik, vor allem: derjenigen alles Sozialismus.


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