§ 4. Typische Maßregeln des rationalen Wirtschaftens


§ 4. Typische Maßregeln des rationalen Wirtschaftens sind:

1. planvolle Verteilung solcher Nutzleistungen, auf deren Verfügung der Wirtschaftende gleichviel aus welchem Grunde zählen zu können glaubt, auf Gegenwart und Zukunft (Sparen);

2. planvolle Verteilung verfügbarer Nutzleistungen auf mehrere Verwendungsmöglichkeiten in der Rangfolge der geschätzten Bedeutung dieser: nach dem Grenznutzen.

Diese (am strengsten: »statischen«) Fälle kommen in Friedenszeiten in wirklich bedeutsamem Umfang, heute meist in Form von Geldeinkommensbewirtschaftung vor.

3. planvolle Beschaffung – Herstellung und Herschaffung – solcher Nutzleistungen, für welche alle Beschaffungsmittel sich in der eignen Verfügungsgewalt des Wirtschaftenden befinden. Im Rationalitätsfall erfolgt eine bestimmte Handlung dieser Art, sofern die Schätzung der Dringlichkeit des Begehrs dem erwarteten Ergebnis nach die Schätzung des Aufwands, das heißt: 1. der Mühe der etwa erforderlichen Leistungen, – 2. aber: der sonst möglichen Verwendungsarten der zu verwendenden Güter und also: ihres technisch andernfalls möglichen Endprodukts übersteigt (Produktion im weiteren Sinn, der die Transportleistungen einschließt);

4. planvoller Erwerb gesicherter Verfügungsgewalt oder Mitverfügungsgewalt über solche Nutzleistungen, welche

α. selbst oder

β. deren Beschaffungsmittel sich in fremder Verfügungsgewalt befinden oder welche

γ. fremder, die eigne Versorgung gefährdender Beschaffungskonkurrenz ausgesetzt sind, –

durch Vergesellschaftung mit dem derzeitigen Inhaber der Verfügungsgewalt oder Beschaffungskonkurrenten.

Die Vergesellschaftung mit fremden derzeitigen Inhabern der Verfügungsgewalt kann erfolgen

a) durch Herstellung eines Verbandes, an dessen Ordnung sich die Beschaffung oder Verwendung von Nutzleistungen orientieren soll;

b) durch Tausch.

Zu a): Sinn der Verbandsordnung kann sein:

α. Rationierung der Beschaffung oder der Benutzung oder des Verbrauchs zur Begrenzung der Beschaffungskonkurrenz (Regulierungsverband);

β. Herstellung einer einheitlichen Verfügungsgewalt zur planmäßigen Verwaltung der bisher in getrennter Verfügung befindlichen Nutzleistungen (Verwaltungsverband).

Zu b): Tausch ist ein Interessenkompromiß der Tauschpartner, durch welches Güter oder Chancen als gegenseitiger Entgelt hingegeben werden. Der Tausch kann

1. traditional oder konventional, also (namentlich im zweiten Fall) nicht wirtschaftlich rational, – oder

2. wirtschaftlich rational orientiert erstrebt und geschlossen werden. Jeder rational orientierte Tausch ist Abschluß eines vorhergehenden offenen oder latenten Interessenkampfes durch Kompromiß. Der Tauschkampf der Interessenten, dessen Abschluß das Kompromiß bildet, richtet sich einerseits stets, als Preiskampf, gegen den als Tauschpartner in Betracht kommenden Tauschreflektanten (typisches Mittel: Feilschen), andrerseits gegebenenfalls, als Konkurrenzkampf, gegen wirkliche oder mögliche dritte (gegenwärtige oder für die Zukunft zu erwartende) Tauschreflektanten, mit denen Beschaffungskonkurrenz besteht (typisches Mittel: Unter- und Überbieten).

 

1. In der Eigenverfügung eines Wirtschaftenden befinden Nutzleistungen (Güter, Arbeit oder andre Träger von solchen) sich dann, wenn tatsächlich nach (mindestens: relativ) freiem Belieben ohne Störung durch Dritte auf ihren Gebrauch gezählt werden kann, einerlei ob diese Chance auf Rechtsordnung oder Konvention oder Sitte oder Interessenlage beruht. Keineswegs ist gerade nur die rechtliche Sicherung der Verfügung die begrifflich (und auch nicht: die tatsächlich) ausschließliche, wennschon die heute für die sachlichen Beschaffungsmittel empirisch unentbehrliche Vorbedingung des Wirtschaftens.

2. Fehlende Genußreife kann auch in örtlicher Entferntheit genußreifer Güter vom Genußort bestehen. Der Gütertransport (zu scheiden natürlich vom Güterhandel, der Wechsel der Verfügungsgewalt bedeutet) kann hier daher als Teil der »Produktion« behandelt werden.

3. Für die fehlende Eigenverfügung ist es prinzipiell irrelevant, ob Rechtsordnung oder Konvention oder Interessenlage oder eingelebte Sitte oder bewußt gepflegte Sittlichkeitsvorstellungen den Wirtschaftenden typisch hindern, die fremde Verfügungsgewalt gewaltsam anzutasten.

4. Beschaffungskonkurrenz kann unter den mannigfachsten Bedingungen bestehen. Insbesondere z.B. bei okkupatorischer Versorgung: Jagd, Fischfang, Holzschlag, Weide, Rodung. Sie kann auch und gerade innerhalb eines nach außen geschlossenen Verbandes bestehen. Die dagegen gerichtete Ordnung ist dann stets: Rationierung der Beschaffung, regelmäßig in Verbindung mit Appropriation der so garantierten Beschaffungschancen für eine fest begrenzte Zahl von Einzelnen oder (meist) von Hausverbänden. Alle Mark- und Fischereigenossenschaften, die Regulierung der Rodungs-, Weide- und Holzungsrechte auf Allmenden und Marken, die »Stuhlung« der Alpenweiden usw. haben diesen Charakter. Alle Arten erblichen »Eigentums« an nutzbarem Grund und Boden sind dadurch propagiert worden.

5. Der Tausch kann sich auf alles erstrecken, was sich in irgendeiner Art in die Verfügung eines andern »übertragen« läßt und wofür ein Partner Entgelt zu geben bereit ist. Nicht nur auf »Güter« und »Leistungen« also, sondern auf ökonomische Chancen aller Art, z.B. auf eine rein kraft Sitte oder Interessenlage zur Verfügung stehende, durch nichts garantierte »Kundschaft«. Erst recht natürlich auf alle irgendwie durch irgendeine Ordnung garantierten Chancen. Tauschobjekte sind also nicht nur aktuelle Nutzleistungen. Als Tausch soll für unsre Zwecke vorläufig, im weitesten Wortsinn, jede auf formal freiwilliger Vereinbarung ruhende Darbietung von aktuellen, kontinuierlichen, gegenwärtigen, künftigen Nutzleistungen von welcher Art immer gegen gleichviel welche Art von Gegenleistungen bezeichnet werden. Also z.B. die entgeltliche Hingabe oder Zurverfügungstellung der Nutzleistung von Gütern oder Geld gegen künftige Rückgabe gleichartiger Güter ebenso wie das Erwirken irgendeiner Erlaubnis, oder einer Überlassung der »Nutzung« eines Objekts gegen »Miete« oder »Pacht«, oder die Vermietung von Leistungen aller Art gegen Lohn oder Gehalt. Daß heute, soziologisch angesehen, dieser letztgenannte Vorgang für die »Arbeiter« im Sinn des § 15 den Eintritt in einen Herrschaftsverband bedeutet, bleibt vorläufig noch ebenso außer Betracht wie die Unterschiede von »Leihe« und »Kauf« usw.

6. Der Tausch kann in seinen Bedingungen traditional und, in Anlehnung daran, konventional, oder aber rational bestimmt sein. Konventionale Tauschakte waren der Geschenkaustausch unter Freunden, Helden, Häuptlingen, Fürsten (cf. den Rüstungstausch des Diomedes und Glaukos), nicht selten übrigens (vgl. die Tell- el- Amarna-Briefe) schon sehr stark rational orientiert und kontrolliert. Der rationale Tausch ist nur möglich, wenn entweder beide Teile dabei Vorteil zu finden hoffen, oder eine durch ökonomische Macht oder Not bedingte Zwangslage für einen Teil vorliegt. Er kann (s. § 11) entweder: naturalen Versorgungs- oder: Erwerbszwecken dienen, also: an der persönlichen Versorgung des oder der Eintauschenden mit einem Gut oder: an Marktgewinnchancen (s. §11) orientiert sein. Im ersten Fall ist er in seinen Bedingungen weitgehend individuell bestimmt und in diesem Sinn irrational: Haushaltsüberschüsse z.B. werden in ihrer Wichtigkeit nach dem individuellen Grenznutzen der Einzelwirtschaft geschätzt und eventuell billig abgetauscht, zufällige Begehrungen des Augenblicks bestimmen den Grenznutzen der zum Eintausch begehrten Güter unter Umständen sehr hoch. Die durch den Grenznutzen bestimmten Tauschgrenzen sind also hochgradig schwankend. Ein rationaler Tauschkampf entwikkelt sich nur bei marktgängigen (über den Begriff s. § 8) und im Höchstmaß bei erwerbswirtschaftlich (Begriff s. § 11) genutzten oder abgetauschten Gütern.

7. Die Zu a α genannten Eingriffe eines Regulierungsverbandes sind nicht etwa die einzig möglichen eines solchen, aber diejenigen, welche, als am unmittelbarsten aus Bedrohung der Bedarfsdeckung als solcher hervorgehend, hierher gehören. Über die Absatzregulierung s. später.


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